Happy Birthday, Kalaschnikow!
Das berühmteste Sturmgewehr der Welt wird 60
"A" steht für "Awtomat", "K" für den Namen des Erfinders Michail Timofejewitsch Kalaschnikow und "47" für das Jahr der Erfindung: Ein Sturmgewehr, Kaliber 7,62 mm für M43-Patronen.
Die Waffe, die in der NVA als "Maschinenpistole" geführt wurde, ist - wenn man so will - der lebende Beweis dafür, dass ein System ohne Patente die weit tauglichere Technologie hervorgebracht hat, als eines mit. Das zeigte sich vor allem im Vietnamkrieg, wo die Unzulänglichkeiten der amerikanischen M16-Sturmgewehre (an denen die Colt Manufacturing Company Patente hielt) neben der mangelnden Motivation der Soldaten der wichtigste Grund für die militärische Unterlegenheit der US-Streitkräfte war.
Warum war die Kalaschnikow überlegen?
Ein Vorteil der AK47 war ihre größere Offenheit für Modifikationen: Neben Standard-Magazinen mit 30 Schuss, gab es zum Beispiel auch 5-, 10-, 20-, 40-, 55-, 60- und 75-Schuss-Magazine und -Trommeln. Im Vietnamkrieg konnten die US-Soldaten deshalb schlecht kalkulieren wann und wie oft ihre Gegner nachladen mussten.
Der wichtigste Vorzug des sowjetischen Sturmgewehrs war jedoch, dass es anspruchslos, zuverlässig und praktisch unzerstörbar war - weder durch Minderjährige, noch durch Analphabeten. Egal ob Tundra oder Wüste, Dschungel oder Großstadt. Man konnte das Gewehr im Schlamm oder im Sand vergraben und auf felsiges Gelände fallen lassen - trotzdem funktionierte es mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit noch. Das resultierte unter anderem aus einer höheren Zuverlässigkeit des Verschlussmechanismus, die mit mehr Energieeinsatz und dadurch mit einem höheren Rückstoß erkauft wurde – was die Waffe vor allem bei "echten Männern" in Drittwelttruppen nur noch beliebter machte.
Ebenfalls ein wichtiger Grund für die legendäre Zuverlässigkeit war, dass der Verschlussmechanismus im Gehäuse nicht flächig anlag, wie ein Kolben in einem Zylinder, sondern auf Schienen fuhr. Während bei anderen Waffen Verschmutzungen leicht blockieren konnten, hatte die AK47 Leerräume, in denen der Verschluss den Dreck schieben konnte. So war die Waffe zwar weniger präzise – aber wesentlich praxistauglicher. Und während Bürokraten im Pentagon Präzisionstabellen studierten, verließen sich Staaten, die beim Rüstungsbudget rechnen mussten, auf die mit der Zeit immer deutlicher werdende empirische Überlegenheit der sowjetischen Waffe. Selbst die israelische Armee nutzte lange Zeit den Kalaschnikow-Ableger Galil, bis sie schließlich mit entsprechenden Bindungen der Militärhilfe zum Einsatz amerikanischer Sturmgewehre "überredet" wurde.
Konkurrenzprodukt M16
Weil es für das amerikanische Konkurrenzprodukt M16 anfangs keine Reinigungsgeräte gab, wurde es den GIs im Vietnamkrieg als "selbstreinigend" angepriesen. Ein Irrtum der, wie sich später bei einer Untersuchung durch den Kongress herausstellen sollte, häufig zu Ladehemmungen führte – und zu tödlichen Unfällen bei Reinigungs- und Reparaturversuchen. Berichte, nach denen amerikanischen Soldaten erbeutete AK47 statt M16 benutzten stehen seit dem Vietnamkrieg im Raum, wurden aber vom Pentagon nie offiziell bestätigt. 1976, nach der Niederlage in Indochina, entschieden sich jedoch auch die USA (beziehungsweise die Firma Bingham's in Georgia) für einen Nachbau der AK47.
Schon 1956, als China begann, die Waffe in großen Stückzahlen zu produzieren, war der Weg für ihren Siegeszug in den der Entkolonialisierung folgenden Kriegen geebnet: Insgesamt soll es weltweit zwischen 20 und 100 Millionen Kalaschnikows geben - mit und ohne Seriennummern. Hergestellt wurden sie von Fabriken überall auf der Welt - von Suhl bis hin zu paschtunischen Büchsenmachern in der pakistanischen Nordwestprovinz.
Was für Deutschland der Volkswagen und für die USA Coca Cola war, das war für die Sowjetunion die Kalaschnikow: das berühmteste Produkt, das auch nach Jahrzehnten nichts oder wenig von seiner Aura (und seinem Gebrauchswert) einbüßte. Bald stand "Kalaschnikow" nicht mehr nur für die AK47 und die 1959 modernisierte Version AKM (Awtomat Kalaschnikowa Modernizirowannij), sondern auch für das Nachfolgemodell AK74 sowie für zahlreiche nicht baugleiche Modelle. Aus der Marke war – wie bei Tempo, Rama, oder Kaba – ein Gattungsbegriff geworden.
Auch im kulturellen Bereich war der Siegeszug des Sturmgewehres nicht aufzuhalten: Ob in Filmen wie Deer Hunter und Rambo II, auf den Fahnen Mosambiks und der Hisbollah oder den Staatswappen von Osttimor und Zimbabwe. Nur die RAF benutzte – typisch deutsch – für ihr Logo eine Heckler und Koch.
Die Waffe ist mittlerweile zentraler Inhalt von Sprichwörtern ("Al-kalash bijib al-kash"), Musikstücken und Filmen. Zum 60. Geburtstag erschienen mehrere Bücher, eines davon von Michael Hodges, der darin unter anderem eine interessante Anekdote von Osama bin Ladens erster AK47 erzählt: Die wurde angeblich 1982 beim israelischen Angriff auf Palästinenserstellungen im Libanon erbeutet und ging dann via CIA und Mudschaheddin an den Terrorfürsten.