Habeck wird nicht Kanzlerkandidatin und nimmt es gentlemanlike

Robert Habeck will Weltpolitik machen. Da muss man auch mal diplomatisch sein. Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Der Grünen-Ko-Chef bestreitet, dass es in seiner Partei eine Debatte über einen Personalwechsel für die Spitzenkandidatur gibt und verteidigt Annalena Baerbock. Ihn lockt wohl ein anderes Amt

Sowohl die traditionell gern von Grünen-Wählern gelesene deutsche taz als auch die linksliberale österreichische Tageszeitung Der Standard hatten es vorgeschlagen - und in beiden Fällen waren die Autorinnen Frauen: Statt Annalena Baerbock solle doch lieber Robert Habeck die Kanzlerkandidatur für die deutschen Grünen übernehmen. Von einer "Notbremse" sprach der Standard am 5. Juli, nachdem die taz Baerbock vorgeworfen hatte, mit ihrer Selbstüberschätzung dem Feminismus einen Bärendienst zu erweisen.

Die 40-Jährige steht seit Wochen in der Kritik: Nachträglich musste sie dem Bundestag Nebeneinkünfte melden und ihren im Internet veröffentlichten Lebenslauf korrigieren. Zuletzt beanstandete ein Gutachter und "Plagiatsjäger" mehrere Textstellen ihres Buches "Jetzt: Wie wir unser Land erneuern". Darunter litten nicht nur ihre persönlichen Sympathiewerte, sondern auch die Umfragewerte der Grünen nach einem kurzen Höhenflug erheblich.

Spekulationen über einen Wechsel nennt er "Kokolores"

Eine Debatte über den Austausch von Kanzlerkandidaten gibt es aber bei den Grünen laut Habeck nicht. "Nein. Das ist keine Debatte", sagte der Ko-Vorsitzende der Grünen im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ, Samstagsausgabe). Spekulationen darüber seien "Kokolores", so der 51-Jährige. Die Grünen hätten Baerbock gerade erst mit fast 100 Prozent zu ihrer Kanzlerkandidatin gewählt. Jetzt gehe es darum, "aus diesem Vertrauensvorschuss, den sie von der Partei bekommen hat, das Beste zu machen".

Baerbock war im April vom Parteivorstand nominiert und auf dem digitalen Parteitag der Grünen vor einem Monat von 98,5 Prozent der Delegierten sie als Kanzlerkandidatin bestätigt worden. In derselben Online-Abstimmung war auch entschieden worden, dass sie und Habeck das Wahlkampf-Spitzenduo der Grünen für die Bundestagswahl am 26. September dieses Jahres bilden.

Gelaufen ist das Rennen um die Kanzlerschaft für die Grünen aus Habecks Sicht noch nicht. Er sehe "große Chancen, im Lauf des Wahlkampfs dieses kostbare Gut Vertrauen zu erwerben", sagte Habeck der SZ. Die vergangenen Wochen seien zwar "kein Glanzstück" gewesen, sagte er. "Aber wir stehen noch immer sehr gut da - gut genug, um mit Freundlichkeit und Freude und der Leichtigkeit des Sommers einen fulminanten Wahlkampf zu machen."

Wie sich Habeck für ein anderes attraktives Amt bewarb

Habeck selbst war kurz nach der Nominierung seiner Ko-Vorsitzenden erst einmal in die Ostukraine gereist, um sich mit Stahlhelm in der Nähe der russischen Grenze fotografieren zu lassen und Waffenlieferungen für das ukrainische Militär zu fordern. Letzteres kann als Bewerbung für das Amt des deutschen Außenministers in einer "schwarz-grünen" oder "grün-schwarzen" Koalition gelesen werden, wenn man es nicht als Selbsttherapie eines gekränkten männlichen Egos abtun will.

Aber eine Debatte über die Inhalte der ehemaligen Friedens- und Ökopartei und ihren Abschied von der Entspannungspolitik wurde bisher weitgehend von der Berichterstattung über Baerbocks Patzer und Schönfärbereien verdrängt. Große Teile der Grünen-Zielgruppe halten Habeck jedenfalls für den qualifizierteren Kandidaten. Die taz-Kommentatorin verglich sogar von Baerbock und Habeck geschriebene Bücher mit "einer Pommesbude und einem französischen Restaurant".

Eine Mehrheit der Wahlberechtigten hält es laut einer Civey-Umfrage für einen Fehler, dass die Grünen Baerbock und nicht Habeck für das Kanzleramt kandidieren lassen. 61 Prozent sind demnach der Meinung, dass sich die Grünen falsch entschieden haben - nur 24 Prozent halten Baerbocks Kandidatur für richtig. Der Rest zeigte sich unentschieden. Dies ergibt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey. Demnach sagen 61 Prozent, dass sich die Grünen falsch entschieden haben, und nur 24 Prozent halten Baerbocks Kandidatur für richtig. Der Rest zeigte sich laut der Umfrage im Auftrag der Augsburger Allgemeinen unentschieden, wie die Zeitung am Wochenende berichtete.

Nun hat Habeck reichlich Gelegenheit, sich großzügig, moderat kritisch und gentlemanlike zu zeigen. Auch er habe sich über die Pannen und Versäumnisse der vergangenen Wochen geärgert, sagte er der SZ. "Es gab handwerkliche Fehler", das habe aber auch Baerbock eingeräumt. Zugleich widersprach Habeck der Behauptung, seine Ko-Vorsitzende sei eine Hochstaplerin. "Das ist sie nicht", sagte er. "Annalena Baerbock ist eine Frau, die von den Themen und ihrer Umsetzung getrieben ist", verteidigte er die merklich angeschlagene Kollegin.

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