Historisch: Über 1.600 Institutionen mit 41 Billionen Dollar ziehen Geld aus Kohle, Gas, Öl
Seite 2: Funktioniert Divestment?
Studien zeigen, dass andere Investoren die Lücke zwar geschlossen haben, wie nicht anders zu erwarten war. Aber es gehe der Kampagne, so die Organisatoren, wie bei der Isolation des Apartheidregimes in Südafrika in den 1980er-Jahren vor allem um den Imageschaden von stigmatisierten Unternehmen.
Mitinitiator Bill McKibben, Journalist, Umweltforscher und führender Klimaaktivist in den USA, wies darauf hin, dass man nicht auf den wirtschaftlichen, sondern politischen Bankrott abziele sowie darauf, den Einfluss fossiler Unternehmen zu schmälern. Sie sollten zu Außenseitern gemacht werden.
Das ist auch durchaus gelungen. Eine Untersuchung der Oxford Universität kommt sogar zu dem Schluss, dass es fossile Unternehmen aufgrund der Kampagne nun schwerer haben, Mitarbeiter zu finden, politischen Einfluss auszuüben und gelegentlich auch Kapital aufzutreiben.
Außerdem führte die Kampagne zu einer Einbeziehung von Menschen, die sonst kaum erreicht worden wären. Nicht jeder hat eine Pipeline, die durch seinen Hinterhof geht, oder ein Kohlekraftwerk in seiner Nachbarschaft. Aber jeder lebt in der Nähe einer Universität oder Kirche, die auf einem Berg von Geld sitzt, so die Aktivisten der Kampagne.
Die Idee breitete sich mit hoher Geschwindigkeit aus. Die irische Republik machte alle ihre öffentlichen Anlagen und die Stadt New York ihren Pensionsfonds in Höhe von 200 Milliarden Dollar "fossil free", weil Initiativen vor Ort Druck erzeugt hatten.
Finanzierung fossiler Projekte wird schwieriger
Zudem planen nun auch institutionelle Anleger, sich aus dem fossilen Geschäft zurückzuziehen. Die Angst vor einer Kohlenstoffblase nimmt stetig zu, bei der Investments in Öl, Kohle und Gas an Wert verlieren werden, ab dem Zeitpunkt, da die Politik die globale Energiewende einläutet, nicht nur auf dem Papier, sondern in der Realität.
Es gab Höhen und Tiefen in der Kampagne. Aber in den letzten vier, fünf Jahren ist wieder Schwung in die Sache gekommen. In weniger als zwei Jahren stieg die Zahl der Institutionen, die sich von ihren Vermögenswerten trennen, um 120, die zusammen 1,4 Billionen Dollar halten.
Die Bewegungen scheinen auch mehr und mehr direktere Effekte auf die Branche zu haben. Laut Bloomberg sind die "Kapitalkosten" für die Finanzierung neuer Projekte im Bereich der fossilen Brennstoffe in den letzten zehn Jahren steil angestiegen, und zwar von acht bis zehn Prozent auf rund 20 Prozent im Jahr 2021.
Im gleichen Zeitraum sind die Kosten für die Finanzierung erneuerbarer Energien von ebenfalls acht bis zehn Prozent auf drei bis fünf Prozent gesunken.
Will Hares, Analyst bei Bloomberg Intelligence, führt die gegenläufige Entwicklung auf die Förderung der sogenannten "ökologischen und sozialen Governance" (ESG) bei Investitionen zurück.
Ölunternehmen haben es zunehmend schwer, angesichts der zunehmenden ESG- und Nachhaltigkeitsbedenken Finanzmittel zu beschaffen, während die Banken unter dem Druck ihrer eigenen Investoren stehen, die Finanzierung fossiler Brennstoffe zu reduzieren oder einzustellen,
… sagt Hares.
Ohne Abkommen die Energiewende schaffen
Angesichts des erneut enttäuschenden Ergebnisses des Klimagipfels, der Ankündigung von COP28-Präsident Sultan Al Jaber, der auch Vorstandsvorsitzender der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate ADNOC ist, dass sein Unternehmen weiter in Öl investieren werde, der Freigabe von fossilen Bohrungen durch US-Präsident Joe Biden, dem LNG-Boom und der Aussicht auf eine zweite Präsidentschaft von Donald Trumps hoffen Kampagnen, dass man die Welt von fossilen Brennstoffen auch ohne staatliche Gesetzgebungen und internationale Abkommen wegbewegen kann.
In den USA könnte der Bundesstaat Kalifornien in Kürze ein Gesetz verabschieden, bei dem zwei Pensionsfonds keine weiteren fossilen Investitionen tätigen. ZUdem liegt die Hoffnung auf einer Beschleunigung der Energiewende von unten.
In Deutschland zeigt sich zum Beispiel, dass der Ausbau von Solar- und Windenergieanlagen den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Deutschland in diesem Jahr erstmals auf über 50 Prozent steigen ließ. Ein Rekordwert, der allerdings nicht ausreichend ist.
Denn man müsste das Tempo des Ausbaus ab jetzt mindestens verdoppeln, um überhaupt das offizielle Klimaziel für 2030 zu erreichen, so das Umweltbundesamt. Allerdings ist dieses Emissionsreduktionsziel der Bundesregierung bei Weitem nicht für das 1,5-Grad-Ziel ausreichend.
Es braucht also einen Turbo-Booster, um Deutschland wie alle reichen Länder auf Klimakurs zu bringen. Die Divestment-Kampagne ist, wie sich zeigt, eines von vielen guten und effektiven Mitteln, um den Umstieg auf Sonne und Wind zu beschleunigen.