Huawei sucht Ausweg aus der Patentsperre
Der chinesische Hersteller kann von seinen neuen Smartphones wegen des US-Embargos weniger ausliefern, als bestellt sind, und entwickelt über Beteiligungen an chinesischen Firmen nun eigene Chips
Für die nächsten Wochen wird die offizielle Präsentation neue Mate-40-Reihe von Huawei erwartet (vgl. Huawei fühlt sich trotz US-Boykott gerüstet: Mate 40 kommt später). Sie enthält Kirin-9000-Prozessoren der taiwanesischen Firma TSCM, die durch ihre Fünf-Nanometer-Fertigungstechnologie 84 Prozent mehr Bauelemente auf derselben Fläche unterbringt als beim anderswo üblichen Sieben-Nanometer-Verfahren.
Seit dem 15. September darf TSMC allerdings keine Kirin-9000-Prozessoren mehr an Huawei liefern. An diesem Tag traten nämlich neue amerikanische Anti-Huawei-Sanktionen in Kraft, die auch das Beliefern mit in Drittländern gefertigten Produkten umfassen, in denen US-Patente stecken (vgl. Handelskrieg: Samsung, SK Hynix und LG stellen Handelsbeziehungen zu Huawei ein).
Statt 15 nur 8,8 Millionen Exemplare
Weil sie vorher öffentlich angekündigt war, wusste man bei Huawei von dieser Verschärfung und versuchte, sich vor dem Stichtag möglichst viele Prozessoren liefern zu lassen. Medienberichten nach reicht die Menge aber nicht aus um die bislang eingegangenen Bestellungen zu decken: Statt 15 sollen nur 8,8 Millionen Exemplare zur Verfügung stehen.
Damit wieder eine größere Nachfrage befriedigt werden kann setzt Huawei anscheinend auf die Entwicklung neuer Prozessoren und Komponenten durch chinesische Hersteller. In die investiert der Konzern nun - anstatt wie vorher in Unternehmen außerhalb der Volksrepublik. Die US-Administration hat sich möglicherweise schon auf Huaweis Ausweichen auf chinesische Zulieferer eingestellt. In jedem Fall plant sie Sanktionen gegen die Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC, den bedeutendsten chinesischen Halbleiterhersteller (vgl. USA wollen chinesischen Auftrags-Chipfertiger SMIC mit Bann belegen).
Auch er soll nun von Technologie abgeschnitten werden, an der amerikanische Patente kleben. Offiziell begründet wird das von amerikanischer Seite aber nicht mit Huawei, sondern mit dem Vorwurf einer Zusammenarbeit mit staatlichen chinesischen Stellen für "militärische Zwecke", was SMIC von sich weist.
Marktposition in Deutschland um zwei Prozentpunkte geschwächt
Trotz der Huawei-Investitionen dürfte es etwas dauern, bis chinesische Unternehmen Komponenten liefern, die mit denen aus Taiwan und Südkorea mithalten können. Vor allem dann, wenn das ohne die Verletzung von amerikanischer Immaterialgüterrechtsansprüche geschehen soll. Dass Huawei diese Wartezeit durchhält, ist durchaus möglich. Bisher wirken sich die US-Sanktionen nämlich nicht auf allen Märkten gleich negativ aus. Durch die Absatzsteigerungen auf dem riesigen chinesischen Handymarkt konnte der der Konzern im Frühjahr und Sommer zeitweise sogar Samsung überholen (vgl. Huawei zieht an Samsung vorbei).
In Deutschland schwächte sich die Marktposition mit einer Einbuße von zwei Prozentpunkten im zweiten Quartal 2020 weniger deutlich ab als von Beobachtern erwartet. Hier liegt das Unternehmen mit 18 Prozent Marktanteil hinter Samsung mit 37 und Apple mit 23 Prozent Marktanteil auf Platz drei der Rangliste der absatzstärksten Smartphoneanbieter.
Merkel, Maas, Altmaier und Seehofer wollen nach politischen Kriterien entscheiden
Den Nachteil des wegen der US-Sanktionen fehlenden Zugriffs auf den Google Play Store will Huawei mit dem Betriebssystem HongMeng OS entgegentreten, das außerhalb Chinas den Namen "HarmonyOS" trägt. Über dessen App Gallery sollen Android-Apps heruntergeladen und installiert werden. Ob das problemlos klappt, wird sich herausfinden lassen, wenn das Mikrokernelsystem im nächsten Jahr ausgeliefert wird (vgl. Huawei will 2021 Harmony OS 2.0 auf Smartphones und Tablets bringen).
Auf dem Markt für Mobilfunknetzkomponenten, den Huawei ebenfalls beliefert, kaufen nicht Verbraucher, sondern Provider ein. Sie sind regelmäßig einem direkteren staatlichen Einfluss ausgesetzt. In Deutschland entschied bislang das Bundesamt für IT-Sicherheit nach technischen Kriterien, ob Angebote zulässig sind. Berichten der Tageszeitung Die Welt und des Handelsblatts nach soll sich das nun ändern. Danach hat sich die Bundesregierung grundsätzlich darauf geeinigt, dass nun auch das Außenministerium, das Innenministerium, das Wirtschaftsministerium und das Bundeskanzleramt "mitprüfen" - und zwar nicht nach technischen, sondern nach politischen Kriterien. Dafür sollen unter anderem Informationen des deutschen Auslandsgeheimdiensts BND ausgewertet werden.
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