Hitparade der Globalisierung
A.T. Kearney und das Foreign Policy Magazin haben die 62 am meisten globalisierten Länder der Welt ermittelt
Vor zwei Jahren schuf das internationale Consulting Unternehmen A.T. Kearney gemeinsam mit dem Foreign Policy Magazin den Globalization Index - eine Hitparade der Länder, die am meisten globalisiert sind. Nachdem die erste Version den Stand der Globalisierung vor dem 11.09. widerspiegelte, zeigt die zweite Version, die nun vorliegt, den Stand danach.
Die Macher haben ein recht facettenreiches Kategoriensystem entwickelt: Die Integration eines jeweiligen Landes wird neben dem ökonomischen Sektor an den "persönlichen", "technologischen" und "politischen" Verbindungen nach außen gemessen. Diese unterteilen sich dann in jeweils drei bis vier weitere Subkategorien. "Personal" zum Beispiel in "Reisen & Tourismus", "Telefon" und "Banküberweisungen". Die Zahl individuell getätigter Reisen, Telefonate und über die Bank abgewickelter Geldgeschäfte bestimmt die Punktzahl, die das jeweilige Land in der Kategorie "Personal" zugesprochen bekam. Diese Punktzahl wurde dann ins Verhältnis gesetzt mit den 62 Mitbewerbern. Auf Platz 62 landete in dieser Kategorie China, das insgesamt den 51. Rang belegt, und auf Platz eins Irland, das auch in der Gesamtwertung an der Spitze steht.
Das ist kein Witz. Irland belegt Platz 1. Und man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die Schweiz ist Nummer 2, Schweden 3, Singapur 4 und die Niederlande 5. Wer dachte, dass die G8-Nationen hier die Top Five stellen würden, muss umdenken. Nicht die Größe einer nationalen Ökonomie bestimmt den Globalisierungsstatus, sondern die Verbindungen, die das jeweilige Land in die Außen-Welt hat. Die USA, eine Nation, die gemeinhin als am stärksten verschaltet und vernetzt gilt, rangiert noch nicht einmal unter den Top 10. Japan belegt Platz 35! Der Grund? Nicht zuletzt die Tatsache, dass beide in der Kategorie "economy" jeweils Platz 50 und 56 belegen. Nachvollziehbar sind diese Einschätzungen, ist doch allzu bekannt, dass die Ökonomien dieser Länder entlang von streng regulierten Grenzen organisiert und keineswegs in einen freien Fluss eingebunden sind.
Deutschland liegt übrigens auf Platz 17, ist seit letztem Jahr drei Punkte zurückgefallen und rangiert nun hinter Portugal, der Tschechischen Republik und Neuseeland und vor Malaysia..
Doch wie erklärt dieses Ordnungssystem einen größeren Sinn-Zusammenhang, etwa den Grund, warum die Globalisierung nach dem 11.09. nicht zum Stillstand gekommen ist?
"Als Nationen ihre Grenzen dicht zu machen begannen, um sich gegen den internationalen Terrorismus zu wappnen, glaubten manche, dass der Fluss von Menschen, Gütern und Dienstleistungen zum Erliegen kommen würde. Doch sind offene Grenzen nicht die Ursache für die Globalisierung, genauso wenig, wie sie deren Resultat sind. Der destruktivste Terroranschlag der Geschichte konnte die der Globalisierung zu Grunde liegenden Kräfte nicht zum Erlahmen bringen."
Was diese Kräfte sind, das erklärt der Begleittext mit Verweis auf den Princeton-Historiker Harold James:
"International openness did not lead to the spread of technology. Rather, it was technical changes and efficiencies of scale that have made purely national markets relatively inefficient, thereby compelling business to spread across borders."
Doch werde die Globalisierung nicht allein durch ökonomische Faktoren bedingt. Und auch deshalb, so die Studie, zeichnet sich nicht lediglich ein Abwärts-, sondern auch ein Aufwärtstrend ab. Im politischen Sektor nämlich sei ein deutlich höherer Grad an globaler Integration zu beobachten. Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen ist im Vergleich zur letzten Hitparade angestiegen, den größten Zulauf konnten kommerzielle und humanitäre Organisationen verbuchen. China und Taiwan traten der World Trade Organization bei. Die International Organization for Migration hat viele neue Mitglieder dazu gewonnen, wovon allein 59 sich aus den im Globalization Index aufgeführten Ländern rekrutieren. Auch der UN sind weitere Länder beigetreten.
Kurz: Die Krieg-gegen-den-Terror-Ära ist die Zeit der großen Allianzen. Frei nach dem Band-USA-for-Africa-Motto "The world must come together as one" stehen Nationen-übergreifende Zusammenschlüsse an der Tagesordnung. Dieser Trend reflektiert auch die gegenwärtige Ideologie der Globalisierung, auf die schon so oft hingewiesen wurde, und die George W. Bush nach dem 11.09. mit seinem berühmten "Ihr seid entweder mit oder gegen uns" -Satz prägte. Eine Ideologie, die sich auch auf diese Hitparade übertragen hat.
Trotz objektivem Gestus, ist im Begleittext von Gewinnern und Verlierern die Rede. Zwar nimmt diese Rede in erster Linie Bezug auf das "davor" und "danach", also den Vergleich zwischen dem ersten und dem zweiten Globalization Index. Doch wird auch eine wertende Botschaft mit Blick auf die aktuelle Rangfolge übermittelt: Auch wenn die USA nicht an der Spitze stehen, ganz unten rangieren Saudi Arabien und der Iran. Insbesondere Saudi Arabien, letztes Jahr noch Rang 37, gelte als "poster child" für die marginale Position der arabischen Welt in der Globalisierung. Zwar handelt es sich um die größte Wirtschaft dieser Region, zugleich jedoch auch um das am wenigsten globalisierte Land. Als leuchtendes Vorbild erscheint Schweden. Denn im Gegensatz zu den Spitzenreitern Schweiz und Irland kann es auch auf dem politischen Sektor einen sehr hohen Grad an globaler Integration vorweisen. Doch ob die Saudis so werden wollen wie die Schweden?