ICANN hat neun neue Direktoren
Auseinandersetzung um Verträge vorprogrammiert
Zwei Kanadier und fünf Vertreter aus Europa haben die ICANN-Supporting Organizations in das Direktorengremium der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) gewählt. Die strengen Regeln der neuen Domainverwalter, alle geographischen Regionen zum Zug kommen zu lassen, haben den afrikanischen Kandidaten nichts, den asiatischen nur wenig genützt. Auch aus den USA hat nur der vielleicht bekannteste Bewerber, MCI-Vizepräsident und ISOC-Mitbegründer Vinton Cerf, den Sprung ins Direktorium geschafft.
Um so gespannter darf man deshalb auf die erste Jahresversammlung in der nächsten Woche in Los Angeles sein. Denn noch ist nicht vorhersehbar, wie die neun gewählten Direktoren über die Verträge entscheiden, die die ICANN-Interim-Führung mit dem Exmonopolisten NSI und der amerikanischen Regierung ausgehandelt haben.
Jeweils drei Direktoren konnten die Adress Supporting Organisation (ASO), die Protocoll Supporting Organisation (PSO) und die Domain Name Supporting Organisation (DNSO) bestimmen. Die ASO hatte es dabei wahrscheinlich am leichtesten, konnte sie doch alle bislang in ICANN vertretenen regionalen Registries berücksichtigen und je einen Vertreter von Ripe, Arin und Apic benennen. Kaum schwerer hatte es die PSO, die sich, so Vinton Cerf im CNN-Interview, um die Adressvergabe kümmern muss, wenn mit dem neuen Protokollstandard Ipv6 das Kapazitätsproblem im Netz angegangen wird. Von vier PSO-Organisationen muss nur die ITU vorerst auf einen Sitz verzichten. Das WorldWideWeb-Konsortium (W3C), die Internet Enginiering Task Force (IETF) und die europäische Standardisierungsorganisation ETSI kamen zum Zug. Kritik dürfte die PSO allerdings damit ernten, dass Sie mit Philip Davidson und Jean-Francois Abramitic zwei Europäer setzte. Das widerspricht den Regeln, auch international repräsentativ zu sein.
Am schwersten aber hatte es das Wahlgremium der sieben DNSO-Zünfte. Immerhin sollen hier so gegensätzliche Interessen wie die "Nichtkommerziellen" (Verbraucherorganisationen, Universitäten) und Markenrechtsvertreter, Service Provider und NSI ein Mitspracherecht bekommen. Kein Wunder also, dass die stimmberechtigten Mitglieder des Names Council in der Wahlwoche Hunderte von Mails und Telefonanrufen erhielten. Ein Vertreter sprach deshalb von ICANN als einer Lobbyveranstaltung im ganz großen Stil. Nach Pannen bei der elektronischen Wahl wurden schließlich der kanadische Markenrechtler Jonathan Cohen, der algerische Uni-Netzwerkexperte Alejandro Pisantry und der katalanische Jurist Amadeu Abril i Abril gewählt.
Abril gab sich nach seiner Wahl kämpferisch. Er werde gegen die Verträge zwischen ICANN, DOC und NSI in der aktuellen Form stimmen. Abril dürfte mit der Ablehnung nicht allein stehen, klagen doch vor allem die Provider über klare Wettbewerbsvorteile, die sich NSI gesichert hat. Kritisch beurteilt wird allgemein auch die Hoheit des DOC über ICANN. "Wir rechnen damit, daß die Verträge Zustimmung erhalten, garantieren kann ich dafür allerdings nicht," meint Ester Dyson. Die Europäer, so die ICANN-Interims-Präsidentin, würden verständlicherweise nicht alle Bestimmungen gut heißen, aber bei den Verträgen handele es sich um ein Paket. Was davon noch verhandelbar ist, hat die Generaldirektion 13 der Europäischen Kommission Mitte Oktober mit Experten des Department of Commerce (DOC)diskutiert.
Vom fortbestehenden Aufsichtsrecht über die private Organisation werde die amerikanische Regierung nur nach internationaler Konsultation Gebrauch machen, versicherten die DOC-Vertreter. Wenig Chancen auf Nachbesserungen sehen die US-Amerikaner allerdings bei Bestimmungen zugunsten einer privilegierten Stellung von NSI. Nach Aussagen eines Kommissionsvertreters befürchten die Amerikaner, dass NSI gegen die amerikanische Regierung vor Gericht ziehen wird, wenn die Verträge nicht unterzeichnet werden. Wie das nun mit 18 Mitglieder plus Präsidentin besetzte Direktorium entscheiden wird, ist nicht abzusehen. Gibt es keinerlei Nachbesserungen, könnte es zur Kampfabstimmung kommen. Und im Falle eines Scheiterns müsste wohl, so ein EU-Vertreter, eine Art internationaler "Notfall"-Vereinbarung zwischen den Regierungen getroffen werden, wie es mit dem ICANN-Prozess weitergeht.