Historische Begegnung beim Jupiter

Auf dem Weg zum Saturn holt die Raumsonde Cassini/Huygens noch einmal Schwung beim größten Planeten des Sonnensystems

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Was der italienische Gelehrte Galileo Galilei sah, als er im Jahr 1610 zum ersten Mal ein Teleskop auf den Himmel richtete, war nicht leicht zu verkraften. Vor allem seine Entdeckung, dass der Planet Jupiter von vier Monden umkreist wurde, erschütterte das damals noch gültige Weltbild, wonach die Erde den Mittelpunkt des Universums darstellte, in den Grundfesten. Galilei zog den Zorn der katholischen Kirche auf sich, die schließlich die Schande über ihn aussprach, seine Schriften verbrannte und ihn zu unbefristetem Hausarrest verbannte.

Jupiter, Foto: Cassini

Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass es fast fünfzig Jahre dauerte, bis jemand einen zweiten Blick riskierte. Der Niederländer Christiaan Huygens konstruierte ein verbessertes Teleskop und entdeckte damit im Jahr 1655, dass auch der Saturn einen Begleiter hat, den er "Titan" nannte. Außerdem interpretierte er die "Ausbuchtungen" am Saturn, die für Galilei ein Rätsel geblieben waren, als Ringe. In den siebziger Jahren führte er in Paris auch gemeinsam mit dem Leiter der dortigen Sternwarte, Giovanni Domenico Cassini, Beobachtungen durch. Es blieb jedoch Cassini vorbehalten, die später nach ihm benannte Lücke in den Saturnringen, die "Cassini-Trennung", sowie weitere Monde - Iapetus, Rhea, Tethys und Dione - zu entdecken.

Über dreihundert Jahre später haben Cassini und Huygens sich erneut auf eine aufregende Entdeckungsreise begeben - natürlich nicht die Wissenschaftler selbst, sondern die nach ihnen benannten Raumsonden. Im Juli 2004 sollen sie in eine Umlaufbahn um den Saturn einschwenken. Während Cassini den Ringplaneten vier Jahre lang umkreisen wird, wird Huygens sich am 6. November 2004 von der Muttersonde lösen, um drei Wochen später in die Atmosphäre des Titan einzutauchen und an einem Fallschirm auf dessen Oberfläche herabzusinken.

Zuvor steht aber noch eine historische Begegnung auf dem Programm: Am 30. Dezember dieses Jahres treffen Huygens und Cassini beim Jupiter auf Galileo. Denn die Sonde, die den Riesenplaneten seit dem 7. Dezember 1995 umkreist und dabei aufregende Entdeckungen gemacht hat, ist sinnigerweise nach dem großen Naturforscher und Entdecker der Jupitermonde benannt.

Cassini

Das Treffen muss man sich allerdings in kosmischen Dimensionen vorstellen: Cassini/Huygens werden in einem Abstand von 9,7 Millionen Kilometern und mit einer Geschwindigkeit von 11,6 Kilometern pro Sekunde am Jupiter vorbeirauschen, um hier noch einmal Schwung zu holen für die letzte Etappe der Reise. Keine günstigen Bedingungen für einen ausführlichen Gedankenaustausch zwischen Gelehrten. Dennoch eine einmalige Gelegenheit für die Wissenschaftler auf der Erde, einen der äußeren Planeten mit zwei Sonden gleichzeitig zu beobachten. Huygens bleibt dabei jedoch abgeschaltet. Die in Europa gebaute Sonde ist nicht auf Fernerkundung ausgerichtet, sondern soll während des Abstiegs zur Titanoberfläche physikalische und chemische Eigenschaften von dessen Atmosphäre bestimmen.

Cassini dagegen sendet seit dem 5. Oktober Bilder vom Jupiter. Es sind die ersten Aufnahmen der gesamten Planetenkugel durch Raumsonden seit denen der Voyager-Missionen von 1979. Galileo ist zu nah dran, um den gesamten Jupiter abbilden zu können.

Und Cassini leistet noch mehr. Denn seit den ersten, primitiven Teleskopen von Galilei und Huygens haben die Menschen nicht nur gelernt, schärfer und weiter zu sehen. Sie können mittlerweile auch Messungen außerhalb des Bereiches der menschlichen Wahrnehmung vornehmen - eine Errungenschaft, für die Christiaan Huygens ebenfalls entscheidende Vorarbeit geleistet hat: Er formulierte als erster die Wellentheorie des Lichts, die James Clerk Maxwell knapp 200 Jahre später zur Theorie des elektromagnetischen Feldes weiter entwickelte. Aufgrund dieser Forschungen können wir das sichtbare Licht heute als elektromagnetische Strahlung besonderer Frequenz begreifen, Beobachtungen in anderen Frequenzbereichen, etwa im Infrarot-, Ultraviolett- oder Röntgenbereich durchführen - und nicht zuletzt auch Raumsonden mittels Funksignalen steuern.

Neben Kameras und Spektrometern, die in verschiedenen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums sehr genau "Farben" (also verschiedene Frequenzen) unterscheiden können, verfügen die Raumsonden Galileo und Cassini über Sensoren, die Teilchen zählen und deren Zusammensetzung bestimmen sowie Magnetfelder messen können. Die meisten dieser Instrumente kommen auch während des Vorbeiflugs am Jupiter zum Einsatz.

Besondere Aufmerksamkeit widmen die Wissenschaftler der Beobachtung des Magnetfeldes vom Jupiter. Dabei interessieren sie sich vor allem für dessen Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind. Dieser von der Sonne ständig ausgestoßene Strom geladener Teilchen bewirkt nämlich Verformungen planetarer Magnetfelder, für deren Beobachtung die verschiedenen Positionen von Cassini und Galileo einzigartige Möglichkeiten bieten: Bis zum Zeitpunkt der größten Annäherung wird sich Cassini außerhalb des Jupiter-Magnetfeldes befinden und Änderungen des Sonnenwindes messen, während Galileo die Reaktionen des Magnetfeldes von innen beobachten kann. Diese Daten können ebenfalls für das Verständnis der Dynamik des irdischen Magnetfeldes hilfreich sein.

Die gleichzeitige Anwesenheit zweier Raumsonden im Jupiter-System ermöglicht es auch erstmals, den vom Jupitermond Io, dem vulkanisch aktivsten Himmelskörper des Sonnensystems, ausgehenden Staubstrom genauer zu bestimmen. Messungen an zwei weit auseinander liegenden Punkten erlauben ein präziseres Verständnis von dessen Intensität und Zusammensetzung. Weitere Untersuchungen betreffen die Jupiteratmosphäre und die feinen, von den Voyager-Sonden entdeckten Ringe. Zwölf Tage vor der größten Annäherung an den Jupiter wird Cassini am 18. Dezember außerdem an dessen Mond Himalia vorbei fliegen. Es ist die erste Gelegenheit, einen der äußeren Monde etwas genauer zu beobachten. Die Forscher erhoffen sich unter anderem eine Bestimmung seiner Rotationsperiode.

Nach der geschäftigen Begegnung beim Jupiter wird Cassini während der weiteren Reise zum Saturn nicht untätig bleiben. Mit Hilfe eines Funksignals von sehr konstanter Frequenz, das zwischen Erde und Sonde übertragen wird, hoffen die Wissenschaftler, Gravitationswellen nachweisen zu können. Der Allgemeinen Relativitätstheorie zufolge sollte eine solche Welle die Geschwindigkeit der Raumsonde und damit die Frequenz des Funksignals geringfügig verändern.

Knapp vier Jahre später wird es dann besonders spannend, wenn mit Huygens die erste europäische Sonde, die für die Landung auf einem anderen Himmelskörper konstruiert wurde, auf Titan herab sinkt. Etwa zweieinhalb Stunden wird der Abstieg dauern. Er könnte manche wissenschaftliche Sensation erbringen, etwa den Nachweis der ersten Regentropfen außerhalb der Erde. Die werden bei den dort herrschenden niedrigen Temperaturen allerdings nicht aus Wasser, sondern wahrscheinlich aus flüssigem Methan und Ethan bestehen.

Landung von Huygens auf Titan

Wissenschaftler vermuten, dass die Titan-Atmosphäre in vielerlei Hinsicht der Atmosphäre auf der Erde vor der Entstehung des Lebens entspricht. Dennoch rechnen sie nicht damit, Leben zu finden. "Wir suchen auf Titan nicht nach Leben", sagt Jean-Pierre Lebreton, Huygens-Projektwissenschaftler bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA. "Aber wir hoffen, durch die Untersuchung der Titan-Atmosphäre die organische Chemie besser zu verstehen, die auf der Erde schließlich zur Entstehung des Lebens geführt hat." (Es ist eine Maschine)

Christiaan Huygens, der Taufpate der Sonde, war da noch optimistischer gewesen. In seinem posthum erschienenen Werk "Cosmotheoros" vertrat er die Auffassung, dass es neben der Menschheit noch andere menschenähnliche Lebewesen geben müsse. Ansonsten wäre das Universum sinnlos und die göttliche Vorsehung unvernünftig, "da sonst die Erde sich eines zu großen Vorteils erfreue, wenn sie der einzige Ort im Universum wäre, der sich eines solch erhabenen Wesens wie des Menschen rühmen könne, und nicht nur der Pflanzen und Bäume und der anderen Tiere".