Hartz IV für Anfänger: Politiker, die nackten Menschen in die Taschen greifen

Seite 2: "Private Vorsorge"

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Viele von jenen, die heute wenig verdienen und mit Hartz IV aufstocken, können überhaupt keine nennenswerte Rente erwarten. "Private Vorsorge" lautet dann an diesem Punkten in der Regel der Einwand, man müsse eben auch mal Eigenverantwortung zeigen.

Doch um irgendwo in die Nähe einer Rente zu kommen, von der man leben kann, sind mehrere hundert Euro im Monat erforderlich, genauso wie die Eigenverantwortung für die Vorsorge für den Pflegefall irgendwo um die 50 Euro und die Vorsorge für die Berufsunfähigkeit je nach Beruf durchaus auch mal 100, 150, 200 Euro im Monat kosten kann.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Diese Eigenverantwortung kostet dermaßen viel, dass sie für einen Großteil der Bevölkerung eigentlich nicht bezahlbar ist. Und sie läuft auch oft ins Leere: Denn Anfang der Nuller-Jahre kamen viele der Reformen so schnell, so abrupt, und vor allem so spät im Leben vieler Menschen, dass ein Füllen der dadurch entstandenen Absicherungslücken zu bezahlbaren Preisen gar nicht mehr möglich ist.

Es mag so sein, dass die Beiträge für die private Altersvorsorge, die Berufsunfähigkeits- und Pflegeversicherung günstiger sind, wenn man früh mit der Vorsorge anfängt - aber: Bis vor gut 15 Jahren war das nicht wirklich ein Thema.

Dementsprechend müsste im Verlauf der Debatte um Reformen des Sozialsystems auch die Frage geklärt werden, wie weit die Forderung nach Eigenverantwortung gehen soll: Kann man verlangen, dass Menschen, die ohnehin schon durch vielerorts hohe Mieten überdurchschnittlich belastet sind, aus ihrem verfügbaren Einkommen mehrere hundert Euro für Versicherungen ausgeben?

In der aktuellen Diskussion wird vor allem von CDU und CSU derzeit mit den Kosten argumentiert, die Reformen verursachen würden. Damit stellt sich auch die Frage, welche Prioritäten man setzen sollte. Soll, muss der Staat seinen Bürgern dabei helfen, ein auskömmliches Leben führen zu können, ganz gleich was es kostet?

Oder soll, muss der Staat von seinen Bürgern verlangen, dass sie eben hinnehmen, dass sie in bestimmten Lebenslagen durch bestimmte Lücken fallen, weil es zu viel gekostet hätte, diese Löcher zu stopfen?