Hunderttausend Höllenhunde!

Weil Fluchen nie schöner war: "Happy Birthday, Tim und Struppi!"

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Hergés populäre Comicreihe "Tim und Struppi" feiert am 10. Januar achtzigsten Geburtstag. Aber weshalb sind die Geschichten, die in 35 Sprachen übersetzt wurden, überhaupt so beliebt? Eine Interpretation.

Auf den ersten Blick scheint es der Figurenkonstellation zu verdanken sein, dass Hergés Comicreihe "Tim und Struppi" so populär wurde. Tatsächlich liegt der Erfolg aber insbesondere an dem Mut, den der Protagonist und sein vierbeiniger Begleiter in den 24 erschienen Bänden an den Tag legen. Schließlich bedarf es eines Helden, mit dem man sich identifizieren kann. Und so einer ist Tim: aufgeweckt, optimistisch, und in der Lage, Fakten miteinander zu kombinieren.

Dennoch: Ohne die Charaktere, die ihn während seiner Abenteuer begleiten, wären die Geschichten längst nicht so lesenswert wie sie es letztlich geworden sind. Da gibt es zum einen Käpt'n Haddock, einen Ex-Seefahrer und wohlhabenden Schlossbesitzer, der schnell zu cholerischen Ausbrüchen tendiert. Wer die Comics kennt, wird sich sicherlich gut an Sprüche wie "Hagel und Granaten!" und "Hunderttausend Höllenhunde!" erinnern - so ein Flucher aber auch, der Haddock!

"Tim im Lande der Sowjets" ist die erste Geschichte von Hergé. Sie erschien unter dem Titel "Tintin, Reporter du Petit Vingtiéme, au Pays de Soviets".

Ein ganz anderes Kaliber, sofern man in diesem Fall denn überhaupt von Kaliber sprechen kann, ist Professor Bienlein. Der Wissenschaftler mag zwar ein Experte auf dem Gebiet der Naturwissenschaften sein, er ist jedoch so schwerhörig, dass er die (gesagten) Dinge um sich herum fehlinterpretiert. In "Die Juwelen der Sängerin" (1961 - 1962) etwa führt das dazu, dass die Medien wegen Bienleins Taubheit eine Falschmeldung veröffentlichen: Käpt'n Haddock und die Opernsängerin Bianca Castafiore planen angeblich eine Heirat. Dabei geht die italienische Trällertante dem Käpt'n doch tierisch auf den Nerv...

Wenn Bienlein etwas falsch versteht, mag das ein jeden - insbesondere den aufbrausenden Käpt'n - zur Weißglut bringen, im Grunde kann man es dem Professor jedoch keineswegs übel nehmen. Man neigt sogar dazu, ihn beschützen zu wollen. Besonders gut demonstriert dies die auf zwei Bände verteilte Geschichte, in der Bienlein entführt wird: "Die sieben Kristallkugeln" (1943 - 1944) und "Der Sonnentempel" (1946 - 1948). Gleiches gilt für "Der Fall Bienlein" (1954 - 1956).

Neben Käpt'n Haddock und Professor Bienlein sind Schultze und Schulze mit von der Partie. Die beiden Detektive gleichen sich bis auf einen kleinen Unterschied beim Schnurrbart fast wie ein Ei dem anderen. Beide tragen einen schwarzen Anzug sowie eine Melone und führen stets einen Gehstock mit sich. Zwillinge sind es trotzdem nicht. Bezüglich ihrer Arbeit geben sie sich allerdings nicht außergewöhnlich begabt. Statt Fälle mit Bravour zu lösen, versuchen sich die beiden Herren eher durch sprachliche Bemerkungen gegenseitig zu übertreffen.

Tim hat es also gar nicht so leicht, sich den Herausforderungen des Alltags zu stellen, beanspruchen ihn doch die Leute um ihn herum schon mehr als genug. Vielmehr werden die Angelegenheiten meist noch verworrener als sie es eigentlich sind. Zudem entsteht eine Situationskomik wie man sie aus dem Slapstick-Genre kennt. Das führt dazu, dass der Leser mitunter den Ernst der Lage gar nicht als bedrohlich empfindet. Der Humor der Geschichten ist es dann auch, der den Ablauf so unterhaltsam und in sich geschlossen wirken lässt.

Darüber hinaus gilt "Tim und Struppi"-Erfinder Hergé als Begründer der "Ligne Claire", eines Zeichenstils, der auf Schraffuren oder Schatten verzichtet und klare Konturen in den Vordergrund rückt (Quelle: Meyers Lexikon). Marcel Feige, Autor des Comic-Lexikons, schreibt in diesem Zusammenhang, dass "Text und Bild zu einer Einheit werden" würden, bei der die Informationen nicht nur über die Sprechblasen transportiert werden, sondern vielmehr in den Zeichnungen selbst zu finden sind.

"Tim und die Alpha-Kunst" ist der letzte, der 24. Band, wurde aber niemals fertig produziert -Hergé hatte sein Werk geschützt...

Hergé, der eigentlich Georges Rémi hieß und von 1907 bis 1983 lebte, veröffentlichte das erste "Tim und Struppi"-Abenteuer am 10. Januar 1929, und zwar in der Jugendbeilage "Le Petit Vingtième" der katholischen Tageszeitung "XXième Siècle". Zum nunmehr achtzigsten Geburtstag der Reihe brachte das zum Filmverleih Universum gehörende Label ufaART am 5. Januar eine limitierte Jubiläums-Sonderedition auf DVD (49,99 Euro) heraus. Die Adaptionen orientieren sich sehr an den Vorlagen, auch wenn viele Dialoge umgeschrieben wurden. Beim Carlsen Verlag sind außerdem Ende 2008 bereits Farbfaksimile für Sammler erschienen.