Haftar: Kein Interesse am Waffenstillstand in Libyen
Besuch des LNA-Kommandeurs bei Macron: "Die Zeit für eine politische Lösung ist noch nicht gekommen"
Khalifa Haftar sucht weiter die militärische Lösung in Libyen. Die Bedingungen für einen Waffenstillstand seien noch nicht gegeben, erklärte er bei einem Besuch am gestrigen Mittwoch in Paris bei Emmanuel Macron. Dem Bericht von Le Monde zufolge, hielt sich die Gegenwehr zur Position Haftars in Grenzen.
Das Misstrauen unter den Akteuren in Libyen sei zurzeit größer denn je, kommentieren Stimmen aus der Umgebung des französischen Präsidenten. Macron wollte den Kommandeur der LNA-Milizen laut Bericht dazu bringen, dass er sich mehr auf eine andere "Dynamik", nämlich die der politischen Gespräche, einlässt. Offenbar vergeblich.
Nationale Konsensregierung von Milizen "aufgefressen"
Haftar bekräftigte seine Positionen gegenüber Macron und dessen Außenminister Jean-Yves Le Drian: Die Nationale Konsensregierung (Government of National Accord - GNA) würde vollständig von Milizen "aufgefressen". Ausführlich habe der Feldmarschall, der Reste der früheren libyschen Armee aus Zeiten Gaddafis und verbündete Milizen befehligt, "monologartig" (Le Monde) dargelegt, dass es ihm darum gehe, gegen die "privaten Milizen und die radikalen Gruppen" zu kämpfen, deren Einfluss in der Hauptstadt Tripolis zunimmt.
Das sei das Ziel seiner Offensive auf Tripolis, die Anfang April begann, und seither in aufreibenden Kämpfen am südlichen Rand und in der Umgebung der Hauptstadt feststeckt (Hintergründe: Libyen: "Sintflut der Würde" gegen den "Vulkan des Zorns").
Auffällig, aber wenig überraschend ist, dass Khalifa Haftar die Milizen in Tripolis als Gegner herausstellt, während seine Kritik an der international anerkannten GNA-Regierung im Hintergrund bleibt. Deren Chef, Fayiz as-Sarradsch (auch: Fajes Serradsch oder Fayez al-Sarraj) war vor einer Woche zu Gast im Elysée-Palast. Er drängte auf eine Waffenstillstandslinie unter internationaler Aufsicht.
Macron: Hoffnung auf Punkte zur EU-Wahl
Macron, der sich in Libyen sehr zum Missfallen der italienischen Regierung stark einmischt, hätte so kurz vor der EU-Wahl gerne Punkte mit einem außenpolitischen Erfolg gesammelt. Hätte sich Haftar in Paris zu Verhandlungen für einen Waffenstillstand und weiteren Gesprächen über eine politische Lösung bereit erklärt, so wäre etwas Glanz auf den innenpolitisch starker Kritik ausgesetzten Macron gefallen.
International wäre es gut angekommen, wenn er sich als Initiator einer Waffenstillstandsvereinbarung und neueren Friedensgesprächen im Schlamasselland Libyen präsentieren hätte können. Die EU-Wahl hat für Macron großes Gewicht. Geht es nach dem Tenor französischer Medien, so bekommt sie schon fast den Rang eines Referendums, das zeigen wird, wie die französischen Wähler zu ihm stehen.
Paris setzt auf Haftar
Doch hat das "Problem Libyen" und Frankreichs Interesse, sich als wichtige Einflussmacht nicht nur in Libyen, sondern in der Region zu positionieren, über die EU-Parlamentswahl hinaus langfristige Bedeutung, so wurde offensichtlich, dass Macron Haftar nicht zu sehr bedrängen wollte. Weder der Präsident noch sein Außenminister boten dessen Erklärung, dass er grundsätzlich von der Notwendigkeit politischer Gespräche überzeugt sei, aber erst wenn die Zeit dafür gekommen sei und die Bedingungen stimmen, ein überzeugendes, deutliches Kontra.
Paris setzt weiter auf Haftar und achtet dabei darauf, dass die GNA-Regierung zumindest in offiziellen Gesten und Verlautbarungen auch eingeschlossen wird und beide diplomatischen Kanäle offen bleiben. Russland verfährt hier prinzipiell ganz ähnlich, aber um einiges diskreter. Zu erkennen ist die Positionierung der französischen Regierung schon daran, dass aus Paris auch diesmal keine Verurteilung von Haftars militärischer Offensive erfolgte, auch wenn man diplomatisch betont, wie wichtig eine "politische Lösung" sei.
Waffenlieferungen nach Libyen
Für Haftar hätte selbst ein Waffenstillstand Vorteile, wie seine Kritiker vorbringen. Seine Truppen behalten ihre Positionen und die internationale Unterstützung. Laut Informationen von Le Monde zählt die WHO seit Beginn der Offensive Haftars auf Tripolis am 4. April 510 Todesopfer und 2.467 Verletzte infolge der Kämpfe.
Schon seit Ausbruch der Kämpfe wird darüber spekuliert, dass sich auswärtige Staaten, die in Libyen ihre Interessen verfolgen, mit Waffenlieferungen über das UN-Embargo hinwegsetzen würden und ihre jeweiligen "Proxies" weiter aufrüsten, was die Kämpfe weiter ausarten lassen würde. Bilder von gepanzerten Fahrzeugen, die aus der Türkei stammen sollen und kürzlich per Schiff nach Libyen gebracht wurden, stützen diese Befürchtung ebenso wie Bilder von gepanzerten Fahrzeugen, als deren Herkunftsland Jordanien angegeben wird - für die LNA.
Die Türkei unterstützt Gruppen, die mit den Muslimbrüdern in Verbindung stehen, also die Gegenseite zu Haftar - wobei hier anzumerken ist, dass die Allianzen opportunistisch gebildet werden, was gerade bei Waffenlieferung nach Libyen ein beunruhigender Punkt ist.
Als Staaten mit bedeutendem Interesse und Einfluss auf die Verhältnisse in Libyen werden - neben den großen Playern USA (Trump unterstützt Feldmarschall Haftar) und Russland - Frankreich und Italien, vornehmlich die Vereinigten Arabische Emirate und Ägypten genannt. Die beiden letzteren unterstützen ebenfalls Khalifa Haftar.
Von den Emiraten heißt es, dass sie unbemerkt von der größeren Öffentlichkeit Saudi-Arabien Konkurrenz als Regionalmacht machen und in Libyen "viele Fäden" ziehen. Ägypten halte sich dagegen zurück, weil die Regierung in Kairo keinen Konflikt mit Algerien riskieren wolle, wo man Verbindungen zur Gegenseite habe. Allerdings dürfte die Aufmerksamkeit der Armeeführung in Algerien ziemlich von den Protesten in Beschlag genommen sein.
Zuletzt wandten sich die nach wie vor von Menschenmassen getragenen Freitagsproteste (die es seit dem 22. Februar gibt) immer expliziter gegen den Armeechef General Gaïd Salah, der versucht die Kontrolle über die politischen Abläufe in dem nordafrikanischen Land zu behalten. Die Demonstranten plädieren dagegen für ein neues, demokratischeres System.