Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Seite 2: "Wenn #Boehmermann auf Rapper macht, dann sollte er auch die Konsequenzen tragen"
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Das Problematische ist weniger eine mögliche juristische Verurteilung des Komikers, die er zumindest in Kauf genommen hat, sondern die moralischen Vorverurteilungen im Gewande von Rechtsbegriffen. Jene Diskurswächter, die dem Gedicht und somit dem Leser Rassismus ankreiden wollen, nähern sich dem absurden türkischen Straftatbestand der "Herabsetzung des Türkentums" an, wie er noch bis 2008 hieß. Dass der Wortlaut des Gesetzes geändert wurde, hat an der Rechtspraxis quasi nichts geändert und ist in den Köpfen scheinbar sowieso noch nicht angekommen, wie man an den momentanen türkischen Reaktionen sehr deutlich erkennen kann. Jene, die alle Grenzen planlos geöffnet sehen möchten, sehnen sich nun nach engeren Grenzen für Satire. So wird die Obergrenze des Humors von der Kanzlerin bis ins linksautonome Spektrum aus ähnlich kulturrelativistischen Motiven gefordert.
Dass ein Bushido, der nach eigener Aussage will, "dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt," und Claudia Roth mit Kugeln durchlöchern möchte, keinen Unterschied zwischen sich und Böhmermann sehen will, gibt Letzterem schon einen gewissen Sympathiebonus: "Ist man ein #Boehmermann ist es Kunst, ist man Rapper landet es auf dem Index. Fickt Euch Ihr Feuilleton Lutscher!!!"
Folgerichtig freut sich Anis Ferchichi dann auch darüber, dass Böhmermann mittlerweile Polizeischutz zu benötigen scheint: "Wenn #Boehmermann auf Rapper macht, dann sollte er auch die Konsequenzen tragen. Willkommen in unserer Welt du Tourist!!! #Boehmermädchen"
Er bezieht sich damit auf Böhmermanns "Ich hab Polizei". Dabei handelt es sich um eine ironische Rapeinlage, die sich ganz dezidiert gegen die notorische Vergötterung von Delinquenz und Mackertum richtete. "'Scheißfutt' und 'Fick dich doch selber, du dumme Futt, ey', hat (Böhmermann) der Komikerin Carolin Kebekus nach einem öffentlich zelebrierten Streit hinterhergeschrien, vor laufender Kamera, und sich damit als jemand erwiesen, dem man wahrhaftig allenfalls vor Gericht begegnen möchte", schreibt Gerhard Henschel in der Jungle World.
Bei solch einer Art der Betrachtung wäre es durchaus auch angebracht, beispielsweise Christoph Waltz als Nazi zu bezeichnen, da er einigermaßen "authentisch" einen solchen verkörperte. Nun, wer mag, kann sich den öffentlich inszenierten Streit hier ansehen und sich selbst ein Urteil erlauben.
Erstaunlicherweise sind es momentan vor allem die Komiker selbst, von denen die sinnvollsten Aussagen zu der Thematik stammen. Momentan sind es gerade sie, die für die Trennung von Politik und Kunst, Moral und Recht sowie Kritik und Gewalt eintreten betonen, dass man sich diesen Quatsch, sofern man ihn für zu unerträglich hält, schlichtweg nicht anzusehen braucht. Ein Rat, der hiermit dankend angenommen wird.