Hamburg: Trauerfeier für einen verstorbenen IS-Kämpfer

Bei der geplanten inter-konfessionellen Trauerfeier stellt sich auch die Frage, wie wenig - oder wie stark - fundamentalistisch der geladene islamische Prediger ist

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Am 27. Mai 2016 soll in der St. Pauli Kirche im gleichnamigen Hamburger Stadtteil eine Trauerfeier für den im Mai 2015 in Syrien getöteten Florent Prince N. ausgerichtet werden. Geplant ist eine inter-konfessionelle Veranstaltung, bei der der evangelische Pastor Sieghard Wilm und der islamischen Geistliche Abu Ahmed Yacobi als Prediger angekündigt sind.

Florent Prince N. wurde in Cameroon geboren und wuchs in St. Pauli auf. Er wurde christlich getauft, und seine Mutter Florence, deren Wunsch diese Trauerfeier war, ist in der St.-Pauli-Kirchengemeinde aktiv. 2014 bekam Florent Prince N. Kontakt zur Salafisten-Szene, im März 2015 reiste er ins IS-Kalifat Raqqa, wo aus ihm "Bilal" wurde. Er gilt als geläutert, weil er kurz vor seinem Tod im Internet ein Video veröffentlichte, in dem er kritisch über die Situation in Raqqa äußerte.

Interkonfessionelle Trauerfeier für ein ehemaliges IS-Mitglied in der St. Pauli Kirche geplant. Bild: Dirtsc/CC-BY-SA-3.0

Die Botschaft sei eine Warnung an andere Jugendliche, um sie vor der Ausreise zu warnen, hieß es in vielen Medien. Der Hamburger Verfassungsschutz zieht in Betracht, dass ihm dieses Video zum Verhängnis und er deswegen umgebracht wurde. Eine ausdrückliche Warnung ist in dem Video indes nicht zu erkennen. Bilal gibt darin seine Enttäuschung über die Situation in Raqqa kund. So beschreibt er z.B., dass viele Versprechen nicht eingehalten wurden, selbst die Religionsausübung sei bisweilen schwierig, und junge Dschihad-Kämpfer würden ohne Ausbildung an die Front geschickt - mitunter sogar ohne begleitende Militär-Eineinheiten. Die nächste Enttäuschung wird ihn vermutlich nach seinem Tod ereilt haben - als er feststellen musste, dass das mit den 72 Jungfrauen im Paradies auch gelogen war.

Doch nicht nur die Tatsache, dass bei der Trauerfeier einem verstorbenen Dschihad-Kämpfer gedacht werden soll, ist fragwürdig, sondern auch die Person Abu Ahmed Yacobi. Dieser kam als Elhadi Elghariani in Libyen zur Welt, ging 1971 als 20-Jähriger nach Hamburg und engagierte sich auch im Exil politisch als Oppositioneller gegen den libyschen Staatspräsidenten Muammar al-Gaddafi. Dieses Engagement blieb nicht folgenlos: In den 1980er Jahren stand er auf Gaddafis Todesliste. Daraufhin hielt er es für ratsam, sich fürderhin in Sachen Libyen zurückzuhalten und sich in Hamburg der Religion zu widmen. Angeblich sieht er heute "seine größte Aufgabe darin, Teenager von Radikalen fernzuhalten".

Das klingt nach einem guten Plan. Allerdings sind Zweifel daran angebracht, die in der gesamten Vita Yacobis oder Elgharianis, wie er sich 2012, nun als Berater des libyschen Staatsoberhauptes, wieder nannte, Nahrung finden.

Wie fundamentalistisch ist der vorgesehene islamische Prediger?

Opposition zu Gaddafi - klingt rebellisch. Doch schon damals ging es um einen Konflikt, inwiefern und welche Rolle der Islam in Libyen spielen sollte. Anfang bis Mitte der 1970er Jahre beschnitt Gaddafi den Einfluss religiöser Institutionen. Die Opposition kämpfte ergo für eine Stärkung der Rolle des Islam, für die Einführung der Scharia beispielsweise. 2012 war Scheich Mustafa Muhammad Abd al-Dschalil Vorsitzender des Nationalen Übergangsrates. Laut Cicero war Yacobi Berater des Premierministers, zuständig für Soziales, Gesellschaft und Jugend. Über al-Dschalil wäre viel zu sagen. In dem Zusammenhang aber erscheint erwähnenswert, dass er gleich nach Amtsantritt verkündete, von nun an werde es in Libyen keine Gesetze geben, die nicht im Einklang mit dem Koran stünden.

Dschalil verkündet: "Männer, ihr könnt wieder vier Frauen heiraten! Denn so steht es im Koran, dem Buch Gottes. Ihr könnt beruhigt nach Hause gehen, denn ihr müsst nicht eure erste Frau um Erlaubnis fragen." Die libyschen Männer jubeln. Unter Gaddafi war es ihnen nicht erlaubt, mehr als eine Frau zu heiraten.

taz

Der Prediger hat nicht nur eine zweifelhafte politische Vergangenheit, sondern auch eine fragwürdige Gegenwart: Er ist zuständig für interreligiösen Dialog im Vorstand des Rates der islamischen Gemeinschaften in Hamburg e.V. (Schura).

Die Schura HH hat drei oberste Repräsentanten: einer ist direkt von den iranischen Mullahs ernannt, die nicht eben als Garanten für Frieden und Fortschritt gelten. Linken Iranern zufolge gilt die Moschee als direkt dem iranischen Geheimdienst unterstellt. Ein zweiter oberster Repräsentant, Mustafa Yoldaş, ist seinem eigenen Bekunden nach aktives Mitglied der IGMG oder auch Milli Görüş (Nationale Weltsicht).

Die Centrum Moschee, die Yoldaş in die Schura entsandte, wird als IGMG-Zentrale der Hansestadt bezeichnet. Dort wurden laut Verfassungsschutz und Hamburger Medien Kinder-DVDs mit antisemitischem Inhalt verkauft. Yoldaş fand das im Hamburger Abendblatt "nicht in Ordnung", hält es dem Springer-Blatt zufolge jedoch für wichtig, "bereits den Kindern zu zeigen, wie israelische Soldaten Zivilisten, Frauen und Kinder ermorden". Von den insgesamt 41 Schura-Mitgliedsorganisationen stünden "nur 9" der Milli Görüş nahe, so Yoldaş.

Zwei der der Schura angeschlossenen Moscheen werden vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sie im Verdacht stehen, dass dort Jugendliche für den Dschihad rekrutiert werden. Der NDR-Reporter Karaman Yavuz, der wiederholt darüber berichtete, wurde mehrfach körperlich angegriffen (Österreich will das Problem Islamismus bei den Wurzeln packen).

Zusammen gefasst ließe sich sagen, dass in einer christlichen Kirche mitten in einem traditionell linken Stadtteil eine Feier für einen Verstorbenen stattfinden soll, der sich der islam- fundamentalistischen Terrormiliz anschloss und dabei unter ungeklärten Umständen zu Tode kam. Eine Trauerfeier bei der u.a. ein muslimischer Geistlicher predigen wird, dessen Bestreben es offensichtlich sein ganzes Leben hindurch war, die Rolle des fundamentalistischen Islam in Libyen zu stärken. Das nennt sich dann interkultureller Dialog und soll dazu dienen, so zitiert das Abendblatt, "dass Christen und Muslime gemeinsam feiern, um deutlich zu machen, dass sie zu einem 'Gott des Friedens' beten".

Da kommen doch leise Zweifel auf, ob den Verantwortlichen in der Kirchengemeinde tatsächlich klar ist, wen sie da beten lassen wollen. Um es in den Worten Jesu zu sagen: "Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."