Harsche Reaktionen auf Hershs Artikel

Beitrag zu Anschlag auf Nord-Stream-Pipeline folgen in deutschsprachigen Online-Medien seltsame Reaktionen. Die Doppelstandards scheinen den Redaktionen nicht aufzufallen. Eine kommentierte Auswahl.

Es erinnert an den sprichwörtlichen Stich ins Wespennest: Der Artikel des US-Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh, in dem er die US-Regierung und Präsident Joe Biden direkt verantwortlich macht für die Sprengung der Nordstream-Pipelines, sorgt bei reichweitenstarken Medien hierzulande für reichlich einseitige Reaktionen.

Es gibt einige wenige andere Stimmen, wie bei Telepolis oder bei den Nachdenkseiten oder von Sebastian Puschner im Freitag.

Doch in vielen deutschen Medien wird mit einer erneut deutlich einseitigen Vermittlung gearbeitet, die zudem oft nicht nur implizit, sondern auch ausdrücklich wertet: In diesem Falle eine Mischung von Diskreditierungsbemühungen gegen die Person Hersh sowie ergänzend dazu dem Auswählen von und einem oft geradezu naiv anmutenden Vertrauen in Quellen aus dem US-amerikanischen und dem deutschen Regierungslager samt verbündeter Expertisen.

Eine kleine Auswahl und kurze Kritik typischer aktueller Veröffentlichungen dazu: Der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk stellt ganz eindeutig schon mal "klar":

USA stellen klar: Haben Nordstream-Pipelines nicht gesprengt.

Na, dann ist ja alles klar, oder? Es ist frappierend, dass dies Nachrichtenprofis nicht auffallen sollte: Mehr Wertung geht kaum in einer Nachrichtenüberschrift. Das Verb "klarstellen" ist im Wortfeld "äußern/sagen" eines der am meisten positiv wertenden Tätigkeitsworte, sowohl mit Blick auf die Faktizität des Gesagten als auch auf die Vertrauenswürdigkeit der Quelle.

Man mache auch hier eine (hypothetische) Gegenprobe als probates Mittel der Medienanalyse: Ist es auch nur denkbar, dass der BR schriebe: "Putin stellt klar: Haben Nordstream-Pipelines nicht gesprengt".

Das hier aufzuschreiben, heißt zu erkennen: Diese Überschrift zum BR-Beitrag räumt mit allen Zweifeln auf, wenn auch sicher ungewollt. Im Text heißt es dann, nach dem Anschlag 2022 habe sich "der Verdacht (…) umgehend gegen Russland" gerichtet. "Der" Verdacht sicher nicht, es gab und gibt bis heute zumindest mehrere Verdächtige – wenn die Norm journalistischer Objektivierung auch nur kurz in Erwägung gezogen würde. Zumal in Beiträgen, die informationsbetont sein sollen.

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