Guttenberg und die versuchte Taktik des geordneten Rückzugs

Der Verteidigungsminister will uns weismachen, dass die Bombardierung der Tanklaster zwar falsch, aber doch irgendwie auch richtig war - und er auf jeden Fall weiterhin ohne Fehl ist

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Verteidigungsminister Guttenberg hat immerhin schnell gehandelt – und im Dienst der Regierung, der es gestern um eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr ging. Von einem Tag auf den anderen schaltete der CSU-Minister um und verkündete nun vor der Entscheidung, die von der Bundeswehr angeordnete Bombardierung der zwei Tanklaster in Afghanistan seien doch nicht "militärisch angemessen" gewesen. Manche sind ganz begeistert von dem wenig überraschenden Versuch, sich aus einer misslichen Lage durch eine "Flucht nach vorne" zu befreien.

Anderes ist Guttenberg auch gar nicht übrig geblieben. Eine weitere Verschleppung des Eingeständnisses einer vielleicht verständlichen, aber dennoch falschen und fatalen Entscheidung eines deutschen Oberst hätte nur Schlimmeres ergeben. Mit verzwickter Rhetorik versuchte Guttenberg, zwar die Entscheidung als falsch zu bezeichnen – das hätte ihm eigentlich schon kurz nach dem 4. September deutlich sein müssen, schließlich dürfte er auch ausländische Medien wie die Washington Post zur Kenntnis nehmen (War der Befehl zum Abwurf der Bomben falsch?) -, aber den Oberst und die Bundeswehr zu decken.

Karl-Theodor zu Guttenberg. Bild: Dirk Vorderstraße Das Bild "Guttenberg_hamm_csu.jpg" und steht unter der "Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen"-Lizenz 3.0". Der Urheber des Bildes ist Dirk Vorderstraße.

Die rhetorische Anstrengung. das Falsche dennoch als irgendwie Richtiges darzustellen, will dem Minister allerdings nicht so recht gelingen, der sich überdies selbst weiter ins Schussfeld rückt, weil er angeblich erst jetzt Einsicht in ihm bislang nicht verfügbare Berichte nehmen konnte. Falls die Bundeswehr hier etwas gegenüber dem Ministerium verheimlicht haben sollte, was ja auch der Tenor von Vorgänger Jung gewesen ist, dann übt entweder das Ministerium keine ausreichende Kontrolle aus oder ist der Bundeswehr nicht zu trauen.

Ob der Untersuchungsausschuss wirklich aufklären wird, wer was zu welcher Zeit wusste, muss abgewartet werden. Vermutet werden kann jedoch, dass Jung mehr wusste und aus politischem Kalkül vor den Wahlen lieber verschweigen wollte, dass die Bombardierung ein Desaster war. Irgendwann musste er dann doch eingestehen, dass es zivile Opfre gegeben hat – und den Verlauf dieser Geschichte hat Guttenberg, selbst wenn er tatsächlich von den richtigen Informationen abgeschirmt war, mitkriegen müssen. Schleierhaft ist noch immer, warum die Bundesregierung den Nato-Bericht immer noch nicht veröffentlicht. Damit ließen sich Zweifel schneller beseitigen, als durch schrittweises Eingeständnis, weil man nicht mehr anders kann.

Aber natürlich hatte Guttenberg ein Problem, denn er kann nicht einfach die Unangemessenheit des Befehls zur Bombardierung feststellen, ohne damit den Oberst und damit letztlich auch die Bundeswehr und die ganze militärische Afghanistanmission zu beschädigen. Nicht zuletzt redet man immer vom Aufbau, während die massenhafte Tötung von Zivilisten eher dem Widerstand förderlich ist.

Guttenberg riskiert, dass die Soldaten murren und sich nicht mehr stumm für politische Interessen in Afghanistan einsetzen lassen, wenn sie Angst haben müssen, schnell einmal belangt werden zu können. Also stellt sich der Minister, der die Entscheidung für falsch befindet, trotzdem heldenhaft vor seine Mannschaft, die Bundeswehr und den Oberst, und sagt, dass der deutsche Kommandeur sicherlich von der Angemessenheit seiner Entscheidung ausgegangen sei und "nach bestem Wissen und Gewissen" gehandelt habe, was sich nur jetzt, nachträglich, als falsch erwiesen habe.

Ich darf in aller Klarheit sagen, dass Oberst Klein mein volles Verständnis dafür hat, dass er angesichts kriegsähnlicher Zustände um Kundus, angesichts anhaltender Gefechte in diesen Tagen, bei denen in diesen Tagen auch deutsche Soldaten verwundet wurden, unter seinem Kommando in diesen Monaten auch deutsche Soldaten gefallen sind, er subjektiv von der Angemessenheit seines militärischen Handelns ausgegangen ist.

Verteidigungsminister Guttenberg

"Wie viel leichter scheint es jetzt, sich ein Urteil über diese Frage der Angemessenheit zu bilden aus der Distanz mit auch für mich zahlreichen neuen Dokumenten mit neuen Bewertungen, die ich am 6. November dieses Jahres noch nicht hatte", sagt Guttenberg umständlich, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, aber mit der Gefahr, weiter in Untiefen zu geraten, was den Kenntnisstand angeht. Fallen lassen werde er den Oberst nicht, jeder solle doch selbst prüfen, so Guttenberg, wie er in seiner Lage gehandelt hätte. Also ist ja doch alles in Ordnung, wenn es auch falsch ist.

Natürlich, im Krieg versucht jeder, sein Leben zu schützen. Aber die Deutschen sind in Afghanistan bekanntlich nicht im Krieg, wenn nun auch immerhin bereits nach der Guttenbergschen Position in kriegsähnlichen Zuständen. Da kann schon mal was schief laufen und müssen Unschuldige sterben, weil die Soldaten, die eigentlich die Menschen im Land schützen sollen, sich selbst schützen wollen - und dies Vorrang hat. Aber weil die deutschen Soldaten ja keine Kampfeinsätze machen, sondern nur der Stabilisierung dienen sollen, darf nicht Klartext geredet werden. Und dies umso weniger, weil es ja nur eine Panne unter vielen ist, die die Glaubwürdigkeit der neuen Regierung untergräbt.

Die Deutschen lehnen im Unterschied zum Parlament mehrheitlich die weitere Stationierung von deutschen Soldaten in Afghanistan ab, so der neue ARD-Deutschlandtrend. 69 Prozent sprechen sich für einen schnellen Rückzug aus. Das wird die Regierung und besonders Guttenberg in Probleme bringen, wenn sie nach der Merkel üblichen Verschiebung der Entscheidung, die Truppen aufzustocken, spätestens im Januar unter massiven Druck aus Washington kommen werden. Und die Mehrheit der Deutschen schenkt der Regierung auch keinen Glauben, die Öffentlichkeit korrekt zu informieren. 77 Prozent sagen, dass die "unzureichende Information über den Luftangriff auf Tanklaster" kein Einzellfall war.

So schnell wie die schwarz-gelbe Regierung hat wohl noch kaum eine vor ihr an Glaubwürdigkeit und Vertrauen eingebüßt. Gerade einmal ein paar Wochen im Amt sind schon 60 Prozent der Befragten mit ihrer Arbeit unzufrieden. Trotzdem sind mehr Menschen mit der Arbeit von Merkel und Guttenberg zufrieden.