Harsche Reaktionen auf Hershs Artikel

Seite 2: Der ARD-Faktenfinder zu Hersh

Für das Team der "ARD-Faktenfinder" hat Pascal Siggelkow einen langen Text auf tagesschau.de zum Thema verfasst. Auch hier ist schon die Überschrift bemerkenswert wertend: "Was ist dran am Hersh-Bericht über eine US-Sabotage?"

Stellt man auch hier einmal eine Gegenprobe an, wird deutlich, dass etwa eine Überschrift wie "Was ist dran am ZDF-Eigendorf-Bericht über russische Kriegsverbrechen?" kaum auf dieser öffentlich-rechtlichen Plattform Platz fände.

Prinzipiell ist es gut und sinnvoll, in Redaktionen möglichst immer die kritische bis selbstkritische Frage "Was ist dran?" zu stellen – leider wird dieses grundlegende journalistische Werkzeug gerade in Fragen von Krieg und Frieden nur sehr selektiv, nämlich ausgesprochen einseitig verwendet.

In der Unterzeile schreibt Siggelkow, Hershs Text werfe "viele Fragen auf". Gut so, möchte man sagen – aber der ARD-Faktenfinder meint es bedauerlicherweise ganz eindeutig anders. Nämlich im Sinne von: dieser Beitrag des US-Journalisten sei äußerst fragwürdig und ganz und gar nicht vertrauenswürdig.

Wiederum sei festgehalten, dass es demokratisch wünschenswert ist, wenn im Journalismus grundsätzlich Skepsis herrschte – gegenüber allen Beiträgen sowie Perspektiven, und gerade gegenüber den "eigenen". Doch die Verhältnisse – die sind nicht so.

Siggelkow schreibt fort: "Während die offiziellen Ermittlungen noch laufen (...)". "Die"? Welche und wessen Ermittlungen meint er? Mit dieser Verwendung des bestimmten Artikels macht er nolens volens deutlich, dass es für ihn nur eine Art von "offiziellen Ermittlungen" zu geben scheint.

So geht es dann weiter im Text. Eine interessante Pointe liefert dieser Beitrages, indem der ARD-Journalist äußert: "Experten kritisieren zudem, dass es lediglich eine einzige anonyme Quelle gibt, auf der der Bericht beruht."

Und jetzt wird es spannend: Für seinen, nun ja, "Bericht" als durchaus meinungsstarkem Beitrag hat Siggelkow genau eine Quelle befragt – aber immerhin keine anonyme. Andererseits: Siggelkows einzige Quelle bedurfte auch nicht irgendeiner "Anonymität". Denn "Julian Pawlak von der Universität der Bundeswehr in Hamburg" – was auch immer der dort genau macht, dafür gibt es ja das Internet – liegt mit all seinen Äußerungen, die lang, breit und komplett unkritisch referiert werden, voll auf der Linie des westlichen Bündnisses.

Im Text nicht fehlen darf ein Absatz, der Seymour Hersh deutlich diskreditieren soll: Bei all seinen früheren Verdiensten – der Vietnamkrieg ist ja lange her – sei der Mann "zuletzt jedoch mit fragwürdigen Recherchen aufgefallen". Debatten, inwiefern Giftgaseinsätze im Krieg in Syrien "inszeniert worden seien", hält Siggelkow offenbar für nicht geboten, um es vorsichtig zu formulieren.

Noch klarer die Herabsetzung mit Blick auf den aktuellen Krieg in der Ukraine: "Kritiker werfen (Seymour Hersh, d.A.) vor, Verschwörungserzählungen zu verbreiten. Auch in seinem neusten Bericht verbreitet er das prorussische Narrativ, die NATO-Osterweiterung sei schuld an der Eskalation zwischen Russland und dem Westen."

Und damit wird es hinsichtlich der Faktizität des Siggelkow-Beitrages wirklich krass: Denn mal abgesehen von den abwertenden Formulierungen – genau dieses Motiv lässt sich in Hershs aktuellem Beitrag faktisch gar nicht finden. Nur der Satz: "Tensions were constantly escalating between Russia and NATO, backed by the aggressive foreign policy of the Biden Administration." Im ganzen Text keinerlei Rede von der Nato-Osterweiterung. So viel zum Thema Fakten.

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