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Habecks Lieblingsdespoten

Doha, Katar. Bild: StellarD/CC BY-SA 4.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Erdgasabhängigkeiten, Terrorismus-Förderer und Teslas Probleme mit der Presse

Über die wirklich außerordentlichen Temperaturen in der Antarktis [1], wo jetzt der Winter beginnen sollte, aber es sich in der letzten Woche auf dem Inlandeis eher wie Sommer anfühlte, hatten wir bereits gestern berichtet [2].

Ähnliche Meldungen kommen auch aus dem hohen Norden. Rund um den Nordpol beginnt gerade der lange Polartag und auch dort liegen die Temperaturen zum Teil erheblich über den langjährigen Mittelwerten für März, der der Monat der größten Eisausdehnung auf dem arktischen Ozean ist.

Die startet sich jetzt ihren jährlichen Rückzug, allerdings von einer viel kleineren Ausgangsposition, als es noch vor zwei oder gar drei Jahrzehnten üblich war. Die Gewässer nördlich und nordöstlich von Spitzbergen [3] sind zum Beispiel bereits eisfrei, ebenso in weiten Teilen die Barentssee nordöstlich von Skandinavien.

Deutschlands Gasversorgung

Langeweile kommt derweil wirklich nicht auf, wenn man sich dieser Tage mit der künftigen Energieversorgung Deutschlands auseinandersetzt. Nun soll uns also Flüssiggas aus Katar retten. Ausgerechnet. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Wochenende das Emirat am Golf besucht und entsprechende Zusagen mit nach Hause gebracht.

Erdgas hat nach Angaben [4] der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) 2020 ein gutes Viertel (26,6 Prozent) zum deutschen Primärenergieverbrauch beigetragen.

Eingesetzt wird es größten Teils in der Wärmegewinnung (Warmwasser, Heizung, Prozesswärme in der Industrie). Nach den Daten [5] des Verbandes der Chemischen Industrie wird rund 14 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gases in dieser Branche verwendet, ein knappes Viertel davon als Rohstoff. Zumeist wird aus dem Methan, aus dem Erdgas größtenteils besteht, Wasserstoff abgespalten, der für diverse Produkte benötigt wird.

Der Anteil des russischen Erdgas am deutschen Verbrauch war in den vergangenen Jahren gestiegen, nicht zuletzt, weil die heimischen Quellen immer weniger hergeben. Nur noch rund sechs Prozent des Erdgasverbrauchs wird im Inland gefördert. (2020 waren es nach den Zahlen der BGR 5,7 Milliarden Kubikmeter, während 90,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht wurden.)

Zuletzt kam rund 55 Prozent des hierzulande verbrauchten Erdgas aus Russland, aber in den letzten Monaten hat dieser Anteil bereits abgenommen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) spricht [6] von 40 Prozent des Bedarfs, der 2022 bisher durch russische Importe gedeckt worden sei.

Davon würden sich, so der Verband, rund die Hälfte kurzfristig ersetzen oder durch Einsparungen vermeiden lassen. Längerfristig sei durch Effizienzsteigerung und den Energieträgerwechsel mehr möglich. Unter anderem könnten vielfach Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzt werden.

Flüssiggas

Das Einsparpotenzial in der Industrie hält der BDEW nur für sehr klein, und daher bedankt sich die chemische Industrie ausdrücklich bei Wirtschaftsminister Habeck, dass er vorerst weiter russisches Gas beziehen will.

Natürlich könnte man angesichts des galoppierenden Klimawandels und des russischen Angriffs auf die Ukraine auch sofort alle Importe einstellen und Russland damit einer wichtigen Einnahmequelle berauben. Doch die Interessen der deutschen Industrie sind heilig. Also will die Bundesregierung – wie bereits mehrfach berichtet – nun den Bau von Flüssiggasterminals massiv vorantreiben.

Schon lange, bevor russische Truppen den ersten Schuss abfeuerten, hatte Habeck für diese als schleswig-holsteinischer Umweltminister Werbung gemacht. Das ist bemerkenswert, denn dieses Flüssiggas wird unter anderem aus den USA stammen und Frackinggas sein, womit es wegen der mit der Fördermethode verbundenen Erdgasemissionen besonders klimaschädlich ist.

Aber selbst, wenn es sich um konventionelles Erdgas handeln sollte, ist die Verflüssigung und der Transport noch immer mit erheblichen zusätzlichen Emissionen verbunden. Das Gas wird dafür nämlich unter nicht unwesentlichem Energieaufwand heruntergekühlt. Außerdem muss während des Transports in Spezialschiffen des Öfteren ein Teil des sich wieder erwärmenden Gases abgelassen werden, damit der Druck in den Behältern nicht zu groß wird.

Böse Despoten – gute Despoten

Alles in allem ist das nicht gerade die klimafreundlichste Geschichte, und die Grünen müssen sich schon fragen lassen, ob sie denn noch an ihre eigenen Klimaschutzversprechen glauben, ob Deutschland wirklich noch einen auch nur halbwegs angemessenen Beitrag dazu leisten wird, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen?

Aber vor allem müssen sie sich fragen lassen, wie es um ihre "wertebasierte Außenpolitik" steht. Sollen wirklich die russischen Gaslieferanten gegen Katar ausgetauscht werden?

Es gilt ja vielen inzwischen – nicht ganz zu Unrecht – als unmoralisch, Gas aus Russland zu kaufen. Aber wie kann da ein Lieferant, der als Finanzier islamistischen Terrors [7] gilt, die Alternative sein?

Ein Land, das unter anderem den Islamischen Staat unterstützt [8] haben soll, der im Norden des Iraks Massaker an Jesiden verübte und jesidischen Frauen und Kinder versklavte? Ein Land, das im jemenitischen Bürgerkrieg mitmischt [9], der nach UN-Angaben bereits über 370.000 [10] Todesopfer gefordert hat?

EEG-Novelle

Bleibt zu hoffen, dass Habeck wenigstens die Energiewende beschleunigt. Die erwähnten Wärmepumpen brauchen nämlich wie auch die angestrebte Verkehrswende – auch wenn man nicht auf E-Autos, sondern mehr öffentliche Systeme setzen will, mehr Strom. Entsprechend gehen die meisten Szenarien der Fachwelt inzwischen davon aus, dass der Stromverbrauch in den nächsten Jahren steigen wird.

Höchste Zeit also, beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger endlich durchzustarten. Inzwischen liegen die Referentenentwürfe für die Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes [11] und des Windenergie-auf-See-Gesetzes [12] vor.

Unter anderem werden die Ausbauziele erheblich hochgesetzt und die sogenannte EEG-Umlage, die derzeit noch die Kilowattstunde Strom für den privaten Endverbraucher um etwas mehr als drei Cent verteuert, abgeschafft. Auch gibt es Regeln zum Einsatz von Wasserstoff als Speichermedium für überschüssigen Strom.

Die Entwürfe werden derzeit von diversen Interessenverbänden analysiert und diskutiert und werden demnächst vom Bundeskabinett dem Bundestag vorgelegt. Wir werden demnächst ausführlicher berichten.

Teslas Einweihungsparty

Vor den Toren Berlins in Grünheide hat am gestrigen Dienstag Elon Musks neue Tesla-Fabrik Eröffnung gefeiert. Allzu viele Journalisten wollte man allerdings nicht dabei haben. Auf Twitter berichtet [13] taz-Korrespondent Malte Kreutzfeldt, dass er "aus Platzgründen" keine Akkreditierung bekam.

Auch das ZDF wollte man offenbar nicht dabei haben [14]. Bundeskanzler Olaf Scholz scheint das nicht weiter verdrießt zu haben. Er ließ es sich nehmen, mit Musk zu feiern [15] und die Werbetrommel für Elektroautos zu rühren.

Klimaschützer sehen das durchaus kritisch (Gigafactory von Tesla: Produktionsstart mit Protesten [16]), nicht zuletzt wegen des hohen Ressourcenverbrauchs der Automobilproduktion. Daher hatten Mitglieder von Extinction Rebellion [17] und Sand im Getriebe [18] zeitweise die Zufahrten zum neuen Tesla-Gelände blockiert [19].

Die Tesla-Fabrik gefährde die Trinkwasserversorgung in Berlin und Brandenburg fördere auch andernorts die Zerstörung von Lebensgrundlagen. Die Produktion von Elektroautos habe die Nachfrage nach Mineralien wie Lithium oder Nickel erhöht.

Nickel werde beispielsweise vom Schweizer Bergbauunternehmen Solway im guatemaltekischen El Estor unter unwürdigen Arbeitsbedingungen abgebaut und verschmutze dort den Izabal-See, den größten See des Landes, heißt es in einer Telepolis vorliegenden Pressemitteilung der Gruppen.

Neben der Blockade hatte es auch eine Abseilaktion auf einer nahe gelegenen Autobahn, mit der diese zeitweise blockiert wurde. Außerdem gab es eine Demonstration, an der sich auch eine örtliche Bürgerinitiative [20] und Fridays for Future aus Berlin beteiligten. Unterstützung habe es auch von verschiedenen Indigenen-Organisationen aus den von Bergbau in Lateinamerika heimgesuchten Regionen gegeben.

Statt Elektroautos forderten die Aktivistinnen und Aktivisten einen Ausbau des Öffentlichen Personen Nahverkehrs, "insbesondere auf dem Land sowie einen "Umbau der Automobilindustrie gemeinsam mit den Beschäftigten".

Die Tesla-Fabrik ist im Berliner Umland wegen ihres hohen Wasserverbrauchs höchst umstritten – Telepolis berichtete [21]. Geplant ist ein jährlicher Verbrauch von bis zu 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser, während der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner über eine Rationierung für die Bürgerinnen und Bürger nachdenkt [22].

Wasserversorgung

Der gestrige Dienstag war übrigens auch Weltwassertag, [23] mit dem an die in vielen Regionen des Planeten prekäre Wasserversorgung erinnert werden sollte. Problematisch ist diese auch im östlichen Brandenburg, wo Tesla nun die Produktion aufnimmt.

Seit Wochen hat es dort schon nicht mehr geregnet, und entsprechend gilt in der ganzen Region bereits die zweithöchste Stufe des Waldbrandgefahrenindexes [24].

Bereits vorletzte Woche hat das internationale Fachblatt Nature eine Prognose [25] über das am Ende des Jahrhunderts in Deutschland verfügbare Grundwasser veröffentlicht. Demnach muss vor allem der Norden und der Osten mit einem Absinken des Grundwasserspiegels rechnen, wenn die Klimaveränderungen nicht entscheidend begrenzt werden.

Das sind schlechte Nachrichten nicht nur für die Trinkwasserversorgung, sondern auch für die Wälder und für die Landwirte und damit auch für unsere Ernährung. Immerhin kann Grundwasser mit dem entsprechenden Management auch künstlich angereichert werden, solange in den Flüssen noch genug Wasser ist.

Im hessischen Ried geschieht dies [26] bereits seit über 30 Jahren. Doch natürlich wird dies kaum flächendeckend möglich sein.

Lithium aus Meerwasser?

Und zum Schluss vielleicht noch ein Hinweis, der dankenswerterweise von einem Leser kam. Wir hatten an dieser Stelle in der Wochenschau letzte Woche von einem geplanten Werk für Lithium-Ionen-Akkus an der schleswig-holsteinischen Westküste berichtet [27]. Zugleich hatten wir angemerkt, dass die Lithiumgewinnung bisher alles andere als nachhaltig ist, obwohl das planende Unternehmen eben dies indirekt behauptet.

Nun weist ein Leser zu Recht darauf hin, dass Lithium in gigantischer Menge im Wasser der Ozeane gelöst ist, und dass es – anders als bisher gedacht – eventuell einen Weg gibt, dieses schier grenzenlose Reservoir anzuzapfen.

Das Problem besteht in der sehr niedrigen Konzentration des Lithiums im Wasser, die eine Gewinnung unwirtschaftlich macht. Zu hoch wäre der energetische und damit ökonomische Aufwand, die benötigten großen Wassermengen durch Filteranlagen zu pumpen.

Nun haben aber Forscher in Saudi-Arabien eine neuartige Membran vorgestellt [28], die erheblich effizienter arbeiten könnte. Das vorgeschlagene Verfahren setzt zugleich Wasserstoff und Chlorgas – letzteres nicht unproblematisch – frei, die ökonomisch verwertet werden könnten. Außerdem könne das verbleibende Wasser einer Entsalzungsanlage zugeführt und dort zum Teil in Süßwasser verwandelt werden.

Hört sich ein bisschen nach einer Eier legenden Wollmilchsau an. Zu schön, um wahr zu sein?


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-6610733

Links in diesem Artikel:
[1] https://twitter.com/WMO/status/1505943597388025857?s=20&t=bVeE4TYe49PCW3y3Ilmp9w
[2] https://www.heise.de/tp/features/Wie-Russland-Sanktionen-die-Klimaforschung-erschweren-6605331.html
[3] https://seaice.uni-bremen.de/data/amsr2/today/Arctic_AMSR2_visual.png
[4] https://www.deutsche-rohstoffagentur.de/DE/Themen/Min_rohstoffe/Downloads/rohsit-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[5] https://www.vci.de/presse/pressemitteilungen/chemieanlagen-lassen-sich-nicht-beliebig-aus-und-anschalten-auswirkungen-eines-kurzfristigen-importstops-fuer-oel-und-gas.jsp
[6] https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/neue-bdew-analyse-wie-viel-erdgas-aus-russland-kann-kurzfristig-ersetzt-werden/
[7] https://asiatimes.com/2021/12/uncovered-documents-expose-qatari-terrorism-financing/
[8] https://www.jpost.com/middle-east/qatar-sent-hundreds-of-millions-of-dollars-to-terrorist-group-report-670212
[9] https://atalayar.com/en/content/qatar-reinforces-its-position-houthi-side-yemen-war
[10] https://www.aljazeera.com/news/2021/11/23/un-yemen-recovery-possible-in-one-generation-if-war-stops-now
[11] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/referentenentwurf-erneuerbaren-energien-und-weiteren-massnahmen-im-stromsektor.pdf?__blob=publicationFile&v=6
[12] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/E/entwurf-eines-gesetzes-zur-aenderung-des-windenergie-auf-see-gesetzes.pdf?__blob=publicationFile&v=6
[13] https://twitter.com/MKreutzfeldt/status/1506232437256433666?s=20&t=bVeE4TYe49PCW3y3Ilmp9w
[14] https://twitter.com/ZappMM/status/1506330459785113609?s=20&t=bVeE4TYe49PCW3y3Ilmp9w
[15] https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1506278919552618502?s=20&t=bVeE4TYe49PCW3y3Ilmp9w
[16] https://www.heise.de/tp/features/Gigafactory-von-Tesla-Produktionsstart-mit-Protesten-6608457.html
[17] https://extinctionrebellion.de/
[18] https://sand-im-getriebe.mobi/
[19] https://twitter.com/BerlinSig/status/1506246165628661762?s=20&t=zUolNDJBcrb2y9mtdIteyQ
[20] https://www.bi-gruenheide.de/
[21] https://www.heise.de/tp/features/Wenn-Tesla-auf-dem-Trockenen-sitzt-6540705.html
[22] https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/wirtschaft/tesla/2021/12/brandenburg-wasserverband-rationierung-gruenheide-tesla-knappheit.html
[23] https://www.worldwaterday.org/
[24] https://www.dwd.de/DE/leistungen/waldbrandgef/waldbrandgef.html;jsessionid=F86A932314A726AE10777736BA2975EA.live21074?nn=510076
[25] https://www.nature.com/articles/s41467-022-28770-2
[26] https://rp-darmstadt.hessen.de/umwelt/gewaesser-und-bodenschutz/grundwasserwasserversorgung/hessisches-ried
[27] https://www.heise.de/tp/features/Rabatt-fuer-die-Wohlhabenden-6550634.html
[28] https://www.electrive.net/2021/06/08/forscher-zeigen-methode-zur-lithium-gewinnung-aus-meerwasser/