Hacken für das Vaterland

Pentagon baut Hacker-Koordinationsstelle auf und entwirft umfassende Cyberwar-Strategie.

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In einer Pentagon-Pressekonferenz am Mittwoch dem 05.01.2000 kündigte General Richard Myers an, dass die US-Streitkräfte eine Forschungsstelle für Computernetzwerk-Angriffe aufbauen wollen. Cyberwar wird damit zum offiziellen Bestandteil US-amerikanischer Kriegstaktiken. Das Hacker-Team soll bis zum 1.Oktober dieses Jahres stehen, zugleich soll untersucht werden, welche rechtlichen, politischen und taktischen Implikationen das mit sich bringen wird.

"Wenn man die Luftabwehrkapazität eines Gegners durch die Manipulation von Einsen und Nullen verringern kann, so ist das eine sehr elegante Alternative im Vergleich dazu, 1000-Kilobomben abzuwerfen", sagte Myers. Cyberwar werde "zu einem weiterem Pfeil im Köcher" des US-Waffenarsenals, neben Bomben, Cruise Missiles und Angriffshubschraubern.

General Richard Myers hat es auf 4000 Stunden Flugzeit in US-Kampfflugzeugen gebracht, war aber noch nicht im Weltraum, wie er bei der Pressekonferenz freimütig zugab.

Das Department of Defense (DoD) wird damit zum Mitwerber um rare menschliche Ressourcen im High-Tech-Computer-Sektor. "Es ist weder die Hardware, noch die Software", sagte General Myers, "im Endeffekt geht es immer um kompetente Leute". Die Armee versucht nun die besten und intelligentesten Leute an sich zu binden. Der General ist zuversichtlich:

"Ich denke, wir sind dazu in der Lage, denn wir werden mit Leading-edge-Technology arbeiten, wir werden ihnen die richtigen Werkzeuge geben und sie können etwas für ihr Land tun".

Das US-Militär muss nun eine formale Cyberwar-Doktrin ausarbeiten. Diese wird auf bereits existierenden, verdeckten militärischen und nachrichtendienstlichen Kapazitäten aufbauen, die zuvor in sogenannten "schwarzen" Programmen aufgebaut wurden. Derzeit hat jede Abteilung ihre eigenen geheimen Cyberwar-Abteilungen, die auf einer Fall-zu-Fall Basis arbeiteten. Myers zitierte den Kosovo-Konflikt, in dessen Verlauf die USA elektronische Angriffe auf serbische Netzwerke unternommen hatten. "Während Kosovo arbeiteten wir uns durch einige rechtliche und politische Fragenkomplexe, was uns in der Zukunft hoffentlich helfen wird", sagte Myers. Doch sei Kosovo kein gutes Beispiel, da sich Serbien nur zu einem geringen Teil auf informationstechnische Netzwerke verließ.

Laut Myers könnten Länder, die den USA in konventioneller Militärmacht weit unterlegen sind, versucht sein, Cyberattacken zu eröffnen. Merkwürdigerweise sind es aber die USA, die das Thema Cyberwar seit den frühen neunziger Jahren geheim und öffentlich betrieben haben, während Länder wie Russland und China mahnen, keine neuen Fronten des Cyberwettrüstens zu eröffnen.

Auch in den USA warnen Kritiker davor, dass mit der Integration des Cyberwar in die offizielle Doktrin der Kriegsführung eine Büchse der Pandora geöffnet wird. Denn gerade die US-Systeme verlassen sich am stärksten auf Informationstechnologien und sind damit auch am anfälligsten für Cyberattacken. Das Thema wirft eine Reihe schwerwiegender politischer Fragen auf, nicht zuletzt, da sich potentiell die Grenzen zwischen militärischen und politischen Zielen verwischen. Das gibt auch Myers zu:

"Ich denke, das ist ein Thema sowohl für die Rechtsberater als auch für die Kampfeinheiten. Wir haben bisher noch nicht viel Zeit für diese Fragen aufgewendet, genau das müssen wir aber nun anpacken".

General Richard B. Myers ist Commander-in-Chief des U.S.Space Command, einer in Colorado Springs ansässigen, bisher wenig bekannten Abteilung. Das U.S. Space Command ist verantwortlich für die Koordination aller militärischen Weltraumoperationen, für Raketenwarnung, Kommunikation, Navigation, Wetter- und Überwachungsdienste des DoD und ziviler und kommerzieller Satellitensysteme, um globale Operationen zu unterstützen. Am 1.Oktober 1999 wurde dem U.S.Space Command die Verantwortung für die Verteidigung aller Computeranlagen übertragen, die dem DoD unterstehen. Bis zum nächsten 1.Oktober soll in Peterson Air Field, dem Hauptsitz des U.S.Space Command, ein Forschungsteam für "Computernetz-Angriffe" aufgebaut werden. Dessen erste Aufgabe wird sein, die in verschiedenen Abteilungen entwickelten Cyberwaffen zu einem Toolkit zusammenzufassen. Doch wird die neue Abteilung in den Bunkern von Cheyenne Mountain keine Cyberkriegs-Einheit sein. Sie wird vielmehr testen und erforschen, wie andere operationale Einheiten der US-Armee ihre Systeme vor Angriffen schützen und wie sie informationstechnische Mittel für eigene Angriffe nützen können. Diese koordinierende Rolle im Hintergrund ist analog zu der Rolle, welche das U.S.Space Command auch in Fragen der Kriegsführung vom Weltraum aus einnimmt.

Bei einer Konferenz zum Thema Infowar sagte General Myers, dass die Übertragung der Verantwortung für die Computersicherheit der Systeme des DoD an das U.S.Space Command ein logischer Schritt sei:

"Das U.S.Space Command verfügt über den vereinigten, globalen und operationalen Fokus, der für die Verteidigung der Computernetze erforderlich ist. Diese neue Aufgabe baut auf der Ähnlichkeit zwischen Weltraum-Missionen und Informations-Operationen auf".

Die Doktrin des U.S.Space Command, im Netz wohldokumentiert mit Broschüren mit Namen wie "Long Range Plan" und "Vision 2020", liest sich wie eine Fortsetzung von Kalter-Kriegs-Science-Fiction im Stile von Robert A.Heinleins "Sternenkriegern" (siehe Homepage des U.S.Space.Command, sowie Telepolis-Artikel Gegen die Militarisierung des Weltraums). Die Aufwertung der Bedeutung des U.S.Space Command wird auch dadurch unterstrichen, dass General Myers mit erstem März dieses Jahres zum Second-Chief-of-Staff der gesamten US-Streitkräfte ernannt wird.