Flucht nach vorne, ohne Rücksicht auf Verluste

Auf Kriegskurs? Iran, der Atomstreit und der Widerstand

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Die Islamische Republik Iran lehnt weitere Verhandlungen im Atomstreit ab und will die internationale Staatengemeinschaft künftig, bis zur„Klärung rechtlicher Fragen“ mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), nicht mehr über neue Nuklearanlagen informieren. „Mit der Gnade Gottes wird die iranische Nation auch selbst 20 Prozent angereichertes Uran produzieren und auch alles Weitere, was sie benötigt“, so der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad nur zwei Tage nach der Verabschiedung der Resolution in Isfahan.

Das ist, zusammen mit der überraschenden Ankündigung des Baus von weiteren 10 Nuklearanlagen derselben Art wie der in Natanz, die Reaktion Teherans auf die IAEA-Resolution vom 27.11.2009. Die USA drohen Iran mit verschärften Sanktionen. „Das Jahresende wäre der letzte Termin", erklärte Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs.

Spiel auf Zeit

Dabei hatte alles noch vor einem Monat so hoffnungsvoll ausgesehen. Irans Chefunterhändler Said Dschalili hatte auf Verhandlungen in Genf und Wien den Vorschlag des scheidenden IAEA-Direktors Mohamed El-Baradei angenommen (siehe Countdown für den Gottesstaat). In Teheran wurde Ahmadinedschad, der auf deutliche Kritik der Konservativen im Parlament gestoßen war, vom Religionsführer Ayatollah Seyed Ali Khamenei, dem die „Festlegung der allgemeinen politischen Richtlinien der Islamischen Republik Iran“ obliegt, zurückgepfiffen.

Teherans fortgesetztes „Spiel auf Zeit“ (siehe Iran: Spiel auf Zeit) strapazierte selbst die Geduld des IAEA-Direktors El-Baradei, der in seiner Amtszeit alles unternommen hat, um den kriegswilligen Hardlinern in Washington und Israel keinen Vorwand für einen Waffengang zu liefern. Am 27. November, drei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit, verabschiedete die IAEA unter seiner Direktion die bereits von den 5+1-Staaten (5 ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland) vorgeschlagene Resolution, in der der Iran aufgefordert wird, seinen Nuklearkurs zu stoppen und die Arbeiten an der neuen, bis November geheim gehaltenen, Urananreicherungsanlage in Fordo bei Ghom einzustellen.

Nach den umstrittenen iranischen Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni kommt das Land innenpolitisch nicht zur Ruhe. Es sieht so aus, als ob das Teheraner Regime keine Skrupel hat, an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen zu wollen. Doch scheinen die beiden Fronten (innen- und außenpolitisch) um mehrere Nummern zu groß für ein Regime, das anscheinend den Realitätssinn verloren hat und bereit zu sein scheint, das eigene Land und die Region in ein unvorhersehbares Desaster zu ziehen.

Der Nuklearstreit

Aus der juristischen Perspektive hatte der Iran mit der Verheimlichung seiner Nuklearaktivitäten, die erst 2003 aufflogen, gegen den Atomsperrvertrag von 1968 (seit 1970 in Kraft) und das Kontrollabkommen (Safeguard Agreement), denen der Iran bereits in der Schah-Zeit beitrat, verstoßen. Iran unter Präsident Mohammad Khatami gab den Verstoß zu und setzte fortan auf möglichst kooperative Verhandlungen mit der IAEA.

Im Dezember 2003 unterzeichnete die Regierung Khatami ein Zusatzprotokoll (Additional Protocol 1997), das den IAEA-Inspektoren unangemeldete „anywhere-anytime-Inspektionen“ der Nuklearanlagen ermöglicht. Der ganze Mechanismus dient dem Zweck, dass kein Nuklearmaterial für nicht-zivile Zwecke missbraucht wird. Laut den IAEA-Verträgen stellen der Plan zum Bau von Anlagen bzw. der Beginn der Bauarbeiten allein keinen Verstoß dar. Für einen gewissen Zeitpunkt (spätestens 180 Tage) vor der Lieferung von Nuklearmaterial in diese Anlagen gilt eine Meldepflicht.

Somit begeht Ahmadinedschads mit der Verkündung des Baus von 10 weiteren Urananreicherungsanlagen keinen Vertragsbruch. Streng juristisch gesehen hat Teheran keine Verpflichtung zur Erfüllung des Zusatzprotokolls, da eine Ratifizierung durch das iranische Parlament noch nicht erfolgt und das Protokoll für den Iran damit noch nicht in Kraft getreten ist. Die jahrelange Kooperation mit der IAEA hinsichtlich der relativ flächendeckenden Inspektionen hätte der Iran streng genommen nicht hinnehmen müssen.

Hinzu kommt, dass El-Baradei in seinen doppeldeutigen Aussagen stets von Besorgnissen der IAEA, aber mangelnden Beweisen für den militärischen Charakter des iranischen Atomprogramms sprach.

Gefährliche Kombinationen

Was das iranische Atomprogramm für die internationale Sicherheit gefährlich macht, ist die Kombination dieses Programms mit den System- und Herrschaftsstrukturen des Gottesstaates. Das System der Velayat-e Faqih (Herrschaft des Rechtsgelehrten) kennt keine moralischen, religiösen und gesetzlichen Schranken und hat für internationale Geflogenheiten und Vereinbarungen wenig übrig. Dieses System hat Ahmadinedschad als Präsidenten hervorgebracht, der sukzessiv durch die von Khamenei wohlwollend hingenommene Übermacht der Sepah-e Pasdaran (Revolutionswächter) eine Art „Velayat-e Nezami“ (Herrschaft der Militärs) einsetzt.

Alle Aktivitäten des Regimes, seien es martialische Reden oder permanente Militärmanöver, besonders die seit Ahmadinedschad intensiv durchgeführten Raketentests, werden in Verbindung mit dem Atomprogramm zu Recht vom Ausland als besorgniserregend angesehen. Nach den Folgen der Wahlen vom Juni und der brutalen, noch andauernden Niederschlagung der Proteste zweifeln die oppositionellen Reformer stark an der Friedfertigkeit der Nuklearpläne. Kaum jemand im Iran glaubt dem Regime, dass mit der Kernenergie Strom zum Wohlergehen der Bevölkerung, deren elementare Bürgerrechte barbarisch mit Füßen getreten werden, produziert werden soll.

In Teheran herrscht eine politische Kaste aus Militärs (Sepah und Bassidsch), ultrakonservativer Geistlichkeit und ihrem zivilen Anhang, an deren psychischer Gesundheit höchste Zweifel angebracht sind. Ein Blick auf die erstaunlich welt- und realitätsfremden Äußerungen höchster Amtsinhaber, ziviler und klerikaler, offenbart die unglaubliche Dimension der Dramatik eines Landes, das von dieser Kaste regiert wird. Ahmadinedschads jüngster Coup in dieser Hinsicht war vergangene Woche seine Rede in Isfahan. Im Kontext der westlichen Militärpräsenz im Irak sagte er:

Sicher haben sie es auf das Öl und den Reichtum dieses Landes abgesehen. (…). Wir haben aber stichhaltige Beweismittel und Dokumente, aus denen hervorgeht, dass sie (die Amerikaner) glauben, dass ein Mitglied aus der Prophetenfamilie hier (im Irak) erscheinen wird, der die Wurzel der Ungerechtigkeit in der Welt austrocknen wird. Alle ihrer Pläne zielen darauf ab, um das Auftreten dieses Erlösers (Imam Mahdi) zu verhindern. Und sie wissen genau, dass die iranische Nation Wegbereiter dieses Ereignisses gewesen ist. Wir haben Beweismaterial, dass die Amerikaner die Erscheinung des Imam Mahdi verhindern wollen.

Bluff

In Isfahan hat er bei einer anderen Veranstaltung erwähnt, der Iran sei bereit für Verwaltung und Management der Welt. „Wir haben zwei Aufgaben, den Aufbau Irans und dann die Vorbereitung für den Eintritt in das Weltmanagement“. Psychologen mögen sich mit dem Phänomen „Ahmadinedschadismus“ auseinandersetzen.

Lüge, Betrug und Bluff waren immer integraler Bestandteil der Kultur iranischer Regierenden. Grassierender Betrug und eine Lügenkultur schiitisch-religiöser Provenienz fingen bereits mit dem Gründer der Islamischen Republik an, der am Vorabend der Revolution Gewährleistung von Bürger- und Menschenrechten für alle Iraner aller ethnischen, religiösen und politischen Gruppen sowie auch unentgeltliche Strom- und Trinkwasserversorgung aller Bürger versprach. Sein Wortbruch, begleitet mit stufenweise brutaler Niederschlagung aller oppositionellen Kräfte, rechtfertigte er kurz nach der Machtübernahme mit „Taqiyya“ (schiitisches Prinzip der Täuschung und Verheimlichung) zwecks Gründung und Aufrechterhaltung des Gottesstaates. Khomeinis Lügen waren jedoch selten dumm, primitiv und völlig weltfremd.

Sie waren zum Zeitpunkt der Äußerung logisch-realistisch, wogegen keine widerlegenden Nachweise vorlagen. Ahmadinedschad lügt am helllichten Tag in der Öffentlichkeit ohne Verlegenheit und Schamhaftigkeit, obschon alle Beweise dagegen sprechen. Eine derartige öffentliche, tagtäglich Lügenverbreitung ohne Scham und Skrupel von führenden Verantwortlichen hat es vor der Ära Ahmadinedschad in diesem Ausmaß mitnichten gegeben. Man kann von einem Phänomen „Ahmadinedschadismus“ sprechen, das sich auf eine neue Qualität der Betrug- und Lügenkultur sowie auf die entfesselte Gewaltbereitschaft zur Aufrechterhaltung des Regimes stützt.

Vor diesem Hintergrund darf nicht das Misstrauen am iranischen Wort über die Friedfertigkeit seines Nuklearprogramms von der Hand gewiesen werden. Der Gottesstaat hat sich bereit unmittelbar nach der Geburt mit dem Teheraner Geiseldrama und der Besetzung der US-Botschaft im November 1979 als ein neues Phänomen auf dem internationalen Parkett erwiesen. Der diplomatische Reifeprozesses erfolgte insbesondere in der Ära des Reformpräsidenten Mohammad Khatami.

Im August 1998 nahmen die Taliban die letzte Bastion der afghanischen Nordallianz, die Stadt Mazar-e Scharif, ein und richteten ein Massaker unter der Stadtbewohnern an, bei der auch 9 iranische Diplomaten exekutiert wurden. Die radikalen Mullahs und hitzköpfige Sepah-Kommandeure setzten Khatami für einen Waffengang gegen Afghanistan unter heftigen Druck. Massierte Sepah-Divisionen warteten an der Grenze auf den Befehl, in Afghanistan einzumarschieren.

Ein Abenteuer, an der die Supermacht Sowjetunion letztendlich zerbrach. Die Reformregierung überstand den Druck und wendete die Taliban-Falle ab. In der Hitze des diplomatischen Reifeprozesses erscheint auf einmal Ahmadinedschad aus dem heiteren Himmel. Ahmadinedschads Diplomaten ernten Spott und Häme der Weltöffentlichkeit. Die Projektion der Lügenkultur ins auswärtige Verhalten in Verbindung mit der Bereitschaft, notfalls das Land in einen sinnlosen Krieg zu ziehen, macht die gegenwärtige Lage extrem bedrohlich. Der französische Außenminister Bernard Kouchner bezeichnete die Ankündigung der iranischen Baupläne für weitere 10 Reaktoren als „kindisch“ und „extrem gefährlich“. „Dieses Regime schließt sich ein. Es hört leider weder auf sein Volk noch auf die internationale Gemeinschaft“, brachte Kouchner es auf den Punkt.

Zweckverbündete nehmen Abstand - russisches Roulette für den Iran

Der IAEA-Resolution haben auch Russland und China mitgetragen. „Russland hat mit der Zustimmung zur Resolution einen Fehler gemacht“, verschwieg Ahmadinedschad sein Ärgernis nicht. Die Russen sind ohnehin die großen Nutznießer des Nuklearstreits. Sie sind heute Irans größter Waffenlieferant, wissen um ihre Bedeutung für den weltweit isolierten Iran und wollen andererseits den Westen nicht verärgern.

Der spektakulärste Handelsbetrug russischer Couleur war der Fall der „Arctic Sea“ (siehe Ostseepiraterie oder Waffenschmuggel?). Die Russen wollten den Westen und Israel mit dem Verkauf der modernsten S300-Luftabwehrraketen an den Iran nicht empören und andererseits auf das Milliardengeschäft auch nicht verzichten. Der russische Frachter „Arctic Sea“ wurde mit einer vermeintlichen Holzbeladung und den S300 Raketen mit Kurs auf den Iran Ende Juli höchstwahrscheinlich mit Unterstützung des Mossad von Russland selbst entführt und die Fracht nach Russland zurückgebracht.

Die Russen, die die Milliarden US-Dollar bereits kassiert haben, antworteten auf die iranische Proteste, dass man der Vertragsverpflichtung nachgekommen sei und dass man nach der Frachtverladung keine Verantwortung mehr für das spektakuläre wochenlangen Verschwinden des Frachters trage. Der Fall „Arctic Sea“ war von derart immenser Bedeutung, dass Premier Benjamin Netanjahu Anfang September einen geheimen Blitzbesuch nach Moskau unternahm.

Netanjahus überraschender Besuch in Moskau vor dem Hintergrund des intensiven gegenseitigen Säbelrasselns ist ein gefährliches Signal und lässt auf etwaige israelische Angriffspläne gegen den Iran schließen.

Die S300-Raketen könnten den israelischen Angreifern herbe Verluste beibringen. Andererseits ist die russisch-chinesischer Zustimmung zur Resolution zu begrüßen. Das liefert zumindest einen Aufschub für einen evtl. geplanten israelischen Militärschlag. Umso gefährlicher ist der überhastete „kindische“ Bluff Ahmadinedschad hinsichtlich des Baubeginns von 10 Urananreicherungsanlagen.

Ein Bluff, der aber nun die IAEA veranlasst, zusätzlich zu dem Reaktor von Ghom auch noch Erklärung über die neu angekündigten zu fordern. Der Iran hat mit gerade einmal ca. 4000 intakte Zentrifugen in Natanz begrenzte Möglichkeiten und kann nicht binnen zwei Monaten mit dem Bau von 10 neuen Anlagen beginnen, so wie Ahmadinedschad angeordnet haben soll. Von insgesamt 8692 Zentrifugen in der Anlage Natanz sind nur 3936 funktionsfähig.

Barack Obama unter Druck

Zusätzlich zur israelischen Gefahr gibt es auch leise Hinweise auf die sukzessive Bereitschaft der Obama-Administration für einen „notwendigen“ Angriff auf den Iran. Obama wird heftig von renommierten konservativen US-Think-Tank-Zentren unter Druck gesetzt. „Time is running out“ ist der Titel eines Papers von zwei Senatoren und eines pensionierten Generals vom vergangenen September.

Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit eines US-Militärangriffs vor den Ergebnissen der IAEA-Resolution und der höchstwahrscheinlich folgenden Sanktionsresolution des UN-Sicherheitsrats schwer möglich, was man von einem israelischen nicht sagen kann. Teheran gießt zusätzlich Öl ins Feuer. Die Ignoranten, die im Inland mit ihrer Gewaltmaschinerie die Kultur des Betrugs und der Lüge zu errichten versuchen, bellen nach Außen mit nicht verminderter Härte, mit dem Unterschied, dass ihnen ihre Gewaltmaschinerie nach außen nicht helfen kann. „Der (Religions-) Führer der Islamischen Republik hat alle erforderlichen Vorkehrungen für die Abwehr eines militärischen Angriffs getroffen“, so Irans Chefunterhändler für Nuklearangelegenheiten am 3. Dez. zu der palästinensischen Delegation in Damaskus.

Die Islamische Republik werde die Kritik der internationalen Gemeinschaft ignorieren und ihr Atomprogramm fortsetzen, so Dschalili. Ein prominenter iranischer Journalist, der im Iran seit den Wahlen samt Familie im Versteck lebt, mahnte die Iraner, mit Verantwortung und reger friedlicher Präsenz in der Öffentlichkeit die Machtbesessenen daran zu hindern, das Land wie eine Farm in Brand zu stecken und zu gehen.

Opposition und Hoffnung

Das System der Velayat-e Faqih, zumindest in dieser bestehenden Konstellation, kann sich nur noch mit Zuhilfenahme seiner Gewaltmaschinerie halten (siehe Die Waffen-SS und die "Schwarzhemden" der Islamischen Republik Iran). Die Anwendung der entfesselten Gewalt, Betrug und Bluff nach innen und außen deuten deutlich auf Furcht des Regimes, das sich nach dem Überleben von etlichen schweren Krisen diesmal schwer übernommen hat.

Irans Transformationsprozess zu einem demokratischen Wandel führt sicherlich über die „Grüne Bewegung“. In einem Appell an Sepah und Basidsch warnte der Oppositionsführer Mirhossein Mousavi vor ihrer totalen Diskreditierung. „Es war bei eurer Gründung nicht vorgesehen, dass ihr zur Gewaltmaschinerie zur Niederschlagung der Bevölkerung mutiert“, so Mousavi. Die Oppositionsführung gibt klar zu verstehen, dass die Wahl nicht abgehakt ist. „Die Wähler sehen das so, und wir folgen ihnen“, so die Oppositionsfraktion im Parlament.

Ali Akbar Hashemi Rafsandschani

Die Oppositionsführer unternehmen alles, um die Bewegung von radikaler Entgleisung, die das Regime ausnutzen könnte, zu schützen. An dieser Stelle wäre eminent wichtig, dass die Führung der Opposition deutlich von Verzicht auf Rache- und Vergeltungsgelüste sowie die Thematisierung der Abschaffung der Todesstrafe und faire Prozesse im Falle eines Wandels spricht. Das ist eine wichtige Botschaft an die Adresse der Sepah- und Bassidschmanschaften und Kommandeure, die Racheakte im Falle einer Aufgabe fürchten.

Proteste am „Tag der Studenten“

Am Montag hat die Grüne Bewegung noch einmal ihre Entschlossenheit zum Kampf für Freiheit und Demokratie unter Beweis gestellt. Am nationalen „Tag der Studenten“ (1953, wenige Monate nach dem Putsch gegen Mohammad Mossadeq, den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Irans, wurden 3 Studenten von Geheimpolizisten des Schahs erschossen) kam es trotzt intensiver Vorkehrungen der Sicherheitskräfte zu heftigen Straßenschlachten zwischen Studenten und sich ihnen angeschlossenen Bürgern mit Regimekräften und Regime treuen Studenten.

Die Bewegung nimmt andere Dimensionen an, denn in manchen Städten (z. B. in Rascht im Nordiran) machte Bazar die Geschäfte zu und schloss sich den Studenten an. Die Demonstranten skandierten überall „Tod dem Diktaror“. Weitere religiös-historische Jahrestage stehen kurz bevor. In 10 Tagen beginnt der heilige islamische Monat Moharram. Entscheidend für die Schiiten sind die Gedenktage Tasua und Aschura, der 9. und zehnte Tag Moharrams (das Ereignis des Märtyrertums des 3. schiitischen Imam Husseins). Nach den großen Demonstrationen an den beiden schiitischen Gedenktagen Tasua und Aschura 1978 (10. und 11. Dezember 1978) mit mehr als 3 Millionen Teilnehmern wurde dem Schah klar, dass die Monarchie nicht mehr zu halten ist.

Die Islamische Republik ist am Ende, nur der Tag des Jubels der Iraner steht noch nicht fest. Die Zeit spielt gegen die Iraner, den Iran, die Region und den internationalen Frieden. Der Autor geht von der These aus, dass es für Israel wünschenswert ist, dass auch ein Iran unter „Grüner Führung“ an keinem Nuklearprogramm arbeitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die nicht gerade gemäßigte Regierung in Israel die gegenwärtige Lagem und die erschütterte Legitimität des Teheraner Regimes nutzt, um das „Nuklearproblem“ aus der Welt zu schaffen, erscheint dem Verfasser dieses Beitrags nicht abwegig. Denn, nach einem Sieg der Opposition und einem demokratischen Wandel im Iran wird das Duo Netanjahu & Lieberman für einen Angriff auf den Iran keine Legitimationsgründe mehr haben. Am Montag hob Netanjahu hervor, dass Israel die verloren gegangene Legitimität des Teheraner Regimes immens zugute gekommen ist.

Hoffnung

Die „Grüne Bewegung“ ist die einzig hoffnungsversprechende Rettung des Iran. Sie ist für Demokratie und entschieden gegen Krieg. Darum ist es im Interesse der internationalen Gemeinschaft, sie zu unterstützen. Betonköpfige Exil-Iraner, die eine töricht übertriebene Glorifizierung der prä-islamischen Zeit Irans betreiben und in ihrem chauvinistischen Übereifer nostalgisch die Rückkehr einer weit zurückliegenden „arisch-persischen“ Vergangenheit herbeisehnen, haben keinen realen Bezug zu ihrem Heimatland. (siehe Verschwörungsdenken und falsche Wahrnehmung der Realität). Diese Auslandsiraner stigmatisieren objektive Analysen als Propaganda für Islam und Islamismus.

Fakt ist, dass der Iran mit seinem dreitausendjährigen zivilisatorischen Hintergrund im Jahre 2009 von einem ignoranten Steinzeitgeistlichen regiert wird, der im Namen Gottes richtet, und einem Präsidenten, der sich täglich zum Gespött der Welt macht. Beide, Khamenei und Ahmadinedschad, sind keine Erzeugnisse eines „externen“ Blitzschlages auf den Vielvölkerstaat Iran. Sie sind Produkte der iranischen Geschichte, Kultur und Gesellschaft. Andererseits sind westliche Ultralinke, die Ahmadinedschad aufgrund seiner martialischen Parolen gegen die USA Bewunderung zollen, naive Traumtänzer. Vielleicht verfliegt das alles, wenn es ernst wird, wie einst beim Schreihals Saddam Hussein und zurück bleibt die verbrannte Farm.

Ein Trost bleibt, dass sich diese (iranische) „Fraktion der Träumtänzer“ in der Diaspora eine kleine Minderheit bildet. In Teheran sind die „Grüne Bewegung“ und ihre Führung weitaus weiter als Diaspora-Iraner (die sich nun erfreulicherweise mehrheitlich und überzeugt hinter die „Grüne Bewegung“ stellen) und gehen zielstrebig und mutig ihren Weg. Irans Oppositionsführer sind, trotz ihrer teilweise kritikwürdigen Vergangenheit, aufrichtig genug, um im Falle einer Machtübernahme kein Hindernis für eine Regierungsform darzustellen, die sich das Volk wünscht. Zu dieser Einsicht ist selbst ein Rafsandschani gelangt:

Die Iraner sind Muslime und gottgläubig. Wenn sie uns wollen, bleiben und regieren wir. Wenn nicht, dann gehen wir.