Holländische Provider und Staat einigen sich über Internet-Überwachung
Neue Organisation soll Rechtmäßigkeit von Abhöranweisungen prüfen
Regierung und Internet-Provider in Holland haben eine Übereinkunft darüber erreicht, wie die Provider in Zukunft ihren Überwachungsverpflichtungen nachkommen sollen. Die Provider werden eine Organisation gründen, die die technischen Überwachungseinrichtungen verwaltet und abklärt, ob Abhöranweisungen rechtmäßig erfolgt sind.
Das neue Telekommunikationsgesetz, das am 15. Dezember 1998 in Kraft getreten war, hatte die bisher nur für Telefonieanbieter verbindlichen Überwachungsanweisungen auch auf Internet-Provider und andere Anbieter von Kommunikationsdiensten ausgeweitet. Für die Internet-Anbieter galt bis Ende August 2000 eine Übergangsfrist für die Installation der Überwachungseinrichtungen. Diese Frist musste aber bis zum 15. April verlängert werden, da die Zeit nicht dazu ausgereicht hatte, die Einrichtungen zu installieren und darüber hinaus noch zahlreiche technische, finanzielle und rechtliche Fragen noch nicht geklärt worden waren.
Im Februar diesen Jahres meldeten sich die Provider nochmals zu Wort: Auch die neue Frist sei unrealistisch. Sie gaben zu bedenken, dass die Polizei ihnen noch immer keine klaren Spezifikationen über die Formate an die Hand gegeben hätte, in denen die abgefangenen Nachrichten an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln wären. Deshalb hätten auch die Hersteller der Abfang-Hardware noch keine offiziell anerkannten Geräte herstellen können. "Diese Unschärfe in den Definitionen hat dazu geführt, dass der Markt den Providern keine Geräte zur Verfügung stellen kann", stellten die Provider in einem Brief an das zuständige Ministerium für Verkehr und Wasserwege fest.
Weiterhin wiesen sie auf die Unterschiede in den holländischen Überwachungsvorschriften und denen in den anderen europäischen Staaten hin. "Die holländische Regierung hat sich dazu entschlossen, eine Abhörverpflichtung einzuführen, obwohl ein europäischer Abhörstandard erst noch entwickelt werden muss. Die meisten anderen europäischen Länder warten ab, bis dieser Standard verabschiedet ist, um ihre Systeme mit den Abhörgeräten auszustatten."
Vergangene Woche verkündeten die holländischen Internet-Provider nun, dass sie mit der Regierung einen Kompromiss geschlossen hätten. Die Provider werden eine gemeinsame Organisation ins Leben rufen, die die Abhörgeräte verwalten soll. Auf diese Weise sollen die Provider innerhalb der kommenden sechs bis neun Monate ihren Abhörverpflichtungen nachkommen können. Hans Leemans, Direktor der holländischen Provider-Vereinigung NLIP, sagte, dass die Behörden seiner Organisation unter der Hand mitgeteilt hätten, dass sie ein Überschreiten der Frist nicht ahnden würden. Dadurch, dass die Abhörausrüstung nun gemeinsam gekauft und verwaltet wird, konnten die durch die Verordnung entstehenden Kosten gesenkt werden. Damit ist eines der derzeit größten Probleme der holländischen Provider gelöst. Sie hatten festgestellt, dass ein Drittel der Provider durch die hohen Kosten für die Abhörinstallationen in den Bankrott getrieben werden würden.
Die Überwachungsausrüstung besteht aus drei Teilen: Einer Black Box, in der die Überwachungstechnik steckt, einem Sniffer, der E-Mail und Websurfern nachspüren kann und einem Modul, welches das abgefangene Material verschlüsselt und in einem standardisierten Format an die Behörden übermittelt. Das letztgenannte Modul ist, so Leemans, der teuerste Teil der Ausrüstung. Die Provider werden nach der neuen Vereinbarung das abgefangene Material an die gemeinsame Organisation senden, wo es verschlüsselt und an die Behörden geschickt werden wird. Die gemeinsame Organisation wird auch die Rechtmäßigkeit der Abhöranfragen prüfen und diese dann an die Provider weiterleiten. Somit müssen die Provider nicht jedesmal selbst rückfragen, wenn abgehört werden soll.
Es ist immer noch unklar, mit wievielen Überwachungsanordnungen eigentlich zu rechnen sein wird. Laut Herrn Leemans haben sich die zuständigen Behörden zu diesem Thema noch nicht geäußert. Die holländische Datenschützer-Vereinigung "Bits of Freedom" rechnet damit, dass die Anzahl der Überwachungsanordnungen steil ansteigen wird, da jetzt endlich die technischen Voraussetzungen gegeben seien. Bits of Freedom stellt weiterhin fest, dass die neue gemeinsame "Abhörorganisation" in dem System eine Schlüsselrolle spielen wird:
"Diese Organisation wird die Überwachungsaufträge prüfen. Sollte die Regierung auf diese Organisation großen Einfluss haben oder sollten die dort arbeitenden Personen zu sehr darauf erpicht sein, den Überwachungsanordnungen nachzukommen, dann wird hier eine Art Hintertür zum Internet entstehen. Viel wird davon abhängen, ob diese Organisation transparent genug und ihrer großen Verantwortung gewachsen sein wird."
Übersetzung aus dem Englischen von Günter Hack