Heiße Quellen im Weltall
Auf dem Saturnmond Enceladus muss es unterirdische Quellen geben, für die wir im Weltall bisher nur eine einzige Entsprechung kennen: die "Lost City" in den Tiefen des mittleren Atlantiks, Planet Erde
In 800 Metern Tiefe, mitten im Atlantik, existiert eine Welt, die so gar nicht irdisch wirkt - die Wissenschaftler aber trotzdem gern als "Labor des Lebens" bezeichnen. In der "Lost City", erst 2000 entdeckt, ragen etwa 30 weißliche, zwischen 30 und 60 Meter hohe Kalksteinfelsen vom Grund des Ozeans auf. Sie sind entstanden, weil hier Gestein des Erdmantels an den Ozeangrund tritt. Sie bestehen aus Peridotit, das in einem exothermen Prozess mit dem Meerwasser reagiert.
Dabei entstehen basische Lösungen mit einem pH-Wert von 9 bis 11 und Temperaturen zwischen 40 und 90 Grad Celsius, außerdem werden Methan, Schwefelwasserstoff und Wasserstoff frei. Kohlendioxid, das ebenfalls aus dem Gestein entweicht, setzt sich als Kalkstein wieder ab und bildet die skurrilen Schlote. Wissenschaftler erkennen darin eines der Labore, in denen die für die Entstehung des Lebens nötigen Stoffe entstanden sein könnten - und die auch ersten Lebewesen, die richtigen Bedingungen geboten haben könnten.
Enceladus: einer der heißesten Kandidaten bei der Suche nach außerirdischem Leben
Szenenwechsel in den Weltraum. Der Saturnmond Enceladus ist zwar einer der hellsten Himmelskörper im Sonnensystem. Seine Albedo, sein Reflektionsvermögen, liegt bei fast 100 Prozent. Frisch gefallener Schnee wirft Licht nicht ganz so gut zurück. Dadurch ist der nur 500 Kilometer große Enceladus zwar gut zu sehen. Doch wenn er fast das gesamte Sonnenlicht zurückwirft, bleibt nicht viel, um die Oberfläche zu erwärmen. Mit 200 Grad Frost muss ein Besucher deshalb rechnen. Damit wirkt der Mond auf den ersten Blick nicht sehr einladend.
Doch schon seit zehn Jahren wandelt sich dieses Bild. Enceladus gehört heute zu den auch im Wortsinn heißesten Kandidaten bei der Suche nach außerirdischem Leben. Und auch das hat damit zu tun, dass der Mond so hell leuchtet. Während seine Geschwister durch kosmischen Staub aus der Umgebung mit den Jahrmillionen dunkler geworden sind, liefert auf Enceladus offenbar eine Quelle dauernd frische Eiskristalle nach. Sie speist auch eine dünne Atmosphäre, denn Enceladus wäre selbst nicht in der Lage, eine Luftschicht festzuhalten.
Ein warmer Ozean unter der Oberfläche?
Diese Quelle hat nach langem Rätseln 2005 die Cassini-Sonde ausgemacht. Sie fotografierte aus der Gegend des Südpols austretende Fontänen aus Eiskristallen. Die Gegend ist von den so genannten Tigerstreifen geprägt, tiefen Brüchen in der Kruste des Enceladus. An einigen Stellen treten hier durch einen bisher nicht komplett erklärten Mechanismus Eisfontänen aus dem Inneren empor, deren Inhalt sich dann über den gesamten Mond verteilt. Die Ursache dafür ist vermutlich ein warmer Ozean unter der Oberfläche (Wasser auf dem Enceladus).
Dieser könnte, darauf weisen Messungen der Mond-Gravitation hin, eine Tiefe von zehn Kilometern haben und unter einer 30 bis 40 Kilometer dicken Eisschicht liegen. Erhöht sich der Druck zu sehr, spritzt das Wasser wie bei einem isländischen Geysir mit enormer Geschwindigkeit (1600 Kilometer pro Stunde) aus den unterirdischen Kammern und gefriert dabei sofort wieder. Die Kristalle erreichen dabei Höhen von bis zu 500 Kilometern und speisen auch Teile der Saturnringe.
Nun können die Astronomen zwar nicht auf den Grund des Enceladus-Ozeans blicken - wohl aber die Saturnringe betrachten. Insbesondere der E-Ring, der von Enceladus gespeist wird, ist dabei interessant. Was die Forscher aus der Analyse seiner Teilchen herausgefunden haben, beschreiben sie nun im Wissenschaftsmagazin Nature.
Felsiger Untergrund mit einer Temperatur von 90 Grad Celsius
Es zeigt sich nämlich, dass die von Enceladus ins All geschleuderten Kristalle vor allem aus Siliziumdioxid bestehen (auf der Erde in Form von Quarz weit verbreitet). Im Saturn-Ring tritt SiO2 jedoch fast nur in Form von Nanoteilchen bestimmter Größe auf, wie sie nur bei der spontanen Kristallisation aus übergesättigten Lösungen entstehen.
Mit Hilfe von Laborexperimenten konnten die Forscher nun zeigen, dass dafür ganz bestimmte Bedingungen notwendig sind - also am Grunde des Enceladus-Ozeans auch tatsächlich existieren müssen: Mindestens ein Teil des felsigen Untergrunds muss eine Temperatur von 90 Grad Celsius haben und in Kontakt mit basischer Flüssigkeit mit einem pH-Wert von mindestens 8,5 stehen.
Der gesamte Ozean darf dabei einen Salzgehalt von höchstens vier Prozent besitzen (Erdozeane: 3 bis 3,5 Prozent) und muss einen pH-Wert von 8,5 bis 10,5 aufweisen. Eine solch hohe Temperatur in dieser Tiefe ist unerwartet - und wahrscheinlich nur möglich, wenn dort exotherme Reaktionen stattfinden, wie sie aus der "Lost City" bekannt sind.
Dass sich die Verhältnisse auf Enceladus und in den Tiefen des Atlantiks derart ähneln, muss natürlich nichts bedeuten - aber es macht den Saturnmond trotzdem automatisch zum derzeit spannendsten Ziel künftiger Raumsonden.