Hohenzollern-Prinz fordert Kunst und Schlösser
Unter der Herrschaft des Adelsgeschlechts wurden im Ersten Weltkrieg viele Bauern enteignet, die heute keine Ansprüche mehr geltend machen können
Mitte Juli wurde durch einen an den Berliner Tagesspiegel geleakten Brief bekannt, dass der Hohenzollernprinz Georg Friedrich von Preußen neben Hunderten von Gemälden und Möbelstücken, die ehemals der Familie seiner Vorfahren gehörten, auch Nutzungsrechte an den Potsdamer Schlössern Cecilienhof, Lindstedt oder Liegnitz fordert. Verhandlungen darüber laufen bereits seit fünf Jahren.
Dem Cicero sagte der junge Mann, er brauche zwar kein Schloss, würde sich aber "freuen, wenn in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen würde, wie viele Leihgaben wir für die Museen und Schlösser in Berlin und Brandenburg, aber auch in ganz Deutschland, zur Verfügung stellen". Dass er ein Schloss braucht, wäre auch insofern verwunderlich, als er seit 1994 Herr über die schwäbische Burg Hohenzollern ist, die seiner Familie ohnehin gehört. Die Apanage, die den Mitgliedern dieser Familie aus den Früchten des Familienvermögens gezahlt wird, reicht seinen Angaben nach "nicht zum Lebensunterhalt". Eine konkrete Summe will er dazu jedoch nicht nennen.
Dem "nationalsozialistischen System erheblich Vorschub" geleistet?
Bislang weigern sich die Angesprochenen, den Forderungen des Prinzen nachzukommen. Deshalb hat er das Land Brandenburg verklagt, dessen Finanzminister ihn daraufhin aufforderte, die Klage bis heute zurückzuziehen und formell auf eine Entschädigung in Höhe von 1,2 Millionen Euro zu verzichten. Andernfalls werde man die Wiederaufnahme des aktuell wegen der Vergleichsgespräche ruhenden Verfahrens beantragen.
Juristische Grundlage der Forderungen des Hohenzollernprinzen sind nicht die nach 1918 beschlagnahmten Vermögensbestandteile, für die die Familie des ehemaligen Kaisers bereits in den 1920er Jahren entschädigt wurde, sondern die 1945 verstaatlichten. Für sie müsste Brandenburg keine Entschädigung zahlen, wenn das Land nachweisen kann, dass die Hohenzollern dem "nationalsozialistischen System erheblich Vorschub" leisteten. Da gibt es in der Familie sowohl Beispiele dafür, als auch solche dagegen.
Pferde, Schweine, Getreide
Verliert der Hohenzollernprinz das Verfahren, wäre er in jedem Fall nicht der einzige Deutsche, der mit einer Enteignung konfrontiert wird. Während des Ersten Weltkriegs, als der Hohenzollernkaiser Wilhelm II. über das Deutsche Reich herrschte, widerfuhr das zahlreichen einfachen Bauern, die dem Krieg - anders als das damalige Juste Milieu in den Städten - oft wenig begeistert entgegengesehen hatten (vgl. Hundert Jahre Freistaat Bayern).
Erst hob man ihre Pferde aus. Dafür wurden sie zwar entschädigt - aber diese Geldentschädigungen halfen ihnen beim Bestellen ihrer Felder insofern wenig, als sie die fehlende tierische und menschliche Arbeitskraft damit nur sehr unzureichend ausgleichen konnten. Meist griff man auf Mädchen zurück. Weil diese die schweren und gefährlichen Arbeiten nicht gelernt hatten, sah man nach dem Krieg nicht nur verstümmelte Männer, sondern auch Frauen mit fehlenden Gliedmaßen.
1915 ließ die Staatsführung dann ihre Schweine zwangsschlachten, weil ihr Professoren weissagten, auf diese Weise ließe sich die Bevölkerung besser ernähren. Anschließend wurden diese Professoren von der Realität eines besseren belehrt - und das Schweinefleisch verrottete in minderwertigen Büchsen häufig schon, bevor es verspeist werden konnte. Schließlich beanspruchte der Hohenzollernstaat sogar das Getreide - und zwar ab dem Moment, als es nicht mehr mit dem Boden verbunden war.
Die Frage, inwieweit die Hohenzollern an diesen Enteignungen schuld waren, ist mit der Frage verbunden, inwieweit sie die Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges tragen. Auch hier gibt es Anhaltspunkte dafür und Anhaltspunkte dagegen.
Abseits dieser Anhaltspunkte stellt sich aber auch die Frage einer Verantwortung, die alleine durch die Position besteht. Diese Art von Verantwortung erklärt der Mafioso Nicolo Rizzuto in der Netflix-Serie Bad Blood dem kleinen Don Vito sehr anschaulich anhand von Tomatenpflanzen: Gedeiht dem Sohn eine Pflanze, verspricht er ihm eine Belohnung - gedeiht sie nicht, eine Strafe. Aber, warnt der Vater, es könne auch sein, dass aus einer Pflanze nichts wird, obwohl der Sohn alles richtig gemacht hat. In diesem Fall werde er ihn trotzdem bestrafen, damit der kleine Vito lernt, was es heißt, die Verantwortung zu tragen.
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