Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt

Landgericht München stuft Selbstanzeige als ungültig ein. Die Verteidigung geht in Revision

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Was zählt mehr, dass eine Selbstanzeige fehlerhaft ist oder der Wille des Steuerhinterziehers zu einer "vollständigen Rückkehr zur Steuerehrlichkeit"? Diese grundlegende Frage hatte das Landgericht München II im Fall Hoeneß unter Vorsitz des Richters Rupert Heindl zu klären. Der Richter stufte die Selbstanzeige als ungültig ein und entschied wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen auf eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung.

Richter Heindl gab keinen "Prominentenbonus", zumindest keinen, der das Urteil signalwirkend aufgeladen hätte. Zwar blieb der Richter mit zwei Jahren Haft unter dem vorgeschlagenen Strafmaß des Staatsanwalts, aber er erkannte offensichtlich auch die Begründung des Verteidigers nicht an, der vor allem auf die Steuerehrlichkeit des reuigen FC-Bayern-Präsidenten abhob und dessen Glaubwürdigkeit als öffentliche Person in die Waagschaale warf, während er Formfehler der Selbstanzeige herunterspielte.

Das Signal, das von dem Haftstrafen-Urteil ausgeht, läuft eher darauf hinaus, dass selbst die Imagehilfe, die Hoeneß überreichlich hatte, und ein anerkannt guter Anwalt wenig ausrichten können, wenn die Steuerhinterziehung eindeutig ist.

Einfügung: Die vorgelegten Unterlagen seien unvollständig gewesen, so der Richter. Damit hätte keine Selbstanzeige erstattet werden können. Er berechnete die Summe, die Hoeneß hinterzogen hat, auf 28,5 Millionen Euro. Grundlage dafür waren die von der Steuerfahnderin veranschlagten 27 Millionen Euro plus Solidaritätszuschlag. Als "ganz erheblich mildernd" wurde das Geständnis Hoeneß' gewertet. Auch die Lebensleistung des Angeklagten sei im Urteil berücksichtigt worden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig: Eine Revision des Urteils vor dem BGH ist möglich, für die Staatsanwaltschaft wie auch für die Verteidigung. Entsprechend kündigte Hoeneß' Anwalt Hanns Feigen diesen Schritt bereits an. Er setzt darauf, dass der "Wille zur Steuerehrlichkeit"gegenüber den formellen Unzulänglichkeiten der Selbstanzeige vom höheren Gericht anders bewertet werden könnte.

Mangelhafte Selbstanzeige - Staatsanwalt forderte 5 Jahre und sechs Monate Haft

Eine wirksame Selbstanzeige müsse "zumindest so viele Angaben enthalten wie eine Steuererklärung", dies hatte der Staatsanwalt im Prozess in München erklärt. "Das ist bis heute nicht der Fall", so die Einschätzung des Staatsanwaltes von Engel. Die Steuerfahnder hätten die hinterzogenen Steuern aus dem Dokument nicht errechnen können.

Das Gericht hat sich dem angeschlossen, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ken Heidenreich, Medien gegenüber erklärte. Die Strafkammer sei mit ihrem Urteil den Ansichten der Staatsanwaltschaft gefolgt. Der "rechtstreuen Bevölkerung" hätte man es nicht vermitteln können, wenn die verhandelten Straftaten nur mit einer Bewährungsstrafe geahndet worden wären.

Staatsanwalt von Engel hatte zuvor in seinem Plädoyer deutlichgemacht, dass er in der Causa Hoeneß einen "besonders schweren Fall von Steuerhinterziehung" erkennt, "grob eigennütziges" Handeln, er sprach auch von "krimineller Energie". Zwar gebe es Milderungsgründe, die seien aber nicht erheblich. Der Staatsanwalt forderte fünf Jahre und sechs Monate Haft.

Der Verteidiger Hanns Feigen hielt in seinem Plädoyer, das in schriftlicher Form veröffentlicht wurde, dagegen, dass die Selbstanzeige wirksam sei. Nicht nur, weil das Schreiben, das am Morgen des 17. Januar bei den Finanzbehörden eingegangen ist, keinen Zweifel daran lasse, dass Hoeneß damit "zur Steuerehrlichkeit ohne jede Einschränkung zurückkehren wollte und zurückgekehrt ist".

Zudem sei die Selbstanzeige auch wirksam, "weil die mit ihr vorgelegten Kontodaten geeignet waren, hieraus im Wege der Schätzung die Steuerschuld zu berechnen". Als Beweis dafür erwähnt Feigen, dass die Finanzverwaltung aufgrund der Zahlen, die mit der Selbstanzeige eingereicht wurden, zwei Wochen nach Einreichung, also Ende Januar 2013, eine "Proberechnung vollzogen" und "Mehrsteuern in Höhe von rund 70 Millionen Euro berechnet" habe. Der Betrag, den die Steuersachbearbeiterin während des Verfahrens geschätzt hat, liege mit rund 23 Millionen Euro weit darunter.

Der Formmangel sei nicht entscheidend, argumentiert Feigen gegen den Staatsanwalt. Dabei bezieht er sich auf ein nicht näher erläutertes Urteil des Bundesfinanzhofs, wonach nicht Formfehler entscheidend für die Wirksamkeit der Selbstanzeige seien, sondern die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit. Diese, so der Verteidiger, sei "auch bei einer formalen Unwirksamkeit der Selbstanzeige" der entscheidende Strafzumessungsfaktor.

Es kommt in diesem Fall nicht auf die vielfach zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur "Millionengrenze" an. Dieser Rechtsprechung liegt die Konstellation zugrunde, dass der Steuerpflichtige ohne eigenes Zutun entdeckt wird. Dies ist hier nicht der Fall, weil sich Herr Hoeneß mit seiner Selbstanzeige offenbart hat, bevor die Tat entdeckt war.

Zur Steuerehrlichkeit gedrängt?

Allerdings lässt diese Position völlig unberücksichtigt, dass Hoeneß von außen zu diesem Schritt gedrängt wurde, da er erwarten musste, sein Fall würde bald entdeckt, was Hoeneß am ersten Prozeßtag herunter zu spielen versuchte gegen Einwände seines Anwalts. (An der Klage gegen den Stern-Reporter, der der Steuerhinterziehung auf der Spur war und darüber schrieb, hält Hoeneß Anwalt in dieser Sache, Michael Nesselhauf, der schon Schröder vertrat, nach Informationen des NDR Medienmagazins "ZAPP" fest).

§ 371 Abs. 2 der Abgabenordnung sieht vor, dass eine Straffreiheit nicht eintritt, wenn "eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (...)".

Der Staatsanwalt wollte die Frage, ob die Steuerhinterziehung zum Zeitpunkt der Selbstanzeige schon entdeckt war, "ausdrücklich offenlassen", laut SZ habe er Zweifel daran, weswegen dieser Punkt von ihm nicht hervorgehoben wurde. Doch spricht er an, dass Hoeneß " in einer Nacht aus Angst vor Entdeckung einen Schnellschuss" wagte.

Auch Richter Heindl sprach davon, dass die Sache für ihn nicht eindeutig liegt. "Man könne dahinstehen lassen, ob die Stern-Veröffentlichung die Selbstanzeige entdeckt hat", wird er zitiert, Zweifel seien aber angebracht.

Formulierungsfehler

Indessen pochte Hoeneß' Strafverteidiger im Münchener Prozeß auf milde Behandlung. Denn die Selbstanzeige würde alle Voraussetzungen erfüllen, die Gesetzgeber und Bundesgerichtshof verlangen, so der Anwalt. Die Unvollständigkeit, von welcher der Staatsanwalt gesprochen hatte, bezeichnet Feigen als "Formulierungsfehler". Selbst wenn man die Selbstanzeige deswegen für unwirksam halten wollte, so der Schluss des Strafverteidigers, scheide eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung aus.

Der Formulierungsfehler bestand darin, dass Hoeneß in seiner Selbstanzeige für die Jahre 2004 und für 2006 bis 2009 lediglich Verluste erklärt, aber keine Kapitalerträge - "Zinseinkünfte aus nichtspekulativen Finanzprodukten" - angegeben habe, wie ihm der Staatsanwalt vorhielt:

Positive Kapitalerträge wurden mit Verlusten aus Spekulationsgeschäften verrechnet - das ist nicht erlaubt.

Hoeneß Verteidiger räumte ein, "dass es besser gewesen wäre, in einem Satz darauf hinzuweisen, dass auch in Verlustjahren Kapitalerträge verbucht wurden".

Das Gericht ließ sich von dieser Begründung nicht überzeugen. Das Urteil dürfte eine gewisse Resonanz bei Steuerhinterziehern auslösen.