Historische Fake-News im ZDF
Seite 2: Unter falscher Flagge
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Auch sonst ist das Gesamtbild der von Regisseur Andreas Prohaska inszenierten Serie politisch wie ästhetisch deprimierend: "Nach Motiven" gleich zweier Bücher Buchheims haben die Autoren um den verantwortlichen Johannes Betz ("Die weiße Massai", "Hindenburg") sich eine kolportagehafte, mit oberflächlicher Action und Spannungsmache vollgestopfte Handlung ausgedacht, die schon fast unter falscher Flagge schippert, weil sie mit Buchheim/Petersen außer dem Titel kaum etwas gemein hat.
Schlimmer noch: Sie verrät alles Wesentliche des Stoffes. Denn was Petersens Film gerade so toll und so einmalig gemacht hat, war, dass man regelrecht spürt, wie es ist, in einem U-Boot zu stecken, der Kunst des Kapitäns und der Gunst des Krieges hilflos ausgesetzt zu sein. Man erlebt, das U-Boot als Druckkammer, fährt als Zuschauer selber in diesem U-Boot quasi mit.
Von alldem bleibt in der achtteiligen Serie - weiterhin abrufbar in der ZDF-Mediathek (die zweite Staffel ist für dieses Jahr noch angekündigt) - nichts übrig. Auf die U-Boot-Situation kann man sich gar nicht richtig einlassen, kaum ist man Boot, geht es schon wieder raus; alle zwei, drei Minuten springt die Handlung hin und her. Und meistens spielt sie überhaupt nicht im U-Boot, wie der Titel suggeriert, sondern an Luft und Land: Französische Widerständler kämpfen gegen Nazis und Kollaborateure.
"Ich freue mich, dass unser so erfolgreiches Projekt jetzt für eine neue Generation aufgegriffen wird. Aber Regisseur Wolfgang Petersen und ich finden: Man hätte das nicht 'Das Boot' nennen dürfen. Unser Film war das Original nach dem Roman von Lothar-Günther Buchheim. Ein kleiner Namenszusatz hätte es von unserem Werk abheben müssen."
Das sagt der 90-jährige Filmproduzent Günter Rohrbach zur Serie "Das Boot".
Zumindest beim Namen Johannes Betz konnten Kenner schon hellhörig werden. Denn Betz ist unter anderem auch Drehbuchautor des Films "Nichts als die Wahrheit" von 1999 - auch nach über 20 Jahren einer der Tiefpunkte unter den Geschichtsfilmen in Deutschland.
Auch hier das Gegenteil aller Wahrheit, dafür eine geschmacklose, absurde Geschichtsfiction, in der Götz George den KZ-Arzt Josef Mengele spielt, der bis in die 1990er Jahre überlebt hat und die Legitimität seiner Handlungen im KZ Auschwitz nachweisen will.
Trauriger Tiefpunkt: Ein seichter Film ohne Tiefgang
Was zeigt die Serie "Das Boot" sonst noch?
Die Hauptfiguren sind erst mal alles Bubis, keine Männer. Ihre Gesichter haben keine Konturen, denn sie haben nichts erlebt, außer Drehs und Casting. Die Helden sind Antifaschisten wie fast alle Deutschen damals ... Aber aus Liebe, nicht aus Überzeugung.
Durchzogen ist jeder Augenblick von so einem schrägen Pathos, nur Bedeutung, nie Bedeutungslosigkeit, nie Alltag. Sex im Soldatenbordell ist laut und vulgär. Und so ätzend fernseh-deutsch, also spießig, gehemmt, auf Nummer sicher, ohne die Frivolität, die amerikanische Serien so spannend macht.
Es fehlt auch das Interesse für die Figuren. Dafür Handlung, Handlung, immer schneller, immer oberflächlicher. Eine Eskalationsspirale, die es zugleich jedem recht machen will: Auf dem Boot selbst haben alle konstant schlechte Laune, gehorchen den Befehlen nicht, der "Kaleu" benimmt sich dafür wie Käpt'n Bligh auf der "Bounty", denn die Autoren brauchen Drama und Konflikt, um das dröge Serien-Gefährt in See stechen zu lassen.
Manche Zeitungen faseln aber schon von "Kultserie" - ein völlig übertriebenes Geschwätz, so kritiklos wie die Kriegsführung im III. Reich. Dabei bekommt die Serie auf imdb.com nur "7,4". Gar nicht so ein toller Wert. Zur "Kultserie" wird man sowieso erst nach 20 Jahren. In 20 Jahren wird diese Serie komplett vergessen sein. Wie kommt man zu so einem Urteil? Ehrfurcht vor Sky (wo die Serie zuerst ausgestrahlt wurde)?
Es heißt auch, das sei ein "feministischer" Film, würde "eine weibliche Perspektive" mit einbeziehen, "eine (starke) weibliche Sicht". Papperlapapp - meine Güte, da kommen ein paar Frauen vor, weil man für den amerikanischen Markt angeblich unbedingt "Diversity" braucht, sich aber nicht traut, im U-Boot mal schwulen Sex zu zeigen, und dann hat es gleich "eine weibliche Perspektive". Und alle plappern es nach.
Frauen hatte es bei Petersen so wenig gegeben wie Land, ganz einfach, weil fast alles auf dem Boot spielte, weil es eben um das Miteinander der Männer ging. Ohne Draußen. Diesmal: Mindestens ein nackter Busen pro Folge, lesbische Liebe - weibliche Perspektiven eben. Auch sonst: Schauwerte, Effekte, mehr nicht - "Das Boot" ist ein recht seichter Film, der die Tiefe von Lothar Günter Buchheims Buch nie erreicht.
Als Aushängeschild des ZDF-Fernsehens ist diese Serie aber viel mehr als eine Dummheit. Denn in Zeiten von Fake News muss ein öffentlich-rechtlicher Sender ganz besonders darauf achten, was er moralisch und politisch erzählt. In "Das Boot" verbreitet das ZDF nun in mehrfacher Hinsicht historische Fake-News - ein trauriger Tiefpunkt für einen Sender, der leider schon vor langer Zeit die letzten festen dokumentarischen Sendeplätze aus seinem Programm gestrichen hat.
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