Holz als natürlicher Nanowerkstoff
Ein alter Werkstoff kann dank neuer Technologie mit Titanlegierungen und Karbon konkurrieren
Die japanische Holzfirma Sumitomo Forestry Co hat angekündigt, zu ihrem 350-jährigen Bestehen einen 350 Meter hohen Wolkenkratzer zu bauen - vornehmlich aus Holz. Das 70 Stockwerke hohe Gebäude soll nur noch außen mit Stahl verstärkt werden; innen sollen sämtliche tragenden Teile aus Holz bestehen.
Auch daran, dass Holz nicht ewig hält, hat die Firma gedacht: Sie plant, die verbauten Teile in festgelegten Abständen zu ersetzen und das Material dann entweder als Baustoff zu recyceln oder zumindest noch thermisch zu verwerten. So könne besserer Gebrauch von den - nach Aussagen der Firma - durchaus üppigen japanischen Holzbeständen gemacht werden.
Allerdings plant das Unternehmen für das Vorhaben etwa 5,6 Milliarden US-Dollar aufzuwenden. Das ist etwa doppelt so viel, wie ein herkömmlich konstruierter Wolkenkratzer gleicher Höhe kosten würde. Dennoch feiert Holz als moderner Baustoff weltweit eine Renaissance. Im kanadischen Vancouver und im norwegischen Bergen stehen bereits Hochhauskonstruktionen aus Holz - und in Chicago sowie in London werden vergleichbare Konstruktionen geplant.
Nun feiert die Sumitomo Forestry Co ihr 350-jähriges Bestehen erst im Jahr 2041, was dem Management zumindest theoretisch die Chance lässt, auf neue technische Entwicklungen bei dem klassischen Werkstoff zu reagieren. Denn tatsächlich hat ein Team der Universität des US-Bundesstaates Maryland eine Methode entwickelt, Holz so zu behandeln, dass es zwölf Mal stabiler wird als das Ausgangsmaterial und etwa zehn Mal härter.
"Unser Holz ist so stabil wie Stahl, dabei aber etwa sechsmal leichter", freut sich Lianbing Hu, der Chef des kleinen Forschungsteams und fährt fort: "Damit kann es nicht nur mit Stahl, sondern auch mit Titanlegierungen konkurrieren. Man kann es mit Karbonfasern vergleichen, aber es ist wesentlich preiswerter." Vor dem Umwandlungsprozess könne ihr Werkstoff wie ganz normales Holz behandelt und sogar verformt und gebogen werden.
Zunächst entfernt das Team das Lignin aus der Holzstruktur, denn Lignine färben das Holz nicht nur braun, sondern machen es vor allem spröde. Anschließend wird das Holz bei milder Hitze von etwa 65 Grad Celsius gepresst, was dazu führt, dass die Zellulosefasern sehr dicht gepackt werden. Kleinere Defekt wie Hohlräume oder Löcher verschwinden. Jetzt ist das Material nur noch etwa 20 Prozent so dick wie zu Beginn. Dabei ändert sich dessen Gewicht jedoch nicht. Und auch die Holzstruktur bleibt erhalten. Sie besteht überwiegend aus Abermilliarden Fasern, die einmal zur Durchleitung von Wasser- und Nährstoffen dienten. Mit einem Durchmesser von zehn bis einigen Dutzend Mikrometern sind diese natürlichen Nanoröhrchen etwa hundertmal feiner als ein menschliches Haar.
Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass während des Prozesses neue Wasserstoffverbindungen entstehen, die zusätzliche Stabilität liefern. Nanocellulose nennen sie das so entstandene Material. "Unser Holz kann in Autos, Flugzeugen und Bauwerken zum Einsatz kommen; überall dort wo Stahl verwendet wird", ist sich Hu sicher. 1630 Millionen Tonnen Stahl wurden 2016 weltweit erzeugt - da sind erhebliche Energieeinsparungen denkbar. Zum Vergleich: Weltweit werden etwa 1.544 Millionen Festmeter Rundholz verbraucht - daraus ließ sich so viel Nanozellulose gewinnen, dass damit knapp 7.500 Millionen Tonnen Stahl ersetzt werden könnten.
Durchsichtiges Holz lässt Licht durch und schirmt Hitze ab
Doch damit nicht genug. Bei ihren Forschungen ist die Gruppe der Uni Maryland außerdem auf eine Möglichkeit gestoßen, Holz durchsichtig zu machen. Auch für diesen Effekt bleichen die Forscher zunächst die Lignine aus dem Holz. Dann wird es mit Epoxidharz getränkt, was es widerstandsfähiger und härter macht.
Um es transparent werden zu lassen, haben die Wissenschaftler das Material quer zu den Holzfasern aufgeschnitten. Denn die lassen das Licht fast so gut durch wie Glas, streuen es aber gleichzeitig und schirmen die Hitze ab. Auch das hängt mit den natürlichen Eigenschaften der Nanoröhrchen im Holz zusammen: Der Durchmesser der Fasern erlaubt nur den Lichtwellen die Passage, nicht aber der längerwelligen Wärmestrahlung.
Überall dort, wo keine glasklaren Durchblicke nötig sind, kann dieses Holz verbaut werden - z. B., wo die Privatsphäre gewahrt bleiben soll oder über Markisen, in Dächern und Wintergärten. Durch die Streuung entsteht ein Effekt, der mit dem indirekten Lichts vergleichbar ist und der in der Innenarchitektur bevorzugt eingesetzt wird. Das Sonnenlicht wird gleichmäßig im Raum verteilt. Durch den Dämmeffekt kann viel Energie gespart werden, die sonst für den Betrieb von Klimaanlagen aufgewendet werden muss.
Der Streueffekt ermöglicht noch eine weitere überraschende Anwendung des neuen Materials: Man kann es nutzen, um Solarzellen damit zu beschichten. Diese reflektieren danach praktisch kein Sonnenlicht mehr und werden so bis zu 30 Prozent effektiver.
Jetzt kann es schon fast nicht mehr überraschen, dass die Forscher auch ein superdurchsichtiges Papier aus Nanozellulose entwickelt haben, mit dem sie Plastik ersetzen wollen und das zum Beispiel in Touchscreens verbaut werden könnte. Dass die natürlichen Nano-Holzröhrchen nach geeigneter Behandlung auch eingesetzt werden können, um Wasser zu entsalzen und zu entgiften, ist ein weiteres Gimmick der neuen Werkstoffreihe.