"Herr Lehmann vom BKA"

Khaled al-Masri, "Sam" und die CIA: Deutsche Geheimdienst-Agenten arbeiten offenbar enger mit US-Stellen zusammen, als man in Berlin zugeben möchte

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Die Bundesregierung gibt sich alle Mühe, einen Untersuchungsausschuss zum Fall des von der CIA entführten Deutschen Khaled al-Masri zu verhindern. Am Montag wurde den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) ein 300 Seiten starker Bericht übergeben. Darin geht es nur unter anderem um die Frage, ob deutsche Stellen früher von der Verschleppung al-Masris in Foltergefängnisse der CIA wussten, als man in Berlin eingesteht. Der Bericht handelt zudem von CIA-Gefangenentransporten durch Deutschland und die Vernehmung Terrorverdächtiger durch deutsche Agenten im Ausland. Schon bevor der Bericht vom PKG am heutigen Mittwoch diskutiert wurde, zeichnete sich Widerstand ab.

In der Mitteldeutschen Zeitung erklärte Christian Ströbele, der für die Grünen im PKG sitzt:

Ich bin mit dem Bericht nicht einverstanden. Wir müssen klären, ob da noch was offen bleibt.

In der Frage nach einem Untersuchungsausschuss, der sich die Grünen-Bundestagsfraktion am Donnerstag stellen will, hat sich Ströbele damit bereits positioniert. Seit Votum ist nicht unbedeutend. Denn während die Grünen sich in der Frage nach einem Untersuchungsausschuss bislang nicht festgelegen wollten, befürworten die FDP und die Linke einen solchen Schritt einhellig. Ein Ausschuss kann aber nur mit den Stimmen aller drei Oppositionsfraktionen einberufen werden.

Brisantes von Khaled al-Masri

Angeheizt wird die Debatte auch von dem Entführungsopfer Khaled al-Masri selbst. Bei einer Gegenüberstellung am Montag dieser Woche will der Neu-Ulmer libanesischer Abstammung den deutschen Beamten wiedererkannt haben, der ihn während seiner Haft in Kabul mehrfach verhört hatte. Der BKA-Mann, der nach al-Masris Angaben während der Vernehmungen in Kabul unter dem Decknamen „Sam“ auftrat, bestritt die Vorwürfe. Er sei nie in Afghanistan gewesen und habe zu den genannten Daten ohnehin Urlaub gehabt.

Rückendeckung bekam der verdächtigte Beamte von dem Münchner Staatsanwalt Martin Hofmann. Dieser wies laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters darauf hin, dass sich al-Masri bei der Gegenüberstellung wenig sicher gewesen sei. Anwalt Manfred Gnjidic führt diese Zweifel hingegen darauf zurück, „dass der Mann einen anderen Harrschnitt hat und inzwischen offensichtlich ein paar Kilo mehr auf die Waage bringt“. Tatsächlich habe sein Mandant den Mann „zu 90 Prozent“ erkannt.

„Ich halte die Gegenüberstellung daher für einen vollen Erfolg“, sagte Manfred Gnjidic am Mittwoch im Gespräch mit Telepolis. Auch die beiden ermittelnden Kriminalhauptkommissare Wittmann und Liebrecht hätten ihm nach dem Termin weitere gezielte Ermittlungen zugesichert, zumal das Verhalten des Identifizierten verdächtig gewesen sei. Bei einem direkten Gespräch zwischen den ermittelnden Beamten, Rechtsanwalt Gnjidic und al-Masri sei der BKA-Mann „höchst beunruhigt gewesen“, sagt Gnjidic. Und auch al-Masri sagte gegenüber der New York Times: „Er war sehr nervös und konnte mir nicht in die Augen schauen.“

Ist „Sam“ der „deutsche James Bond“?

Die lange geheim gehaltene Identität des Beamten scheint nach der Zusammenkunft von Montag beinahe gelüftet. Laut Gnjidic wurde die von al-Masri bei der Gegenüberstellung erkannte „Person Nummer 6“ in dem folgenden persönlichen Gespräch als „Herr Lehmann vom BKA“ vorgestellt. Der Name ist in der Geheimdienstszene nicht unbekannt. Schon bei den Ermittlungen zum Mord an dem libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri, die vom Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis geführt wurden, spielte der langjährige BKA-Beamte Gerhard Lehmann eine zentrale Rolle.

Ist Lehmann also gleich Lehmann? Ein eindeutiges Eingeständnis gibt es weder von dem Beschuldigten, noch von seinem Arbeitgeber. Doch die Indizien verdichten sich. Am Montag erkannte Khaled al-Masri die „Person Nummer 6“ alias „Herr Lehmann vom BKA“ in Videoaufnahmen eindeutig als „Sam“ wieder. Diese Aufnahmen wurden von deutschen Kamerateams vor einigen Monaten ausgerechnet in Beirut gemacht. Der Aufenthalt in der libanesischen Hauptstadt wurde selbst von dem Beschuldigten eingestanden. Das Schweigen der deutschen Behörden zu „Sam“ wird also immer mehr zur Farce.

Neue Fakten der New York Times

Zumal der Bericht der New York Times mit weiteren brisanten Details aufwartete. Zu „Sam“ heißt es dort:

Auf Bitte der deutschen Geheimdienstbehörden hält die New York Times den Namen des Mitarbeiters zurück, weil er oft mit verdeckten Operationen betraut ist. Nach Angaben eines langjährigen Kollegen nehme er regelmäßig ‚heikle’ Aufgaben wahr und erledige die ‚schmutzige Arbeit’ für den deutschen Auslandsgeheimdienst.

Aus dem Bericht der New York Times

Doch auch eine andere Stelle des Berichtes dürfte die bisherigen Darstellungen der deutschen Ermittlungsbehörden und der Regierung erschüttern. So habe al-Masri nach seiner Festnahme in Makedonien darum gebeten, die deutsche Botschaft zu informieren. Das habe man getan, habe die Antwort eines seiner Bewacher gelautet: „Aber sie wollen nicht mit Ihnen reden.“ Bislang hatte es in Berlin geheißen, man habe bis kurz vor der Freilassung Khaled al-Masris nichts von dem Fall gewusst.