Hitze-Tipps, die tödlich sein könnten

Fenster zu, außer kurz morgens? Lieber nicht, meint Jörg Kachelmann. Bild: geralt / Pixabay Licence

Was tatsächlich oder vermeintlich bei Hitze zu tun ist, wird auf allen Kanälen verkündet. Wetterexperte Kachelmann schimpft über falsche und fragwürdige Ratschläge. Das sind die Hintergründe.

Die Hitzewelle wirft Fragen auf: Wie kann die eigene Wohnung gelüftet werden, ohne dass es dort noch heißer wird? Was und wie viel sollte ich mindestens trinken? Wann wird es für Kleinkinder in geparkten Autos lebensgefährlich? Wann darf ich die Scheibe eines fremden Autos einschlagen, um ein Kind oder auch einen Hund zu retten?

Das Stichwort "Hitze" verfängt jedenfalls gerade: Dafür gibt es Aufmerksamkeit und Klicks, während das "Klima-Blabla", wie es Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nennt, einige der Hitzegeplagten eher langweilt oder nervt. Beliebter als verstörende Prognosen, dass es schlimmer werden könnte, sind praktische Tipps, wie die Hitze im Hier und Jetzt besser ertragen ist. Manchmal hängen schließlich Leben und Gesundheit davon ab.

Es kursieren allerdings widersprüchliche Tipps in verschiedenen Medien. Der Moderator und Sachbuchautor Jörg Kachelmann, der mit Christoph Drösser das "Lexikon der Wetterirrtümer" verfasst hat und das Portal Kachelmannwetter betreibt, hält manche dieser Tipps sogar für lebensgefährlich, wenn sie von älteren Menschen mit Kreislaufproblemen befolgt werden.

"Qualvolles Ende"

"Am Morgen lüften, danach Wohnung abdunkeln" – mit dieser Aussage wolle der Bayerische Rundfunk wohl "seine betagte Klientel sehr gerne vom Leben in den Tod befördern", wirft Kachelmann dem Sender in einem Tweet vor. "In kleinen Wohnungen mit geschlossenen Fenstern, in denen nur morgens gelüftet wurde, ist es ein qualvolles Ende."

Bereits 2018 hatte Kachelmann über "Das Ammenmärchen vom bösen Durchzug" gebloggt:

Es ist dunkelster Aberglaube, dass man Fenster schließen soll, sobald es draußen wärmer ist als drin. Sie produzieren drin so viel Feuchtigkeit und Kohlendioxid bei stehender Luft, dass alles besser ist als das Elend, das Sie mit geschlossenen Fenstern produzieren


Jörg Kachelmann

Verärgert reagiert er nun auch auf einen Tipp, den der Leiter des Cottbusser Schlaflabors, Frank Käßner, im Rundfunk Berlin-Brandenburg verbreiten durfte – nämlich "feuchte Vorhänge oder Wäsche im Schlafzimmer" zur Förderung des erholsamen Schlafs. "Redaktionelle Verantwortung war gestern", meint Kachelmann dazu. "Das Cottbuser Schlaflabor möchte, dass nachts Menschen sterben durch das Aufhängen von Tüchern und das Erreichen von 100 Prozent Luftfeuchtigkeit dadurch."

Nach einer Versuchsreihe von Forschenden der Pennsylvania State University im vergangenen Jahr nimmt die Hitzetoleranz von Menschen bei hoher Luftfeuchtigkeit tatsächlich schneller ab als bisher angenommen. Bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit liege der Grenzwert, ab dem es nicht nur für alte Menschen kritisch wird, schon bei 31 Grad Celsius – statt, wie zuvor angenommen, bei 35 Grad.

Wenn Wäsche in kleinen, geschlossenen Räumen getrocknet wird, ist das Erreichen einer solchen Luftfeuchtigkeit zumindest nicht ausgeschlossen. Den Tipp, das Schlafzimmer bei 30 Grad Außentemperatur kühl zu halten – möglichst bei 16 bis 18 Grad – verbannte Kachelmann ins "Schwurbel-Outlet" und verglich ihn mit dem satirischen Vorschlag des Magazins Titanic zur Lösung des Hungerproblems: "Einfach mehr spachteln".