Hambacher Forst: Die neue Kohlebewegung
Die Energie- und Klimawochenschau: Proteste, Kohleausstieg, Nachrüstung für Diesel-PKW, Smog und Feinstaub
Im rheinischen Braunkohlerevier, westlich von Köln, geht die Auseinandersetzung um den Hambacher Forst weiter. Der Energiekonzern will dort schon in den nächsten Wochen mit dem Roden beginnen, um seinen Tagebau Hambach auszuweiten. Allerdings wurde auch im September schon mancher Baum gefällt, in einer Zeit, in der dies explizit verboten war. Vorwand war die Räumung des Waldes, für die wiederum nach sechs Jahren Besetzung sehr unvermittelt - und als politisches Manöver mehr als durchsichtig - der Brandschutz zur Begründung herangezogen wurde.
Am vergangenen Wochenende wuchs sich, wie berichtet, der regelmäßig stattfindende von einem Förster angeleitete Waldspaziergang zu einer der bisher größten Demonstration gegen den Braunkohletagebau aus. Die Aachener Zeitung zitiert Polizeiangaben, die von 10.000 Teilnehmern sprechen.
Großdemonstration am Wochenende
Am kommenden Samstag könnten es noch mehr werden. Seit vielen Wochen mobilisieren Umweltverbände wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) im ganzen Land für eine bundesweite Demonstration an dem umkämpften Waldstück. Die Veranstalter erwarten mindestens 20.000 Teilnehmer. Selbst im entfernten Berlin wird an mancher Plakatwand und an manchem Stromkasten auf Plakaten für die Demonstration im Rheinland geworben.
Der Energiekonzern provoziere und lege mit der geplanten Rodung die Axt an die Kohlekommission an, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf der Organisatoren. Diese solle über einen Kohleausstieg und kluge Konzepte beraten, wie dieser sozial abgefedert werden könne.
Die Planungen von RWE sind völlig inakzeptabel. Sie zerstören eine ökologisch wertvolle Landschaft - und heizen den Klimawandel weiter an. Dabei haben der Hitzesommer, Dürren und Starkregen gerade gezeigt: Nur wenn wir jetzt schnell handeln, lässt sich eine weltweite Klimakatastrophe noch aufhalten. Und das heißt in Deutschland zuallererst: die dreckigsten Kohlemeiler jetzt abschalten und bis 2030 schrittweise aus der Verbrennung der Kohle aussteigen. Und die Erneuerbaren Energien konsequent weiter ausbauen.
Aus dem Aufruf für die Demonstration am Samstag
Einige der Veranstalter sind in der Kohlekommission vertreten, wo sie allerdings neben Gewerkschafts- und Konzernvertretern eher eine Minderheitsposition inne haben. Man darf gespannt sein, ob RWE die Auseinandersetzung am Hambacher Forst soweit zuspitzt, dass die Umweltschützer und Anwohnervertreter aus der Kommission austreten, womit diese zur Farce verkäme.
Jedenfalls hat der Konzern es schon jetzt geschafft, dass Thema Kohleausstieg in das Zentrum der öffentlichen Debatte zu drängen und eine bundesweite Bewegung anzustoßen, die alte Umwelt- und Klimaschützer mit einer neuen, jungen Generation von Aktivisten zusammen bringt. Knapp 800.000 Menschen haben bereits eine Online-Petition unterschrieben, die Landes- und Bundesregierung auffordert RWE von der Rodung abzuhalten, solange in der Kohlekommission verhandelt wird.
Weitere Proteste Ende Oktober
Aber mancher mag es nicht beim Appellieren belassen. Für den Ende des Monats plant die Kampagne Ende Gelände Aktionen des zivilen Ungehorsams im rheinischen Braunkohlerevier, zu denen mit einem Sonderzug angereist wird. Letzte Woche gab es bereits einen kleinen Vorgeschmack: Mehrere Aktivisten hatten sich in Betonblöcken unter der Kohlebahn angekettet, die den Brennstoff aus dem Tagebau Hambach zu den nahegelegenen Kraftwerken bringt.
Die Aachener Zeitung hatte darüber einen kleinen Bericht veröffentlicht, der mit einer Luftaufnahme des Tagebaus bebildert war. Auf dieser ist ganz gut zu sehen, dass es noch reichlich Gelände vor dem Wald gibt, das zunächst abgebaggert werden könnte.
Verschiedene im Auftrag von Greenpeace und anderen erstellte Studien hatten in den letzten Wochen in Frage gestellt, ob tatsächlich bereits die Voraussetzungen der Rodungsgenehmigung erfüllt sind. Darin heißt es nämlich, dass die Eingriffe in das Ökosystem dahingehend minimiert werden müssen, dass in Herbst und Winter immer nur so viel Wald abgeholzt wird, wie der Tagebau in der nächsten Saison vorrücken muss.
Wir haben bereits mehrfach darüber berichtet, dass die Auseinandersetzung um den Hambacher Forst und die Zukunft die Braunkohle zu einem regelrechten Boom beim Anbieterwechsel führt. Einige Tausend Menschen haben die Nachrichten von der Räumung und von der Sturheit des Braunkohle verliebten Energiekonzerns bereits dazu angeregt, sich einen neuen Stromlieferanten zu suchen.
Ich hatte in einem vorherigen Beitrag dazu angemerkt, dass der Einfluss der Privatkunden begrenzt sei, weil sie nur rund ein Viertel der elektrischen Energie abnehmen. Ein Leser wies mich jedoch zurecht darauf hin, dass ich damit einem Denkfehler begangen habe. Die Privatkunden zahlen nämlich einen deutlich höheren Preis für den Strom als industrielle Großabnehmer. Entsprechend ist mit ihnen auch ein besseres Geschäft zu machen.
Nach Angaben des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) bezahlte 2016 ein industrieller Abnehmer (sofern er nicht von der EEG-Abgabe und Netzentgelten befreit war) 15,4 Cent pro Kilowattstunde, inclusive aller Abgaben und der Strom- aber ohne Mehrwertsteuer. Ein Privathaushalt hingegen 24,50 Cent pro Kilowattstunde und oben drauf noch einmal 4,66 Cent Mehrwertsteuer pro verbrauchter Kilowattstunde (siehe die beiden Grafiken).
Wenn man also schon so viel für den Strom zahlen und damit die Industrie indirekt subventionieren muss, dann sollte es vielleicht zumindest kein Kohlestrom sein. Daher lohnt sich ein Blick in die Stromrechnung oder auf die Internetseite des Versorgers, um sich die genaue Zusammensetzung des bezogenen Stroms anzusehen und dann gegebenen Falls daraus Konsequenzen zu ziehen. Doch zu welchem Ökostromanbieter wechselt man am besten? Die Plattform Utopia hat eine hilfreiche Bestenliste der grünen Versorger aufgestellt und macht auch die Kriterien transparent, die dem Ranking zu Grunde liegen.
Nachrüstung für Diesel-PKW
Es hat ziemlich gedauert. Nun hat sich die Berliner Koalition endlich, wie die Welt berichtet, darauf geeinigt, dass die Hersteller alle Dieselfahrzeuge mit der entsprechenden Hardware nachrüsten, die die Stickoxidemissionen unter den gesetzlichen Grenzwert drücken. Diese hatten sich bis zuletzt gesperrt und lediglich Umtauschprämien angeboten.
Scharfe Kritik kam jedoch von der thüringischen Umweltministerin Anja Siegesmund (Bündnis90/Die Grünen). Nach einem Bericht des Senders MDR gebe es bisher sowohl die versprochenen Prämien als auch die Umrüstung nur in Städten, in denen die gesetzlichen Grenzwerte überschritten werden. Die Besitzer von Dieselfahrzeugen in ihrem Bundesland gingen daher leer aus. "Sie blieben auf ihren schmutzigen und damit entwerteten Autos sitzen. Die große Koalition in Berlin habe die Chance vertan, aus der Dieselkrise einen Neustart für eine echte Verkehrswende zu machen", gibt der Sender eine Stellungnahme der Ministerin wieder.
Chinas Smogproblem
Auch anderswo ist Luftverschmutzung ein großes Thema. In der Volksrepublik China sterben im Durchschnitt jährlich über eine Million Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung durch Feinstäube (Partikelgröße unter 2,5 Mikrometer, PM2,5) und durch bodennahes Ozon. Das ist das Ergebnis einer an der Universität von Hongkong erstellten Studie, die die Zahl auf 1,1 Millionen schätzt und über die die in der autonomen Stadt erscheinende South China Morning Post berichtet.
Zugleich seien die beiden Schadstoffe für den jährlichen Verlust von 20 Millionen Tonnen Reis, Mais, Weizen und Sojabohnen verantwortlich. Die Autoren gehen von einem Schaden von 267 Milliarden Yuan (33,7 Milliarden Euro) per annum aus. Darin sind neben den Erntekosten auch die Krankheitskosten der durch die Luftverschmutzung Geschädigten und deren Arbeitsausfall enthalten.
Ozon entsteht bei Sonnenlicht aus Stickstoffoxiden und flüchtigen organischen Verbindungen (volatil organic compounts, VOC). Nach Angaben der Umweltbundesamtes (UBA) stammen hierzulande etwa die Hälfte der Stickstoffoxide aus dem Verkehrsbereich, und zwar hauptsächlich aus dem Straßenverkehr. Der Rest wird von Kraftwerken, Heizungen und anderen Feuerungsanlagen in die Luft entlassen. Die VOC werden etwa zur Hälfte von Lösemitteln freigesetzt. Außerdem entstehen sie bei der Verbrennung von Kraftstoffen im Verkehrsbereich. Darüber hinaus sind Ausdünstungen von Laub- und Nadelbäumen natürliche VOC-Quellen.
Im Vergleich mit anderen Studien liegen die Schätzungen sogar eher niedrig. Im April schrieb die Nachrichtenagentur Reuters zum Beispiel von jährlich 1,6 Millionen vorzeitigen Todesfällen, eine US-amerikanische Studie zitierend.
Diese hatte sich zudem mit den Langzeitfolgen und der künftigen Entwicklung beschäftigt. Auch bei der bereits eingetretenen und der weiter absehbaren Verbesserung der Luftqualität werden demnach die Todeszahlen eher noch zunehmen. Das hat vor allem mit dem Altern der chinesischen Bevölkerung zu tun. Alte Menschen sind stärker durch Feinstaub und Ozon gefährdet, das heißt, ihnen machen auch niedrigere Verschmutzungsniveaus schon zu schaffen.
Feinstaub: Situation besser, aber noch nicht gut
Hierzulande ist die Feinstaub- und Stickoxidbelastung vor allem Dank des Dieselbetrugs vieler Automobilhersteller zuletzt wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. An der Küste gibt es zudem in den Hafenstädten auch eine öffentliche Debatte über die Emissionen der großen Fähren und Kreuzfahrer. Diese liegen mit laufendem Motor am Kai, weil sie ihren eigenen Strom produzieren, statt ihn - wie von Umweltschützern seit langem gefordert - von Land zu beziehen. Das Problem dabei: Die Schiffe verbrennen Schweröl, das wegen seines hohen Schwefelgehalts eigentlich als Sondermüll gelten sollte.
Was da an Schwefel, Ruß und Stickoxiden ausgestoßen wird, kann die Belastungen an den innerstädtischen Brennpunkten des Autoverkehrs erheblich übersteigen - auch auf See übrigens für die Passagiere an Deck.
Wie dem auch sei, so sind in den letzten Jahrzehnten aufgrund des beharrlichen Drucks von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen gesetzliche Grenzwerte eingeführt und schrittweise abgesenkt worden. Entsprechend haben die Feinstaubemissionen abgenommen.
Bei den besonders kleinen und daher besonders gefährlichen PM2,5-Partikeln scheinen die Grenzwerte derzeit eingehalten zu werden. Seit 2015 liegt dieser bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter, 2020 soll er auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel abgesenkt werden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schlägt jedoch zehn Mikrogramm vor.
Dieser WHO-Wert wird in Deutschland bisher nicht erreicht. Nach Angaben des Umweltbundesamtes lagen 2017 die Konzentrationen im Jahresdurchschnitt an den meisten Messstationen meist zwischen zehn und 20 Mikrogramm pro Kubikmeter. Ein schwacher Trost ist es da, dass in China der Durchschnitt noch bei 43 und in der Metropolregion um Beijing (Peking) und Tianjin bei 65 Mikrogramm pro Kubikmeter liegt.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.