Hartz-IV: Jobcenter wegen Corona nur mehr für Notfälle offen
Der Kundenkontakt soll nun über Telefon und online erfolgen. Angesichts des Einbruchs der Wirtschaft werden die Drähte heißlaufen
Einiges bleibt auch dann voraussehbar, wenn sich rundherum viele Selbstverständlichkeiten auflösen, besonders bei Behörden. Die Agentur für Arbeit schließt wegen der Corona-Krise seit heute Morgen bundesweit ihre für Hartz-IV zuständigen Dienststellen - außer für Notfälle - und verweist dabei auf das Telefon oder den Briefkasten. Stunden später sind die Telefonleitungen überlastet.
Nun weiß man nicht, ob der online-Service des BA, wo man sich ebenfalls arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen kann, auch schnell in die Überlastungszone geraten würde, behaupten lässt sich aber, dass das BA nicht klar genug darauf hinweist, dass diese Möglichkeit der Antragstellung genügt, um Hartz-IV-Leistungen bewilligt zu bekommen.
"Eine Arbeitslosmeldung kann auch telefonisch erfolgen. Ein Antrag auf Grundsicherung kann formlos in den Hausbriefkasten der Dienststelle eingeworfen werden", wird zum Thema "persönliche Vorsprachen" informiert. "Die persönliche Vorsprache bei Arbeitslosmeldung in den Arbeitsagenturen entfällt vorläufig. Sie können die Meldung telefonisch vornehmen", heißt es bei Punkt zwei der Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit.
Zwar wird im Weiteren auch darauf aufmerksam gemacht, dass "Anträge formlos per Mail oder über unsere eServices gestellt werden können", aber der Kunde hat durch die Betonung des Telefonkontaktes Gründe, irritiert zu sein. Dazu kommt: Nicht jeder kann offenbar auf die eServices zugreifen und es bleiben Fragen offen, ob für den Erstantrag die online-Meldung reicht. Im Zweifel greift man dann zum Telefon…
Hauptsache keine schlechten Nachrichten
Ohnehin ist die Pressemitteilung der Bundesagentur zur de facto bundesweiten Schließung der Jobcenter gehalten wie ein Wetterbericht auf Gute-Laune-Radiokanälen: Hauptsache keine schlechte Nachricht.
"Die Jobcenter und Arbeitsagenturen sind weiter für die Kunden da", ist die Information Nummer 1, dann folgt: "Telefon- und Online-Zugang werden intensiviert und ausgebaut" und erst beim dritten Punkt klingt ein leichtes Problem an: "Persönliche Kontakte werden reduziert."
Hält man sich vor Augen, wie kompliziert viele Hartz-IV-Angelegenheiten sind, dann erschien die beruhigend gemeinte Mitteilung, "Anträge können formlos in den Briefkasten geworfen werden. Leistungen werden weitergezahlt", als bigger than life-Versprechen.
Auch die Bundesregierung hat zu Anfang der Corona-Krise Wert auf Erklärungen gelegt, wonach man bestens vorbereitet sei. Nun zeigt sich aber mit jedem Tag, dass die Maßnahmen infolge der Corona-Epidemie einen ganzen Rattenschwanz an Problemen mit sich bringen, auf die man jetzt erst aufmerksam wird. Das sind insbesondere Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Schlechte Nachrichten aus mehreren Branchen
Aus der Filmbranche wird etwa berichtet, dass viele Drehs abgesagt wurden. Das Problem ist hier, dass Millionenproduktionen (auch ein Fernsehfilm kostet nicht unter einer Million) unbedingt versichert sind, wenn sich wichtige Darsteller infizieren. Das kann als "höhere Gewalt" (force majeure) eingestuft werden und zumindest zu langwierigen Streitigkeiten führen. Das Risiko scheuen die Geldgeber lieber.
So werden viele Projekte bis auf weiteres verschoben. Die Folge ist, dass sich in der Branche Überlegungen, einen Hartz-IV-Antrag zu stellen, zum Tagesgespräch gehören.
Auch aus der Touristikbranche, dem Hotel- und Gaststättengewerbe und dem Einzelhandel, allesamt nicht gerade unbedeutende Branchen, kommen ähnliche Meldungen.
Und wenn man die Miene des deutschen Finanzministers Olaf Scholz am Sonntagabend in der Anne Will-Talkshow gesehen hat - als ihn die Vertreterin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Bayern, Angela Inselkammer, darauf ansprach, dass das Milliarden-Hilfsprogramm der Regierung das Problem der Verschuldung der Betriebe aufwirft, und Scholz darauf keine wirklich beruhigende Antwort fand -, drängt sich der Gedanke auf, dass sich die Hartz-IV-Anträge in den nächsten Monaten häufen werden - außer der Ausnahmezustand ist bald beendet.
Keiner kann das im Augenblick einschätzen.