Hollandradfahren

Mit einem "Omafiets" bequem, gut angezogen und ohne Nackenschmerzen durch Berlin

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Ich habe ein neues Fahrrad. Ein Hollandrad

In Berlin. In der Stadt, in der gefühlt die Hälfte der Radfahrer ohne Licht und scheinbar ohne Bremsen und Klingel, dafür mit einem reichen Schatz an Schimpfwörtern durch die Gegend gerast ist und mich überholt hat.

Bild: Ralf Roletschek. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Bei der anderen Hälfte der Berliner Radfahrer war es umgekehrt: Die hatte ich überholt. Aber natürlich mit Licht - naja, ok, mein Rücklicht war meistens kaputt, aber warum müssen die Kinder auch immer direkt am Fahrradständer Fußball spielen? Also habe ich ein Rücklicht angeklipst. Und schimpfen musste ich bloß, wenn vor mir ein Autofahrer seine Tür geöffnet hat.

irgendetwas ist jetzt anders

Vor meinem Hollandrad fuhr ich wie viele Berliner ein Trekkingrad. Es hatte 28 Gänge und war schnell und wendig. Ich hielt mich zwar auch damit immer an die Verkehrsregeln. Na, fast immer. Nur zweimal, also, ich glaube, wirklich nicht öfter, also jedenfalls nicht viel öfter, bin ich bei Rot über eine Ampel geradelt. Und was soll ich sagen, jedes Mal wurde ich erwischt.

Erwischt mit dem Trekkingrad

Gemein, sagt meine Freundin, die genau wie ich innerhalb von mehr als zehn Jahren zweimal erwischt wurde. Dabei fährt sie viel öfter bei Rot über die Ampel.

Das machen scheint's recht viele: Allein im Jahr 2012 veranstaltete die Berliner Polizei 4.086 Sonderkontrollen und schaute nach Verhalten und Ausrüstung der Radfahrer. 28.988 "Fehlverhaltensweisen" wurden festgestellt, so die Polizeipressestelle: "Schwerpunktmäßig liegen die Verstöße im Missachten von rotlichtabstrahlenden Lichtzeichenanlagen, gefolgt von der verbotswidrigen Gehwegbenutzung sowie Radwegebenutzung in nicht zulässiger Richtung und der unzulässigen Handybenutzung."

Ich gehörte zur Mehrheit: Einer der Verstöße im "Missachten von rotlichtabstrahlenden Lichtzeichenanlagen" ging auf mein Konto.

Was war passiert? Ich war eine Hauptstraße entlang gefahren, auf dem Radweg, die Ampel war rot - und ich hielt an. Nach rechts führte eine kleine Straße, eine Baustelle war da, aber kein Auto. Ich guckte mich um - und als ich sicher war, dass wirklich nichts mehr kommen würde, radelte ich los. Noch bei Rot.

Die beiden Männer in Zivil, die in ein Funkgerät sprachen, nahm ich nur am Rande wahr.

Ein Stück weiter, hinter einer Kurve versteckt, erwarteten mich ihre uniformierten Kollegen. Sie hatten per Funk meine Beschreibung erhalten. Und nun wollten sie meinen Namen, meine Adresse, mein Geburtsdatum und später auch mein Geld. Dafür bekam ich einen Punkt in Flensburg.

Das andere Mal fuhr ich, auch auf einem Radweg, eine ruhige Hauptstraße entlang. Als dort die Ampel auf Rot schaltete, war es mir zu knapp zum Bremsen. Alles Weitere wie im Jahr davor. Nur war es diesmal teurer, gut 90 statt knapp 60 Euro.

Wirklich lästig.

Wenn die Kreuzungen wenigstens irgendwie gefährlich gewesen wären! - Warum verstecken die Polizisten sich nicht an unfallträchtigen Kreuzungen wie dem Hermannplatz oder dem Kottbusser Tor?

Na, egal. Mich werden sie bestimmt nicht mehr erwischen.

Hollandrad - damenhaft

Ich habe jetzt nämlich mein Hollandrad. Ein Damenrad. Es sieht nicht sportlich aus, sondern, nun ja, damenhaft. Und so fahre ich auch.

Weder das eine noch das andere konnte ich vorher ahnen: Ich habe es in einem Kreuzberger Fachgeschäft für Hollandräder gekauft . Die Idee hatte ich von einer Autorin des Tagesspiegels. Sie, frisch aus Holland nach Berlin gezogen, findet, dass Berliner etwas ängstlich Rad fahren. Darum dachte ich, mit Hollandrad fährt man schnell und energisch. Und als ich zu Radlust kam, bastelten ein paar tätowierte Kreuzberger Jungs mit Säbelzahn im Ohr und Heavy Metal in der Werkstatt mein Rad zusammen, genauer: auseinander: Ich wollte nämlich die Variante ohne Gangschaltung - billiger, leichter zu warten, und Berlin ist ohnehin ziemlich platt. Und seit ein paar Wochen fahre ich nun mein "Omafiets".1 Und bin überrascht, wie anders es ist.

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