Hinter den Kulissen der Teheraner Nuklear-Vereinbarung
- Hinter den Kulissen der Teheraner Nuklear-Vereinbarung
- Teheran will die Bombe
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Mit dem Nuklear-Deal setzt Irans Führung das Doppelspiel fort, Sanktionen könnten gesellschaftliche und soziale Unruhen beschleunigen, die die iranische Opposition nutzen kann
Scheinbar in letzter Minute kam die Vereinbarung über einen Nuklear-Deal zwischen dem Iran, der Türkei und Brasilien zustande. Der Deal ist sowohl auf nationaler wie auch regionaler und internationaler Ebene, völlig abgesehen von den iranischen "Absichten", als positiv zu bewerten und willkommen. Die Rahmenbedingungen, die Teheran zu diesem selbstverschuldeten, scheinbar demütigenden verspäteten Rückzug bewegt haben, gepaart mit der schwersten innenpolitischen Krise des Landes seit 1980/81, lassen darauf schließen, dass die Islamische Republik gemäß ihrer eigenen aggressiven martialisch-diktatorischen Essenz nur die Sprache der Drohung und Gewalt versteht. Ist dieser Schritt Teherans glaubwürdig oder stecken wieder kaltblütig-täuschende Kalkulationen dahinter?
Was in Teheran am Montag zwischen Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdo?an und dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva vereinbart und der Welt festlich auf einer Pressekonferenz präsentiert wurde, ist nichts anders als der Vorschlag des ehemaligen Direktors der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammad el-Baradei, vom vergangenen Oktober.
Er sah vor, dass der Iran rund 1.200kg auf 3,5% leicht angereichertes Uran (LEU: low-enriched uranium) nach Russland schicken soll. Das entspricht 75% der iranischen Gesamtvorräte (1.500kg), die nach weiterer Anreicherung auf 90% (HEU: highly-enriched uranium) zum Bau von Atombomben benutzt werden können. In Russland sollte das Uran auf 20% angereichert, in Frankreich zu Brennstäben verarbeitet und dann an den Iran zurückgeliefert werden. Sie würden als nuklearer Brennstoff für den Betrieb eines Forschungsreaktors in Teheran benötigt, der Isotope für medizinische Zwecke, insbesondere für die Behandlungen von Krebserkrankungen, produziert. Der Reaktor wurde bisher mit argentinischem Brennstoff versorgt, der aber nur noch für ca. zwei Jahre reicht. Würde der Iran Technik und Equipment (genügend funktionierende Zentrifugen) für die Anreicherung auf 90% besitzen, könnte er aus 1.200 kg leicht angereichertem Uran etwa 50 bis 60 kg HEU gewinnen. Da für die Herstellung einer Atombombe etwa 25 kg HEU notwendig ist, könnte Teheran 3 Atombomben bauen. Der Transfer von 1.200 kg LEU ins Ausland hinderte den Iran zumindest für ca. eineinhalb bis zwei Jahre daran, eine Atombombe bauen zu können. Und weil der Iran täglich 2,77kg LEU produziert, würde das Land die 1.200 kg ins Ausland transferiertes Uran erst ersetzen müssen.
Denn die restlichen 300kg wären zu wenig, um genügend auf 90 % angereichertes Uran für den Bau einer Atombombe zu haben. Noch im Dezember verkündete Ahmadinedschad zusätzlich zur klaren Ablehnung des Vorschlages: "Mit der Gnade Gottes wird die iranische Nation auch selbst auf 20% angereichertes Uran produzieren und auch alles Weitere, was sie benötigt". Er verkündete zugleich den Bau von weiteren 10 Nuklearanreicherungsanlagen derselben Art wie der in Natanz (Flucht nach vorne, ohne Rücksicht auf Verluste).
Nun sieht die Vereinbarung vor, dass Iran leicht angereichertes Uran in die Türkei statt nach Russland transferiert, was dort unter IAEA-Aufsicht gestellt wird. In Artikel 5 der Vereinbarung, die 10 Artikel umfasst, verpflichtet sich der Iran zum Transfer von 1.200 kg LEU in die Türkei. Gemäß Art. 6 muss der Iran binnen 7 Tagen nach der Vereinbarung der IAEA sein Einverständnis mit der Vereinbarung erklären. Iran und die "Wiener Gruppe" (USA, Russland, Frankreich und IAEA) verhandeln dann über die Details und deren Durchführung. Laut Art. 7 verpflichtet sich die Wiener Gruppe, Iran für den Transfer seines leicht angereicherten Urans innerhalb eines Jahres 120 kg auf 20% angereichertes Uran für den Teheraner Forschungsreaktor zur Verfügung zu stellen. Bis dahin reicht noch das 1993 aus Argentinien bezogene Uran.
Der überraschende "Durchbruch"
Die Islamische Republik nutzte den Gipfel der G-15- Staaten, der vom 15. bis 17. Mai in Teheran stattfand, um einen Durchbruch im Nuklearstreit zu erzielen und somit einer nahezu sicher bevorstehenden verschärften UN-Sanktionsresolution zuvorzukommen. Zu den Teilnehmern zählten der türkische Ministerpräsident Erdo?an und der brasilianische Präsident da Silva, deren Länder beide derzeit nicht-ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sind. Über da Silva und Erdo?an haben die USA und auch Russland die Botschaft an den Iran übermitteln wollen, dass es die "letzte Chance" sei.
Die gewieften Iraner wollten den G-15-Gipfel zu einer Solidaritätsveranstaltung mit dem Iran umwandeln. Da Russland und China nun scheinbar die Seiten gewechselt haben und eine Sanktionsresolution gegen den Iran unterstützen wollen, haben die Iraner in Brasilien und der Türkei neue Verbündete gefunden, um wenigstens dadurch die Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat zu stören. Erdo?an ahnte den iranischen Trick und erklärte schon am 14. Mai, er habe kein Interesse, in den Iran zu reisen, weil der Iran ihm keine konkreten Details über den Transfer seines Urans unterbereitet habe.
Um ein Scheitern der Konferenz zu verhindern und ebenfalls mit einem Blick auf baldige UN-Sicherheitssitzung übermittelten die Iraner Erdo?an doch ihr Einverständnis zum Uran-Transfer. Erdo?an eilte schnell noch am Montag in den Iran und besiegelte die Vereinbarung mit.
Nukleartechnisch nutzt der Deal dem Iran wenig
Der Teheraner Forschungsreaktor aus dem Jahr 1959, mit einer Leistung von nur 5 MW, ist die erste Nuklearanlage Irans überhaupt, hat längst seine Ablaufzeit überdauert (die Betriebsdauer von Atomreaktoren beträgt in der Regel 25 Jahre) und besitzt eigentlich keine besondere Bedeutung in Irans Nuklearprogramm. Die Anlage arbeitet mit auf 20 % angereichertem Uran und dieses wurde 1993 aus Argentinien gekauft. Die damals erworbenen 23 kg reichen noch bis 2012. Dass nun dem Iran 120 kg in Aussicht gestellt wurden, ist absurd, da erstens die Menge nicht gleichwertig ist wie die in die Türkei zu transferierenden 1.200 kg. Andererseits kann der Iran diese 120 kg kaum für den Teheraner Reaktor gebrauchen. Der iranische Nuklearexperte Prof. Reza Taghizadeh (Glasgow) bringt das mit Zahlen auf den Punkt:
Die 120kg auf 20% angereichertes Uran reichen für mehr als 100 Jahre. Die extrem veraltete Teheraner Anlage werde aber in ein paar Jahren schließen müssen. Die 1.200 kg auf 3,5% angereichertes Uran, die der Iran in die Türkei transferiert, entsprechen etwa 42 kg Uran mit einer Anreicherung auf 100%. Die 120 kg auf 20% angereichertes Uran, die Teheran im Gegenzug erhält, entsprechen nur 24 kg Uran mit einer Anreicherung auf 100%. Iran müsste also für die Uranmenge, die er in die Türkei schickt, ca. 210 statt der vereinbarten 120 kg auf 20 % angereichertes Uran erhalten. Laut Taghizadeh kann der von Argentinien gelieferte Brennstoff bzw. das, was der Iran bald im Gegenzug bekommen soll, nur in einem alten Reaktor wie im Teheraner verwendbar sein. Dagegen kann die leicht angereicherte Uranmenge Irans die Kapazität zur Hochanreicherung besitzt, im Reaktor von Bushehr verwendet werden und ebenfalls den militärischen Zwecken dienen. Hinzu kommt, dass die produzierte Uranmenge, insgesamt 1.500 kg, das Land insgesamt 20 Jahre und Milliarden US-Dollar gekostet haben.
Reza Taghizadeh in Iran Emrooz
Die Islamische Republik hat bereits 2006 ein Angebotspaket über den damaligen EU-Außenbeauftragte Javier Solana erhalten, in dem er alle Kosten im Rahmen des Pakets erstattet erhalten würde. Das Paket enthielt die Modernisierung der maroden iranischen Industrie, Investition im veralteten iranischen Energiesektor, enge ökonomische Kooperation mit Europa und etliche andere Konzessionen. Dafür hätte der Iran seine Anreicherungsaktivitäten vorläufig einstellen müssen. Von 2006 bis heute hat das Land vier UN-Resolutionen (davon drei Sanktionsresolutionen) über sich ergehen lassen müssen. Nun geht man auf einen Deal ein, der keine vergleichbaren Inhalte wie in Solanas Angebotspaket enthält und wofür man nur eine Menge de facto unbrauchbarer Brennstäbe für eine ausgediente Anlage bekommt. Der Deal ist eigentlich ein herber Verlust für den Iran.
Es steht außer Zweifel, dass die Islamische Republik, entgegen der unermüdlichen offiziellen Verlautbarungen, vernichtende Schläge aufgrund der UN-Resolutionssanktionen, aber vor allem des US-Embargos erlitten hat. Weitere verschärfte Sanktionen gerade in der Zeit gefährlichster innenpolitischer Krise kann die Führung in Teheran nicht gebrauchen. Diesmal können die Mullahs darüber hinaus nicht mehr auf Russland und China als "Zweckverbündete" im UN-Sicherheitsrat rechnen. Nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe der Vereinbarung erklärte Außenamtssprecher Ramin Mehmanparast, dass der Iran sein Urananreicherungsprogramm fortsetzen. Zudem wurde der Bau einer weiteren Urananreicherungsanlage verkündet. Das Doppelspiel wird insofern sehr kritisch, weil die Islamische Republik seit Februar die Urananreicherung von 3,5 auf 20 % begonnen hat. Die Anreicherung auf 20 % verkürzt die zeitliche Dauer zur Erlangung hoch angereicherten Urans um die Hälfte. Zudem muss man in Betracht ziehen, dass die 1.500 kg Gesamtvorrat den Stand vom vergangenen September/Oktober darstellt und sich die Vorräte in diesen 8/9 Monaten vermehrt haben dürften. Der Iraner Said Ghaseminedschad berechnet die aktuelle Menge auf ca. 2.300 kg, was mit der täglichen Produktion von 2,77 kg fast übereinstimmt.
Im Prinzip sind somit die Anreicherungsaktivitäten das Problem und nicht die zu transferierende Menge an Uran. Die Fortsetzung des Urananreicherungsprogramms schmälert die Bedeutung des Teheraner Deals immens. Obendrein könnte Teheran die Vereinbarung kippen oder später bei den Verhandlungen mit der Wiener Gruppe Bedingungen stellen und somit wieder Zeit schinden. Darin ist das Mullah-Regime ein Meister. Die "Wiener Gruppe" hat das begriffen und nun wird es scheinbar doch zu einer Sanktionsresolution kommen, deren Inhalte noch nicht detailliert bekannt sind.