Harte Zeiten für Jugendschützer

Das Erektions-Verbot im TV ist gefährdet

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Leo Kirch hat einen neuen Verbündeten. Das Bundesverwaltungsgericht, das offenbar gewillt ist, zukünftig ein Auge schamlos zuzudrücken, wenn sich erwachsene Mitbürger nachts im Fernsehen einen Porno anschauen wollen. Bisher ist dies - im Unterschied zu anderen Ländern der EU - bei uns strengstens verboten. Doch nun scheint das Verbot zu wackeln. In einem Urteil des Gerichts, das letzte Woche erging, heißt es, dass es allein entscheidend sei, ob Pornos Minderjährigen zugänglich gemacht würden. Wenn der Sender jedoch sicherstellen könnte, dass Jugendliche keinen Zugang zu den Filmen hätten, dürften nach Meinung der Richter eben auch Pornos gezeigt werden.

Genau diese Bedingung erfüllt schon seit längerem Kirchs Pay-TV-Sender Premiere mit einem vierstelligen Zahlencode, den jeder Kunde eingeben muss, wenn er vor 23 Uhr einen Film mit den Altersfreigabe ab 16 oder 18 Jahren sehen möchte. Dennoch gab es immer wieder Rechtstreitigkeiten mit amtlichen Jugendschützern, die sich über das zu dichte Schamhaar-Aufkommen oder die zu eindeutigen Erektionswinkel in den harmlos-dümmlichen Soft-Porno-Filmchen der Premiere-Erotik-Kanäle empörten.

Falls sich das Gericht mit seiner Meinung tatsächlich durchsetzen sollte, wird ohne Zweifel auch der frömmelnde Konservative Kirch in seiner Finanznot die sprichwörtliche teuflische Fliege schlucken und über seine Premiere-Kanäle Hardcore-Ware ausstrahlen. Weil dadurch eben mit einem Schlag die Attraktivität des angeschlagenen Senders erhöht würde, wie ähnliche Pay-TV-Fälle in Europa zeigen. Und so wurde das Urteil des Gerichts von Premiere-Chef Georg Kofler auch entsprechend freudig begrüßt: "Erwachsene Zuschauer könnten künftig wie mündige Bürger entscheiden, was sie sehen wollen."

Wenn auf der Mattscheibe gerammelt wird, das können in einigen Regionen Deutschlands bereits Kunden des Kabel- und TV-Anbieters PrimaCom sehen. So wird beispielsweise im Raum Leipzig der englische Sex-Kanal Adult Channel ausgestrahlt. Mit der Begründung, dass der Erotikkanal eine ordentliche Lizenz in London habe und daher gemäß der EU-Richtlinie über Fernsehen ohne Grenzen auch in Deutschland verbreitet werden könnte.

Was der Adult Channel zeigt, ist zwar eindeutige pornografisch, wie ein Blick auf seine Netzseite beweist, wo unter anderem in kleinen Videoclips geworben wird für erotische Seltsamkeiten wie:

INSIDE GIRLS If you're a fan of big tits then watch this night of programmes with the most big breasted babes. From Union Jaxx to Pornomedics, we've got it all

Aber auch dieses feucht-fröhliche Vergnügen ist natürlich mit einem Zahlencode geschützt und wird zudem ausschließlich zwischen ein und fünf Uhr ausgestrahlt. Doch selbst das reicht den amtlichen Jugendschützern nicht, die offenbar vehement auch weiterhin Erwachsene vor Pornografie schützen wollen. Was manchmal dann sogar richtig absurde Züge annimmt.

So ist bei uns zwar das Versenden von Porno-Videos auf dem normalen Postweg immer noch grundsätzlich verboten, wird aber dennoch täglich von deutschen Produzenten praktiziert, die ihre Pornofilmchen einfach über Österreich oder Schweiz an ihre deutsche Kundschaften verschicken. Das weiß jeder Staatsanwalt, der damit befasst ist, aber in der Regel wird ein Auge zugedrückt ­ und im schlimmsten Fall droht dem gesetzesuntreuen Besteller die Beschlagnahmung der Videokassetten.