IWF: Alterung, Investitionsmangel, Bürokratie als Deutschlands Wirtschaftsprobleme
Deutschlands Wirtschaft wird auch in den nächsten Jahren mit Problemen zu kämpfen haben. Aber laut IWF resultieren sie nicht aus hohen Energiekosten. Was zu tun wäre.
Die deutsche Wirtschaft hat ernsthafte Probleme – das wurde auch auf Telepolis in den vergangenen Monaten immer wieder betont. Als einzige Volkswirtschaft der G-7-Staaten schrumpfte die deutsche Wirtschaft zuletzt, für dieses Jahr wird nur ein mageres Wachstum von 0,1 Prozent prognostiziert.
Die Rolle des russischen Gases
Vieles deutet darauf hin, dass die gestiegenen Energiepreise den Standort Deutschland ruinieren und die Industrie zum Abwandern bewegen. Dieser These widerspricht nun der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer aktuellen Analyse.
Das Versiegen der russischen Gaslieferungen im Jahr 2022 führte zu einem Anstieg der Inflation und der Lebenshaltungskosten. Das sieht auch der IWF so. Der Anstieg der Gaspreise erwies sich jedoch als vorübergehend. Nach dem Höhenflug im Jahr 2022 sind die Großhandelspreise wieder auf das Niveau von 2018 gefallen.
Auch andere Indikatoren zeigen ein ähnliches Bild: Die deutsche Wirtschaft hat sich von den Schocks der letzten Jahre erholt. So haben die deutschen Terms of Trade (ein Index der Exportpreise im Verhältnis zu den Importpreisen) wieder das Niveau vor dem Energieschock erreicht.
Auch der Handelsüberschuss stieg im vergangenen Jahr auf 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit liegt er zwar unter den – laut IWF – überhöhten Überschüssen der Vorkrisenjahre. Er liegt aber immer noch über dem Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte. Für das laufende Jahr rechnet der IWF mit einem weiteren Anstieg.
Übertriebene Sorgen um Deindustrialisierung
Auch die Angst vor einer Deindustrialisierung Deutschlands sei übertrieben, so der IWF. Energieintensive Branchen wie Chemie, Metall und Papier seien zwar geschrumpft, machten aber nur vier Prozent der Wirtschaft aus.
Die Autobauer legten dagegen um satte elf Prozent zu. Das liege daran, dass sie die grüne Wende meisterten und mit Elektroautos punkten könnten.
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Schließlich seien die deutschen Exporte von Elektrofahrzeugen um 60 Prozent gestiegen. Allein auf die beiden deutschen Hersteller Volkswagen und BMW, für die Daten vorliegen, entfielen mehr als zehn Prozent des weltweiten Absatzes von Elektrofahrzeugen.
Die tatsächlichen Ursachen der Wirtschaftsschwäche
Angesichts dieser positiven Nachrichten stellt sich die Frage, warum die deutsche Wirtschaft dennoch schwächelt. Der IWF sieht eine Mischung aus temporären und einigen strukturellen Faktoren.
Zu ersteren gehören die Konsumausgaben. Aufgrund der steigenden Inflation hielten sich die Verbraucher mit Ausgaben zurück. Die Europäische Zentralbank (EZB) griff ein und erhöhte die Zinsen.
Dadurch konnte verhindert werden, dass sich die hohe Inflation verfestigt. Allerdings um den Preis, dass der Wohnungsbau abgewürgt und zinssensitive Branchen belastet wurden.
Negativ wirkte sich auch aus, dass sich die weltweite Nachfrage nach der Coronapandemie veränderte. Es wurden weniger Fertigwaren und mehr Dienstleistungen nachgefragt. Für einen Industriestandort wie Deutschland konnte dies nicht ohne Folgen bleiben.
Die strukturellen Herausforderungen
Die gute Nachricht des IWF ist, dass dieser vorübergehende Gegenwind in den nächsten ein bis zwei Jahren allmählich nachlassen dürfte.
Die schlechte Nachricht sei, dass ein grundlegenderer struktureller Gegenwind – das langsame Produktivitätswachstum – wahrscheinlich anhalten werde, wenn keine Reformen durchgeführt würden. Ein weiteres strukturelles Problem – die Alterung der Bevölkerung – wird sich in den kommenden Jahren deutlich beschleunigen.
Die Lösungsansätze des IWF
Um diesen grundlegenden Herausforderungen zu begegnen, die die mittelfristigen Wachstumsaussichten Deutschlands beeinträchtigen, schlägt der IWF eine Reihe von Maßnahmen vor.
Dazu gehört die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, die derzeit fünfmal häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Ein verbesserter Zugang zu verlässlicher Kinderbetreuung und eine steuerliche Entlastung von Zweitverdienern in Partnerschaften könnten dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.
Ferner empfiehlt der IWF, die öffentlichen Investitionen zu erhöhen, die aufgrund von Personalmangel in den Kommunen oft ungenutzt bleiben. Eine Stärkung der Planungskapazitäten der Kommunen durch Beratungsprogramme wie "Partnerschaft Deutschland" könnte hier Abhilfe schaffen.
Um die Produktivität zu steigern, schlägt der IWF vor, Bürokratie abzubauen und staatliche Dienstleistungen zu digitalisieren. Es dauert etwa in Deutschland fünf bis sechs Jahre, um eine Genehmigung für den Bau eines Windparks an Land zu erhalten, und 120 Tage, um einen Gewerbeschein zu bekommen – mehr als doppelt so lange wie im OECD-Durchschnitt.
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