Handys erobern die Entwicklungsländer
Wo das Festnetz schlecht ausgebaut war, steigt man gleich auf drahtlos ein - neue Zahlungsmodelle machen es möglich
In Afrika nutzt heute auch die arme Bevölkerung Telefone – dank Mobilfunk und marktwirtschaftlicher Konkurrenz der Betreibergesellschaften. Uganda ist ein eindrucksvolles Beispiel für den raschen Fortschritt. Bis 1996 wurden Telefondienstleistungen vor allem über das Festnetz angeboten. Die Reichweite war begrenzt – nicht nur, aber vor allem, im ländlichen Raum. Telefone wurden hauptsächlich von reichen Städtern genutzt.
Es begann mit der Reform des Telekommunikationssektors im Jahre 1996: Das Monopol der „Uganda Posts and Telecommunications“ wurde aufgehoben, die Regierungsbehörde privatisiert und der Markt dem Wettbewerb geöffnet. Heute gibt es drei Anbieter – MTN, Celtel und UTL. Die Regierung besitzt einen Minderheitsanteil an UTL.
Der Mobilfunk macht heute 94 Prozent aller Telefonverbindungen aus. Laut researchICTAfrica.net (siehe auch den ITU-Bericht) verwenden 60 Prozent der ugandischen Stadtbevölkerung (1,2 Millionen Menschen) regelmäßig öffentliche und private Telefone – ebenso wie 25 Prozent der Landbevölkerung (2,9 Millionen). Somit nutzen 36 Prozent der erwachsenen Ugander Telefone. Das ist ein hoher Anteil, auch wenn die Quoten darauf hinweisen, dass die ärmsten Menschen wahrscheinlich immer noch nicht von Telefondiensten erreicht werden (siehe Making Service Markets Work for the Poor: The Experience of Uganda).
Angesichts des wachsenden Wettbewerbs suchen die Netzbetreiber zunehmend ihren Zukunftsmarkt „am Boden der Pyramide“ (siehe C. K. Prahalad: Fortune at the Bottom of the Pyramid: Eradicating Poverty Through Profits, 2004). Nur etwa drei Prozent der Ugander besitzen laut researchICTAAfrica.net ein eigenes Handy. Der Anteil liegt bei denen, die weniger als 55 Dollar im Monat verdienen, bei lediglich 0,9 Prozent. Dennoch nutzen selbst diejenigen, die von einem Dollar täglich leben müssen, Mobiltelefone.
Die Netzbetreiber stehen vor mehreren Herausforderungen, wenn sie den Markt der Geringverdiener entwickeln wollen. Zu den Problemen gehört auch die Infrastruktur. Die Netzabdeckung ist in vielen abgelegenen Gebieten lückenhaft. Außerdem haben viele Dörfer keinen Anschluss an das Stromnetz. Andere Hindernisse sind der Analphabetismus und die Kosten von Empfangsgeräten und Verbindungen.
Initiativen in Uganda
Die Anbieter gehen diese Probleme mit verschiedenen Mitteln an. MTN beispielsweise führte im Jahr 2003 das VillagePhone-Programm ein, das einem ähnlichen Programm der Grameen Bank in Bangladesh nachempfunden ist. VillagePhone wird in Kooperation mit Mikrofinanzinstitutionen angeboten, die ihre Kunden mit den nötigen Krediten ausstatten. Telefonunternehmer müssen den Gegenwert von 120 Dollar für den Kauf eines Telefons, einer Batterie und einer Verstärkerantenne investieren, sofern sie in abgelegenen Gebieten arbeiten. MTN unterweist in der Bedienung der Ausrüstung und bietet darüber hinaus reduzierte Tarife an.
VillagePhone-Anbieter stellen Telefondienstleistungen in ihren Dörfern bereit. Sie verlangen Gebühren pro verbrauchter Einheit. Dem empfohlenen Geschäftsmodell zufolge reicht der Verkauf von 20 Minuten Gesprächszeit, um in die Gewinnzone zu gelangen. Das Programm ist sehr erfolgreich: Inzwischen gibt es mehr als 4.000 Anbieter in 56 Distrikten. Meist sind es Frauen, die sich etwas hinzu verdienen.
Kreditzugang ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg von VillagePhone. Die Reichweite von Mikrofinanz-Institutionen ist in Uganda jedoch noch begrenzt, und die Startkosten für viele Arme unerschwinglich. MTN arbeitet deshalb zusammen mit Nokia International an bezahlbarer Technik für abgelegene Regionen.
MTN VillagePhone ist nicht die einzige Initiative im ländlichen Uganda. Unophone Uganda Limited, vormals von Norwegen unterstützt, startete in den Dörfern noch früher. Die Firma hilft Individuen Anbieter zu werden, indem es sie mit bezahlbaren Geräten (neu und gebraucht), Krediten, technischer und unternehmerischer Beratung, Gesprächszeit zu niedrigen Tarifen (die Unophone mit UTL, Celtel und MTN aushandelt) und Spardienstleistungen versorgt.
Unophone hat bereits mehr als 1.500 Anbieter in 25 Distrikten und will langfristig jedes der 27.000 Dörfer in Uganda erreichen. Die Anbieter haben in der Regel noch andere Einkommensquellen und erwirtschaften mit Telefondiensten bis zu 85 Dollar monatlich. Seit kurzer Zeit bietet Unophone über seine Multiplikatoren auch zusätzliche Dienste an – und kassiert etwa für Dritte Strom- und Wassergebühren. Zudem haben einige Leute auf eigene Faust Angebote in abgelegenen Gebieten nach dem Vorbild von MTN und Unophone aufgebaut und die Verbreitung der neuen Technik beschleunigt.
In den Städten sind Telefondienstleister ohnehin aus dem Boden geschossen. Zeitungsverkäufer, Schuhputzer oder Barkeeper besitzen jetzt oft Handys, laden Gesprächszeit und verkaufen diese mit bescheidenem Gewinn. Meist geben sie Preise und Netzwerke auf Schildern an. Der Zugang ist so in Städten und ihrem Umland einfach und bequem geworden.
Dennoch bleibt der Analphabetismus ein Problem. Zwar ist die Benutzung eines Mobiltelefons technisch und sprachlich nicht kompliziert. Trotzdem fehlen vielen Menschen diese Kompetenzen. Die Netzwerkbetreiber haben deshalb Call-Center eingerichtet, die in verschiedenen Sprachen grundlegende Fragen beantworten. Außerdem haben sie lokale Vertreter, die die Sprachen sprechen, bevollmächtigt.
Für vielen Menschen waren Empfangsgeräte anfänglich kaum erschwinglich. Inzwischen gibt es in den Städten aber einen Second-Hand-Markt. Handys sind schon für 25 Dollar zu haben. Dank technischem Fortschritt wurden darüber hinaus manche Neugeräte billiger. Manche Exemplare kosten nur noch 70 Dollar – und die Preise fallen weiter. Anfangs rechneten alle Netzwerkbetreiber ihre Verbindungen minutenweise ab. Heute beruhen viele Tarife auf kürzeren Einheiten für weniger Geld. So können arme Leute kurze Anrufe billig tätigen und um Rückruf bitten.
Unerwartete Wirkungen
Nach der Einsicht, dass Guthabenkarten vielen potenziellen Kunden zu teuer waren, führte MTN Karten mit einem Wert von nur rund einem Dollar ein. Dieser Netzwerkbetreiber ermöglicht es auch, Gesprächsguthaben weiterzureichen. Handybenutzer können ihre Einheiten anderen aufs Gerät schicken. Ohne das zu beabsichtigen, hat MTN damit einen Weg geschaffen, Geld in Dörfer zu überweisen.
Überhaupt hat der Mobilfunk unvorhergesehene ökonomische Möglichkeiten geschaffen. Wo es keine Stromversorgung gibt, bieten Menschen mit Generatoren oder Autobatterien Ladedienste an. Auch mit dem Handel von Guthabenkarten und Reparaturdiensten wird Geld verdient. Mobiltelefone werden verwendet, um andere Erwerbsquellen zu optimieren. Beispielsweise geben Fahrer von Taxis oder Bodabodas (Motorräder für den Kundentransport) Handynummern an, damit Passagiere sie bei Bedarf anrufen können. Friseursalons vergeben Termine und verkürzen so Wartezeiten. Restaurants und Garküchen nehmen fernmündliche Bestellungen an, einige liefern sogar schon Mahlzeiten an Kunden aus. Marktverkäufer stehen mit Großhändlern in Verbindung, um ständig frisches Obst und Gemüse vorrätig zu haben.
Mobiltelefone erleichtern auch Kleinbauern den Marktzugang. Statt kleine Mengen einzeln zu Markt zu tragen, stimmen sich Landwirte jetzt untereinander ab und verhandeln per Telefon mit Abnehmern. Das ist für alle Beteiligten bequem. Es ist auch möglich geworden, mit dem Handy ins Internet zu gehen und sich auf der Webseite FoodNet, die von MTN betreut wird, über Marktpreise im ganzen Land zu informieren. Solches Wissen ist in Preisverhandlungen wertvoll.
Im Finanzsektor bietet der Mobilfunk heute armen Menschen Zugang zu internationalen Transfers. Ugander, die im Ausland arbeiten, können Geld zu Verwandten nach Hause schicken, indem sie Unternehmen wie Western Union nutzen. Sie müssen dazu nur ihre Verwandten informieren – beispielsweise durch VillagePhone-Betreiber oder Nachbarn mit Handys – und die Angehörigen können ihr Geld am nächsten Western-Union-Schalter abholen. Ugandische Migranten, die kleine Geldmengen überweisen wollen, für die sich die hohen Gebühren von Western Union nicht lohnen, können diese Summen über Forex-Büros senden. Sie müssen nur ihr Geld auf Forex-Büro-Konto im Ausland einzahlen und den VillagePhone-Anbieter anweisen, ihre Verwandten oder Freunde zu benachrichtigen. Selbstverständlich haben Mobiltelefone auch inländische Überweisungen vereinfacht – besonders informelle.
Der Mobilfunk hat vielfältige wirtschaftliche Aktivitäten erblühen lassen, von denen einige sich positiv auf das Leben der armen Bevölkerung auswirken. Aber es gibt immer noch Hindernisse, die überwunden werden müssen, damit die ganze Bevölkerung von Kommunikationsdiensten profitiert. Weitere technische Innovationen sind nötig, um die Preise zu senken und das Netz zu verbessern. Angemessene Kreditdienstleistungen und Trainingsprogramme werden gleichermaßen dazu beitragen, dass arme Menschen einen Zugang zu modernen Diensten bekommen.
Regina Kamuhanda arbeitet in Kampala als Consultant mit dem Schwerpunkt Privatsektor-Entwicklung. Sie hat zuvor für die niederländische SNV in Kampala ein Team geleitet. Dieser Text erscheint in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Entwicklung und Zusammenarbeit.