IS-Milizen erobern Palmyra zurück

Screen-Shot/Amaq-Video

Russische Militärs sprechen von einer großen Streitmacht des IS und vermuten die USA im Hintergrund der überraschenden Offensive

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IS-Milizen hissen wieder ihre schwarze Flagge in Palmyra. Die Meldungen über die militärischen Erfolge des IS differieren je nach Quelle. Die syrische Nachrichtenagentur Sana berichtet am Sonntag, den 11.Dezember, dass es den ISIS-Terroristen gelungen sei, vom Osten her in die Stadt einzudringen, nachdem es zu heftigen Kämpfen mit der syrischen Armee deren verbündeten Truppen und IS-Kämpfern gekommen war.

Eine Meldung der - regierungsnahen - Website Almasdar-News vom selben Tag präzisiert, dass IS-Milizen das Viertel Al-Amariyah erobert hätten, eine wichtige Erhöhung des gleichen Namens und die Zitadelle von Palmyra (ebenfalls auf einer Erhöhung). Dem folgt der Satz: "Dies machte jeden weiteren Versuch, Positionen innerhalb der Stadt zu halten, vollkommen sinnlos."

In einer weiteren Meldung wird der Rückzug der syrischen Armeeeinheiten auf der Straße zwischen Palmyra und Homs bestätigt und von weiteren Eroberungen des IS im Westen von Palmyra berichtet. Zudem heißt es, dass IS-Milizen kurz davor stünden, den Flughafen von Palmyra zu erobern.

Karten von Sonntagnachmittag bestätigen die militärischen Erfolge des IS. Die IS-Medienagentur Amaq behauptet, wie auch die oppositionsnahe SOHR, ebenfalls die vollständige Eroberung Palmyras, selbst wenn die Videos - bisher - Vorstöße nur an den Außenbezirken dokumentieren.

Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtet, auf Informationen des Gouverneurs von Homs gestützt, am Sonntagabend von IS-Angriffen auf Palmyra aus verschiedenen Richtungen und von einem Rückzug der syrischen Armee und verbündeter Milizen in Außenbezirke von Palmyra. Nach jüngsten Meldungen von Beobachtern könnte sich das Blatt aber auch wieder wenden.

4.000 IS-Milizen

Zuvor konstatierte das russische Zentrum für die Versöhnung der Kriegsparteien in Syrien eine Übermacht der IS-Milizen: Mehr als 4.000 IS-Milizen hätten sich für den Angriff auf Palmyra formiert. Die russische Luftwaffe, so ist dem Bericht zu entnehmen, könne nur "begrenzt eingreifen", da man keine Angriffe auf Wohnviertel fliege.

Zitiert werden Erklärungen von Militärs, die auf einen Einfluss der USA verweisen: Der IS habe Streitkräfte, Reserven und Waffen aus Raqqa und Deir ez-Zor für die Offensive mobilisieren können - nachdem Gruppen unter der Kontrolle der USA, die Rakka angreifen, ihre Kämpfe eingestellt hätten. Aufklärungsbilder hätten gezeigt, dass bis zu 5.000 IS-Kämpfer von Mosul im Irak aus nach Rakka und Deir et-Zor gezogen seien.

Da diese Aufnahmen nicht veröffentlicht sind, lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Unbestritten ist, dass es im syrischen Krieg um Einflusssphären geht. Die zwei großen Mächte, die ihre Zonen markieren, sind Russland und die USA. Die Entwicklungen im Irak und in Syrien hängen zusammen, wie der IS schon mehrmals vorführte.

Behaupten lässt sich auch, dass die USA je nach eigenen strategischen Interessen, den IS oder die Dschihadisten von al-Nusra attackierten oder von Angriffen aussparten.

Strategisches Spiel mit dem IS

Das größere Interesse galt vor der militärischen Intervention Russlands der Stellung der syrischen Regierung, die man absetzen wollte. Später, als Washington langsam begriff, dass die Dschihadisten eigenen Plänen und Interessen zuwiderlaufen könnten, versuchte man den Status des "kontrollierten Chaos" zu halten. Der Kampf gegen den IS wurde nie mit großer Konsequenz geführt, weil der IS wie auch andere Dschihadisten als Waffen gegen Baschar al-Assad ausgespielt wurden.

Mit der militärischen Intervention Russlands, die von der Regierung in Damaskus zu Hilfe gerufen wurde, wurde Russland zur großen Militärmacht in Syrien. Damit änderte sich auch der Fokus der US-Regierung. Eine Zusammenarbeit mit Russland im Kampf gegen den IS oder gegen die Dschihadisten in Syrien wurde zwar öffentlich immer wieder mal angekündigt, scheiterte aber letztendlich am politischen Prestigeverlust, der in Washingtoner Politik-Drehbüchern damit verbunden ist. Der Wille zu einer solchen Zusammenarbeit war nicht sonderlich ausgeprägt.

Mit dem absehbaren Fall von Aleppo wurde die Niederlage der US-Syrienpolitik in vielen Dimensionen sichtbar. Dass nun der Kriegsschauplatz in Palmyra bzw. in der Provinz Homs Kräfte der syrischen Armee und des russische Militärs beschäftigt, dürfte in der Regierung Obama nicht groß beklagt werden, eher im Gegenteil.

Aleppo: Noch keine Einigung zwischen den USA und Russland

Geht es nach jüngsten Informationen der syrischen Nachrichtenagentur sowie der Regierung nahestehender Webseiten und Karten, so macht die syrische Armee weiter militärische Gewinne in Vierteln in Aleppo, die von den Dschihadisten gehalten werden.

Laut Reuters sollen sich die USA und Russland auf einen Abzugsplan der Milizen geeinigt haben, demnach sah der Entwurf vor, dass Milizionäre der al-Nusra-Front nach Idlib abziehen können und andere Milizen in Gebiete nordöstlich von Aleppo, in die Nähe der türkischen Grenze.

Allerdings wurde die Abmachung vom russischen Vizeaußenminister Riabkow am Sonntag dementiert. Es sei zu keiner Einigung gekommen. Es gebe Fortschritte, aber keine Einigung, die Gespräche in Genf würden fortgesetzt.

Von der Offensive der SDF auf Raqqa werden kleinere Fortschritte in der Umgebung gemeldet. Berichtet wird, dass sich nun eine "Elitetruppe mit einem bekannten syrischen Oppositionellen" an der Spitze der SDF-Offensive anschließe.

Die LA-Times berichtete am Samstag, dass die USA weitere 200 Soldaten nach Nordsyrien entsenden will, um Milizen in ihrer Offensive auf Raqqa zu unterstützen, die sich ungefähr 20 Kilometer vor dem Ort befänden. Die US-Regierung unter Obama achtet darauf, ihr Einflussgebiet östlich des Euphrat zu festigen.