Hacker, einsame Helden und Terroristenfallen

Über die krause Spiegel-Story "US-Hacker kapert al-Qaida-Webseite"

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Dramatisch beginnt ein mehr oder weniger von Wired abgeschriebener Artikel im Spiegel: "Der Mann ist Amerikaner. Der Mann ist Hacker - und zurzeit ist er so etwas wie ein Kriegsheld. Doch anders als US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und seine rauen Jungs, die in Afghanistan die Waffen klirren lassen, führte Jon Messner den Angriff von seinem Schreibtisch aus. Sein Ziel: alneda.com, der Internet-Treffpunkt von Osama Bin Ladens Terrorkämpfern." Man muss nicht jede reißerisch und nicht recherchierte Story kritisieren, doch diese vom Hackerhelden ist vielleicht doch nicht ganz so uninteressant für die Berichterstattung über das Internet.

Der Mann, Jon Messner alias Jon David, ist eine Art Pionier, nämlich im Porno-Geschäft. Als Hacker ist er bislang allerdings kaum aufgetreten, auch wenn er Erfolg mit seiner "Hausfrauen"-Website und anderen Dingen auf seinen nassen Domains thewetlands.com and thewetlandsinc.com hat. CNN erklärte er: " "I created the amateur housewife-next-door genre. I bought a digital camera and convinced my wife to get naked for the Internet."

Diese Verbindung von Patriotismus, Internet und Porno scheint für die amerikanischen Medien im Vordergrund gestanden zu haben, beim Spiegel scheint man, um das Heldenhaft des Hackers besser herauszustreichen, diesen Aspekt lieber beiseite gelassen zu haben - wahrscheinlich aber auch nur, weil das im Wired-Artikel. nicht erwähnt war, während man dies ansonsten überall hätte lesen können, beispielsweise unter dem Titel: Pornographer says he hacked al Qaeda.

Gehackt hat der Porno-Unternehmer und selbsternannte Terroristenjäger allerdings nicht sehr viel. Schon bevor er die angebliche al-Qaida-Website www.alneda.com/ nach deren Schließung registrieren konnte, hatte er mehrere andere Domains wie www.nukeafghanistan.com, www.al-neda.com www.anthraxdisease.com, www.al-qaeda.com registrieren lassen, die alle zur Website www.itshappening.com führten. Die wiederum war anfangs verbunden mit Bannerwerbung und neuerdings mit einer Popup-Seite, auf der natürlich auch für Porno geworben wird. Ein ziemlich durchsichtiger Versuch also des Terroristenjägers, über die Domainnamen und Suchbegriffe, die etwas mit dem 11.9. zu tun haben, Besucher anzulocken. Neben ein paar diesbezüglichen Nachrichten gab und gibt es hier lediglich ein paar ziemlich unbedeutsame Foren.

Messner hatte sich im Juli dann an John Young gewandt, der die Website Cryptome:.cryptome.org betreibt und eine Kopie der im Juni geschlossenen alneda.com mit 70 MB erhalten hatte. Porno-Messer schrieb an Young, dass er mit der "Unterstützung der Bundesbehörden" die Website al-neda.com eröffnet habe, um al-Qaida-Anhänger zu täuschen, die meinen, sie hätten hier die wirkliche alneda.com-Site vor sich. Offenbar hatte sich da Messner schon mit falschen Federn geschmückt, aber auch das Porno-Geschäft besteht ja auch viel aus der Erzeugung von Illusion. Ob nun mit oder ohne FBI, itshappening.com hätte wohl nur die dümmsten al-Qaida-Leute in Zweifel geraten lassen. Um eine bessere Falle aufzustellen. bat der vom Spiegel als US-Hacker bezeichnete, der "die Website der Terrororganisation al-Qaida geentert" hat, ihm doch die gesamte Kopie zuzusenden. Er fragte überdies, ob nicht Young ihm die neueste Mirror-Site von alneda.com nennen könne.

"In der Sekunde, als die Malaysier die Domain aus dem Register nahmen, klinkte er sich unter seinem Decknamen Snapback ein. Messner war damit im Besitz der Seite - und machte sich sofort daran, die Falle für die al-Qaida-Terroristen zu bauen. Er ließ eine Kopie der Original-Webseite unter einer neuen Domain registrieren und installierte ein unauffälliges Spionageprogramm. Jetzt konnte Messner den gesamten Datenverkehr der Terroristen sogar weit über alneda.com hinaus abhören."

Nachdem also die Registrierung des Domainnamens rückgängig gemacht wurden, ließ Messner diesen am 16. Juli auf sich bzw. auf thewetlandsinc.com eintragen. Die gezippten Files, die Messner von Young erhalten hat, wurden von diesem also wieder auf die Website gestellt: "IF you GO www.alneda.com and look at the code you will also see that it is the VERY version I got from YOU excepting for the trackers which I added", schrieb er am 23. Juli an Young. Wie man den Datenverkehr mit einem CGI-Script, also dem "unauffälligen Spionageprogramm", "weit über alneda.com abhören" kann, bleibt sicherlich ein Geheimnis des Spiegels. Damit lässt sich die IP-Adresse des Besuchers festellen, also meist auch, woher dieser kommt. Also konnte der patriotische Porno-Hacker durchaus feststellen, dass manche Besucher aus arabischen Ländern, angeblich vor allem aus Saudi-Arabien stammten. Das riecht bereits nach Terroristen.

Jetzt wollte Messner aber doch ganz groß herauskommen und wandte sich an das FBI, um die Terroristenfalle besser aufzustellen. Er selbst kann nicht arabisch, konnte sich die arabischen Einträge nur mit einer Übersetzungsmaschine zu Gemüte führen. Doch beim FBI war man von diesem Hobby-Detektiv offenbar nicht ganz überzeugt. Zumindest war man dort zu langsam, denn nach 5 Tagen hatte man bereits entdeckt, wie in einem Forum von www.jihadunspun.net am 20. Juli auf englisch mitgeteilt wurde, dass alneda.com nun einen anderen Besitzer hatte und womöglich von US-Behörden kontrolliert werde. Dass einige Links auf Porno-Seiten umgelenkt werden, hatte man dabei auch bemerkt.

Besonders erfolgreich also war der Hacker-Porno-Terroristenjäger nicht. Das hindert freilich den Spiegel nicht, die Heldenstory auch zu einem guten, fast schon Hollywood-reifen Ende zu führen:

"Einen letzten Triumph gönnte sich der Hacker aber dennoch. Wie ein Soldat, der seine Flagge an einem symbolträchtigen Ort weithin sichtbar hisst, um die Demütigung des geschlagenen Feindes besonders deutlich zu machen, setzt er kurzerhand das amerikanische Wappentier, den Weißkopfadler, auf die gehackte Web-Site: "Hacked, tracked and now owned by the USA", prangt in schwarzen Lettern darüber - damit auch jeder al-Qaida-Terrorist davon erfährt."

Ist Messner dem Spiegel der heroische Soldat, so CNN der Patriot, der trotz seines Gewerbes am 11.9. seine Berufung erfahren hat:

"The adversaries retaliated with digital attempts to crash his Web-based business, he said. But Messner didn't mind. September 11 changed him. His Porsche and its "WIVES" vanity plates memorializing his success in adult entertainment are, he believes, a testament that he and his family are living the American dream. And, in his own way, Messner said, he is fighting an American war."

Was Messner allerdings erreicht hat, ist mediale Aufmerksamkeit bis zur Verklärung. Und dass er nun nicht nur den amerikanischen Traum verkörpert, sondern auch mit seinen Websites, die direkt Porno anbieten oder indirekt Porno-Werbung enthalten, den amerikanischen Krieg gegen den Terror kämpft, stimmt immerhin versöhnlich. Denn das zeigt, dass nicht nur ein Tellerwäscher, sondern auch ein billiger Porno-Anbieter zum nationalen (und, siehe Spiegel, internationalen) Helden aufsteigen kann, auch wenn er den Platz hinter seiner Tastatur nicht verlässt, dafür aber ein Gespür dafür hat, womit sich Aufmerksamkeit erzielen lässt.