Homeland Security jagt Politiker
Abgeordnete der Demokraten im Parlament von Texas, die einer Parlamentssitzung fernblieben, wurden auf Veranlassung des Fraktionssprechers der Republikaner durch die Homeland Security wie Terroristen verfolgt
Der Anlass: Das texanische Parlament mit den Republikanern als stärkster Fraktion soll über eine Neuordnung der Wahlbezirke befinden. Die vorgesehene Aufteilung hätte in Houston, zwischen dem Bush International Airport und dem Hobby Airport, vier neue Bezirke entstehen lassen, die voraussichtlich den Republikanern zufallen würden.
Die Verweigerung
53 von 56 Demokraten beschließen, die Abstimmung zu sprengen, indem sie fernbleiben. Weil wenigstens 2/3 der Parlamentsabgeordneten anwesend sein müssen, kommt es nicht zum Entscheid, womit die Frist für die geplante Veränderung ergebnislos abzulaufen droht.
Die Reaktion
Tom Craddick, Sprecher der Republikaner, lässt die Türen zuschließen und erklärt: "Es ist unehrenhaft, wegzulaufen und sich zu verstecken." Danach gibt er Anweisung, die demokratischen Abgeordneten zu suchen, festzunehmen und mit Gewalt ins Parlamentgebäude zu bringen.
Vor dem Parlamentsgebäude haben sich mehr als 100 Menschen versammelt, um die Reaktion der Demokraten zu unterstützen. Auf Plakaten steht: "Tom Delay, Go Away," "Don't tread on Travis" und "Sieg heil, Tom Delay" (Houston Chronicle).
Tom DeLay, der frühere Lokalmatador, hat in Texas ein Netzwerk von Fundraisern zusammengebracht, das zwei Jahre zuvor von Roberty Dreyfuss im Texas Observer als "DeLay, Incorporated" klassifiziert und in der Summe nur von Georges W. Bush überboten wurde. Die schillernde Persönlichkeit, ebenfalls aus dem Ölbusiness, ist inzwischen nach Washington umgezogen und Fraktionsführer der Republikaner. In Texas halten sich Gerüchte, daß er als Drahtzieher die geplante Umstrukturierung der Wahlbezirke vorangetrieben hat.
Die Demokraten hatten ihre Aktion angekündigt und wußten, daß sie nicht ungeschoren bleiben würden. Nach der Verfassung des Staates Texas kann das Parlament bestimmen, auf welche Weise Abgeordnete, die nicht erscheinen, gemaßregelt werden. So verließen sie vorsorglich ihren Staat. Mit dem Flugzeug nach Oklahoma und nach New Mexico; andere benutzten den Bus nach New Mexico.
Pikanterweise tritt nun die Homeland Security auf den Plan. Vor zwei Jahren mit großem Applaus vom amerikanischen Präsidenten im Kampf gegen den Terrorismus ins Leben gerufen, werden in Texas mehrere Hundertschaften aktiviert, um die Suche nach den Abtrünnigen aufzunehmen. Der Grund, so vermutet R.G. Ratcliff vom Houston Chronicle, ist die personengleiche Führerschaft vom Department of Public Safety und der Homeland Security in Texas: "Die drei Verantwortlichen sind von Georges W. Bush während seiner Zeit als Gouverneur ins Amt gekommen." Zwei davon sind verdiente Kämpfer für die Bush-Familie:
Commissioner Bobby Holt war für Bush senior der "finance chairman", Commissioner Jim Francis war Chairman der Bush Pioneers, Personen, die mehr als 100.000 US Dollar für die Präsidentsschaftskampagne von Bush junior beibrachten.
Der aufwändige Suche mit mehr 1000 Jägern und einem FBI-Beamten blieb entgegen dem, was üblicherweise in Hollywood produziert wird, ohne Erfolg.
Zwei Tage, nachdem die Demokraten den Staatssekretär der Homeland Security aufforderten, der Sache nachzugehen, machte im lokalen Büro eine Email vormittags und nochmals nachmittags die Runde:
Berichte, Korrespondenz, Fotos, etc., die in Verbindung mit der Suche nach den Abgeordneten erstellt wurden, müssen umgehend vernichtet werden. Keine Kopie darf gehalten werden.
Auch in diesem Fall kam die Anordnung vom Texas Department of Public Safety und wurde willig vom verantwortlichen Offizier der texanischen Heimatverteidigung umgesetzt.
Darauf angesprochen erklärte die Sprecherin Tela Mange, das Department habe ordnungsgemäß gehandelt, weil nach Bundesrecht keine Daten aufbewahrt werden dürfen, sollten die Betroffenen nicht eines kriminellen Vergehens verdächtigt werden. "Die vermißten Abgeordneten waren wegen keines Verbrechens angeklagt." Eine Erklärung für den Einsatz der Homeland Security steht indes aus.
Was wie eine Posse begann, könnte in eine schreckliche Entwicklung weiterführen, oder der Beginn für den Abstieg des US Präsidenten Georges W.Bush sein. In der New York Times mehren sich Editorials, die der Exekutive das Prädikat "Es ist skandalös" geben.