Hauptversammlung der "Google-Gesellschaft"
Keiner ist böse, aber alle zufrieden
Die Böll-Stiftung lud nach Berlin, und alle waren sie gekommen. Anlass war zum einen die Vorstellung des neuen Buches Die Google-Gesellschaft, zum anderen und in erster Linie aber eine Podiumsdiskussion. Sowohl auf dem Podium als auch im Publikum war ein großer Teil derer vertreten, die hierzulande wohl besagte Google-Gesellschaft bilden. Etwas fremder fühlten sich drei der Gäste auf dem Podium, allen voran der Sprecher von Google Deutschland (siehe auch Schöne neue Welt der Google-Gesellschaft).
Wenn die Heinrich-Böll-Stiftung zu einer Diskussionsveranstaltung mit einem Titel wie "Die Google-Gesellschaft" einlädt, dann kommen fast alle. Nicht weniger als die "Kolonialisierung traditioneller Lebenswelt durch die Neuen Medien" sollte das Thema sein, so Michael Schetsche, Mitherausgeber des Buches. Die titelinspirierende Firma Google schickte zur Diskussion ihren Sprecher Stefan Keuchel, der den ganzen Abend ein gefragter Mann blieb. Er musste sich viele Fragen nach Marktmacht und Verantwortungsbewusstsein von Google gefallen lassen.
Über 170 Anmeldungen gingen bei den Veranstaltern ein und fast genau so viele waren auch anwesend. Bunt gemischt präsentierte sich die Gästeschar. Viele Vertreter der institutionalisierten Zivilgesellschaft, vom Chaos Computer Club über Hochschulvertreter bis hin zur Humanistischen Union hatten sich eingefunden. Man kannte sich untereinander - und man schätzte sich. Auf dem Podium wurde dabei weniger über die Google-Gesellschaft als vielmehr über Fragen rund um die Firma und die Suchmaschine Google diskutiert, was nicht alle Zuschauer befriedigte.
Die Diskussion köchelte dabei auf eher niedrigem Niveau vor sich hin: Google ist unpolitisch, tut nichts Böses und eigentlich geht es für Google nur um eines: "Unser Ziel ist es, die Informationen dieser Welt zu organisieren", so das Mantra von Stefan Keuchel, dem Sprecher des Unternehmens. Ob dies stimmt, wurde zwar in Frage gestellt, doch eines konnten auch die Diskussionsteilnehmer nicht bestreiten: Googles Marktmacht beruht in erster Linie auf der Nutzung durch die User. "Jeder in Deutschland ist frei, die anderen Suchmaschinen zu benutzen", so der Google-Vertreter.
Überhaupt sei Google eine überaus nette Firma, die nichts für die Medieninkompetenz der Nutzer könne. Zum Datenschutz und der Cookie-Problematik war klar: "Wir informieren schon darüber. Es stimmt aber, dass viele Nutzer sich mit der Seite an sich wenig beschäftigen." Dass vielen Nutzern die Funktionsweise beispielsweise des Freemailservice GMail unbekannt sei, das sei allerdings tatsächlich auf eine mangelhafte Informationspolitik durch Google zurückzuführen. Ob dies Absicht war, fragte allerdings niemand.
Es gibt bei den Menschen ein ganz gering ausgeprägtes Bewusstsein dafür, welche Datenspuren sie im Internet hinterlassen.
Katja Husen, Bundesvorstand Bündnis 90/Die Grünen
Dass die geringe Medienkompetenz das Hauptproblem sowohl im Datenschutz als auch der Zensur sei, dieser Meinung schlossen sich das gesamte Podium an. Sabine Frank, die Vertreterin der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Dienste (FSM), zeigte sich überaus angetan, dass die Grünenvertreterin auf Distanz zu weiteren staatlichen Regulierungsversuchen ging. Husens pessimistischere Einschätzung von Zensurversuchen jedweder Art: "Ich glaube, dass die Politik scheitern wird. Leider erst, wenn sie es geschafft hat, eine Reihe von Leuten von der Entwicklung abzuhängen."
So herrschte in den meisten Fragen schnell Einigkeit auf dem Podium. Ob staatliche Zensur, Datenschutz oder die Stellung von Google im Suchmaschinenmarkt, klare Schuldzuweisungen schienen fehl am Platze. Die von Michael Schetsche zu Beginn in den Raum geworfenen Fragen zur Ausgestaltung der Google-Gesellschaft blieben erwartungsgemäß unbeantwortet: "Gilt auch hier: Widerstand ist zwecklos?" und "Muss diese Zivilisation wirklich so aussehen, wie die der Borg?" Und auch die Firmenvertreter konnten zufrieden nach Hause fahren - Google ist immer noch nicht böse und die Verantwortung für die Zensur trägt die Politik.