IWF "Rettungsaktion" für Korea
Die Auflagen des IWF in Zusammenhang mit dem "Entschuldungspaket" machen die südkoreanische Wirtschaft reif für Übernahmen durch ausländische Investoren.
Im späten November 1997, kurz nach dem dramatischen Fall des koreanischen Won am Devisenmarkt, wurde ein Team von IWF Ökonomen, angeführt von Hubert Neiss, eilig nach Korea befördert. Sein Mandat: Die Bedingungen einer "Rettungsaktion mexikanischen Stils" zu verhandeln, mit Blick auf die "Wiederherstellung ökonomisch gesunder und stabiler Zustände".
Ein wichtiger Präzedenzfall wurde gesetzt: Die "ökonomische Standardmedizin" des IWF (routinemäßig den Ländern der Dritten Welt und Osteuropas auferlegt) wurde zum ersten Mal in einem hochentwickelten Industrieland in Anwendung gebracht... Die Details des ökonomischen Reformprogramms waren jedoch bereits im Vorhinein in Beratungen mit dem US Finanzministerium, Wall Streets Kommerz- und Investmentbanken, sowie mit den wichtigsten Bankeninteressen in Japan und Europa ausgearbeitet worden.
Ein "Letter of Intent" ("Memorandum über das Wirtschaftsprogramm") wurde seitens der Regierung eilig zusammengestellt, praktisch ohne jegliche vorhergehende Analyse der breiteren Ursachen der ökonomischen Kernschmelze. (Die "politischen Lösungen" waren bereits entschieden worden, Analyse wurde nicht mehr als notwendig erachtet).
Ein Begleitbrief wurde mit Hilfe von IWF-Beamten aufgesetzt und, datiert auf 3.Dezember, vom Direktor der Bank von Korea, Herr Kyung shik Lee, und vom Finanzminister, Herr Chan yuel Lim unterzeichnet. Das Memorandum umfaßte das übliche "Politische Rahmenpapier" (Policy Framework Paper, PFP), das von den Bretton Woods Nationen in die Schulden gerutschten Drittweltländern auferlegt wird. (Siehe ).
Der Geschäftsführer, Michel Camdessus, war während der letzten Verhandlungstage in Seoul. Die IWF Mission wurde am 3.Dezember nach nur einer Woche flott abgeschlossen. Eine Entscheidungsvorlage über die anhängige Vereinbarung war von Mitarbeitern des IWF bereits ausgearbeitet worden, um am nächsten Tag, dem 4.Dezember, dem Vorstand des IWF vorgelegt zu werden. In enger Abstimmung mit dem Verhandlungsteam des IWF hatten die Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank ebenfalls eigene Teams geschickt. Ein Paket der Weltbank mit strikten Bedingungen bezüglich der "finanziellen Regierungspolitik" wurde am 18.Dezember angekündigt.
Ein Sicherheitsnetz für die Kreditgeber
Am Weihnachtsabend dem 24.Dezember wurden Vertreter von 6 führenden US-Banken, darunter Chase, Bank America, Citicorp und J.P.Morgan zu Gesprächen in die Federal Reserve Bank in New York eingeladen. Die "großen Fünf" der New Yorker Firmenbanken (Goldman Sachs, Lehman Brothers, Morgan Stanley und Salomon Smith Harney) wurden in die Diskussionen über Südkoreas kurzfristige Schulden ebenfalls einbezogen. (FT, 27-28 Dezember, 1997, p3)
Praktisch zeitgleich trafen sich 80 europäische Kreditbanken unter dem Vorsitz der Deutschen Bank hinter verschlossenen Türen in Frankfurt/M, während Japans 10 größte Banken (die zusammen für einen großen Teil von Koreas kurzfristigen Schulden stehen) zugleich an Diskussionen auf höchster Ebene mit Herrn Kyong shik Lee, Direktor der Bank von Korea, beteiligt waren.
Kein Kapitalfluß nach Korea unter dem Rettungspaket
Das Rettungspaket (das von den G7 Staaten, dem IWF, der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank finanziert werden soll) wird allem Anschein nach nicht zu Kapitalflüssen nach Korea führen. Es dient vor allem den Interessen der internationalen Bankengemeinde und ermöglicht es Banken in den USA, Europa und Japan bei den kurzfristigen Schulden Koreas abzukassieren. Umgekehrt wird Korea unter dieser Vereinbarung bis zum Jahr 2006 in den Schuldendienst eingespannt sein.
Das makroökonomische Programm
Das IWF Programm schmälert Koreas wirtschaftliche Souveränität, es stürzt das Land praktisch über Nacht in eine tiefe Rezession. Die sozialen Auswirkungen sind verheerend. Der Lebensstandard ist zusammengebrochen. Das IWF-Programm drückt auf die Gehälter und schafft Massenarbeitslosigkeit. (Gehälter nach US-Dollars gerechnet sind bereits auf die Hälfte reduziert worden.) Die Vereinbarung zwingt die Regierung auch dazu, einen "flexiblen Arbeitsmarkt" einzuführen, einschließlich neuer Rahmenbedingungen für die Verminderung der Gehälter und das Entlassen von "überflüssigen" Arbeitnehmern.
Die Vereinbarung des IWF besteht darin, Koreas Bankensystem abzubauen, während zugleich Bedingungen geschaffen werden, welche die schnelle Übernahme der profitabelsten Wirtschaftsunternehmen durch ausländisches Kapital ermöglichen. Die Vereinbarung erhöht die Maximalbeteiligung ausländischer Unternehmen auf 50 Prozent zum Jahresende 1997 und auf 55 Prozent im Februar 1998. Die Vereinbarung fordert außerdem weitere Handelsliberalisierungen, ebenso wie die Öffnung des Inlandsmarktes für Regierungswertpapiere. Sie markiert außerdem das Ende des Zentralbanksystems in Asiens lebendigster Volkswirtschaft.
Unter der Gesetzgebung, deren Einführung von der IWF-Vereinbarung verlangt wird, ist eine hundertprozentige Eignerschaft durch ausländische Banken möglich. "Ausländische Handelsbanken können Anteile an Inalndsbanken ohne jegliche Einschränkungen erwerben". (Memorandum, para. 32, p.44)
Die Schmälerung von Koreas Unabhängigkeit
Eine de facto "Parallelregierung" wurde eingerichtet. Die Bank of Korea (BOK) wird umorganisiert, die Macht des Finanzministers wird neu definiert. Unter dem Rettungsprogramm wird die steuerliche und monetäre Politik von externen Kreditgebern diktiert. Die Geldpolitik wird unter der Aufsicht des IWF gestrafft. Regierungsausgaben für Sozialprogramme und Infrastruktur werden gekürzt.
Wie Gesetzgebung durch finanzielle Erpressung ermöglicht wird
Während einer Sondersitzung der Legislatur am 23 Dezember stimmten die Gesetzgeber vier Regierungsanträgen bezüglich des IWF-Rettungsplans zu. (Choe Seung chul, Assembly Opens to Legislate Key Financial reforms", Korea Herald, 23 December 1997)
Den Leitlinien des IWF entsprechende Gesetze wurden verabschiedet, welche die weitreichenden Befugnisse des Finanzministeriums abbauen, während ihm zugleich seine finanziellen regulativen und überwachenden Funktionen genommen werden.
Das Parlament von Südkorea wurde in eine Ja-Sagerpuppe umfunktioniert. Die Ermöglichung von Gesetzgebungen wird durch "finanzielle Erpressung" durchgedrückt. Wenn die Gesetzgebung nicht schnell umgesetzt wird, so wie es die vom IWF vorgegebenen Deadlines verlangen, werden die Auszahlungen im Rahmen des Rettungsprogramms aufgeschoben, was die Gefahr erneuter Finanzspekulationen heraufbeschwören könnte.
Der IWF hat ebenso die schnelle Verabschiedung von Gesetzen gefordert, die eine "unabhängige Zentralbank" ermöglichen sollen. Letztere Maßnahme wird die Finanzierung wirtschaftlicher Entwicklungen "von innerhalb" durch monetäre Politik verunmöglichen - ein Vorgang der auf staatlich gestützten Krediten beruhte und von weitreichender und zentraler Bedeutung für die rasche industrielle Entwicklung Südkoreas in den letzten 30 Jahren war.
Die Zentralbank wurde am Boden zerstört. Ihre Währungsreserven wurden von institutionellen Spekulanten geplündert. Ende November hatten die Währungsreserven der Bank von Korea mit 7.26 Milliarden US$ den tiefsten Stand aller Zeiten erreicht. Unter der IWF-Vereinbarung, welche die Versorgung mit Inlandskrediten einfriert, werden koreanische Unternehmen zunehmend auf ausländische Kreditgeber angewiesen sein (para. 28), wobei letztere zugleich routinemäßig an Spekulationen gegen den koreanischen Won beteiligt sind.
Der neugewählte Präsident unterstützt den IWF
Der gewählte Präsident Kim Dae-jung sprach bei einer Pressekonferenz im Wahlkampf am 5.Dezember (einen Tag nach der Entscheidung des IWF-Vorstands) die Warnung aus, daß "ausländische Investoren nun unseren gesamten Finanzsektor beliebig aufkaufen können, darunter 26 Banken, 27 Anlageverwalter, 12 Versicherungsunternehmen und 21 Handelsbanken, die alle zusammen an der koreanischen Börse für nur 5.5 Billionen Won notiert sind, was 3.7 Milliarden US$ entspricht". (Michael Hudson, "Draft for Our World", 23. Dez.97) Nachdem er jedoch die Wahl am 18. Dezember gewonnen hatte, verkündete Kim seine unnachgebige Unterstützung für den IWF: "Ich werde die Märkte weit öffnen. Und ich werde es so machen, daß ausländische Investoren mit vollstem Vertrauen investieren können".
Das Bankrottprogramm des IWF
Die Entwertung des Won hat eine tödliche Kette von Bankrotten hervorgerufen, die sowohl den Finanzsektor als auch die Industrie betrifft. Die Entwertung hat auch scharfe Preissteigerungen für Konsumentenbedürfnisse ausgelöst.
Ironischerweise hat das IWF-Programm, anstatt "wirtschaftliche Stabilität" zu bringen, die Auswirkungen der Entwertung noch gesteigert und eine weitere Folge von Bankrotten verursacht. Eine sogenannte "Politik des Ausstiegs zum richtigen Zeitpunkt" (das heißt ein "Bankrottprogramm) wurde in Gang gesetzt. Die Aktivitäten von 9 sich in Schwierigkeiten befindenden Handelsbanken wurden am 2.Dezember, also vor dem Abschluß der IWF-Mission, eingefroren. In Abstimmung mit dem IWF muß die Regierung nun, "ein umfassendes Aktionsprogramm zur Stärkung der finanziellen Beaufsichtigung und Regulation vorbereiten..." (Vereinbarung, para. 25)
Die Demontage der Chaebols
Die IWF-Vereinbarung hat Bedingungen geschaffen, die sogenannte "freundliche" Firmenzusammenschlüsse und Übernahmen durch ausländisches Kapital ermöglichen. Die Autoherstellergruppe Kia, eines von Koreas größten Konglomeraten, hat Insolvenz erklärt. Ein ähnliches Schicksal hat die Halla-Gruppe ereilt, die im Schiffbau, Ingenieurswesen und in der Herstellung von Autoteilen aktiv ist.
Das IWF-Programm trägt zur Zerschlagung der Chaebols bei, die nun eingeladen sind, "strategische Allianzen mit ausländischen Unternehmen einzugehen" (was gleichbedeutend mit ihrer Kontrolle durch ausländisches Kapital ist). Im Ausgleich dafür werden ausgewählte koreanische Banken für potentielle ausländische Banken "attraktiver gemacht", indem ihre nicht bedienten Kredite auf einen öffentlichen Entschuldungsfond umgelegt werden: Das Koreanische Anlagenverwaltungsunternehmen (KAMC).
Das vom IWF verfügte Einfrieren der Zentralbankkredite hindert die Zentralbank nun daran, gefährdeten Unternehmen oder Banken zu Hilfe zu kommen. Die Vereinbarung macht es zur Auflage, daß "diejenigen Handelsbanken, die nicht in der Lage sind, die entsprechenden Umstrukturierungspläne innerhalb von 30 Tagen umzusetzen, ihre Lizenz verlieren sollen." (Agreement, para 20, p.8)
Die Lähmung der Inlandsunternehmen
Das vom IWF geforderte Einfrieren der Kredite hat zur Lähmung der Bauindustrie und des Dienstleistungssektors beigetragen. "Die Banken weigern sich zunehmend, Kredite an Wirtschaftsunternehmen zu geben, während sie sich für die straffere Finanzpolitik der Zentralbank wappnen". ( Sah Dong seok, "Credit Woes Cripple Business Sectors", Korea Times, 28 December 1997) Nach den Worten eines Beobachters sind mehr als 90 Prozent der Bauwirtschaft (die zusammengenommen inländischen Finanzinstitutionen 20 Milliarden US$ schulden) bankrottgefährdet. (Song Jung tae, "Insolvency of Construction Firms rises in 1998", Korea Herald, 24 December 1997).
Die Verminderung der inländischen Kaufkraft (d.h. geringere Löhne und höhere Arbeitslosigkeit) hat außerdem "Kälteschocks bei den ständig gelddurstigen nationalen Kleinunternehmen verursacht". Die Regierung schlußfolgert, daß "eine ziemliche Anzahl von kleineren Unternehmen (die auf den Inlanbdsmarkt angewiesen sind) in den folgenden Monaten kaputtgehen werden." (Korean Herald, 5. dezember 1997). An die 15.000 Firmenkonkurse werden für 1998 erwartet.
Westfirmen gehen auf Großeinkaufstour
Die koreanische High-Tech und Herstellungsindustrie ist für schnelle Schnäppchen zu haben. Westliche Unternehmen sind nun auf einer Einkaufstour mit der Aussicht, Industrieanlagen zu Tiefstpreisen zu übernehmen. Die Abwertung hat bereits den Dollar-Wert vieler Unternehmen vermindert, die vom IWF gesponserten Reformen werden zu einem weiteren Abrutschen führen.
Die Hanwha-Gruppe ist bereits im Begriff, ihre Ölraffinierien an Royal Dutch/Shell zu verkaufen, nachdem sie bereits die Hälfte ihrer Chemiebetriebe an BASF in einem Joint Venture abgegeben hat. (Michael Hudson, op.cit.) "Samsung Electronics, der weltgrößte Hersteller von Computerspeicherchips sah seinen Marktwert auf 2.6 Milliarden US$ abfallen, von 6.75 Milliarden, die das Unternehmen vor Beginn des gesteuerten Absturzes wert war... es ist jetzt billiger, eine dieser Firmen zu kaufen als eine Fabrik - und man bekommt den gesamten Vertrieb und den eingeführten Markennamen, sowie ausgebildete Arbeitskräfte im Sonderangebot gleich noch gratis mitgeliefert"... (Michael Hudson, siehe obigen Quellenhinweis).
Michel Chossudovsky ist "Professor of Economics, University of Ottawa, author of "The Globalisation of Poverty, Impacts of IMF and World Bank Reforms", Third World Network, Penang and Zed Books, London, 1997."