IWF: Subprimekrise kostet 945 Mrd. Dollar
Die Berechnung der IWF-Ökonomen scheint teilweise aber zweifelhaft
Der aktuelle Financial Stability Report des internationalen Währungsfonds (IWF) beziffert die potentiellen Verluste und Abschreibungen durch die im letzten Sommer ausgebrochene Finanzkrise mit stattlichen 945 Mrd. USD. Die direkten Verluste aus den nun so berüchtigten "Subprime-Hypotheken", bei denen es tatsächlich zu Zahlungsausfällen der Schuldner kommt, schätzt der IWF dabei auf 45 Mrd. USD. Das erscheint vergleichsweise bescheiden, basiert allerdings auf einem Gesamtvolumen an ausstehenden US-Subprime-Hypotheken von 300 Mrd. USD, während die US-Notenbank Fed dieses Volumen mehrmals mit 1,3 Billionen USD beziffert hat. Auf Basis der Fed-Zahlen kamen eine Studie der Französischen Nationalbank vom Februar sowie der Autor dieser Geschichte bereits im Vorjahr (Kein Ende des "Credit Crunch") in Worst-case-Szenarien auf Ausfälle von bis zu 200 Mrd. USD.
Etwas realistischer erscheinen die Kreditausfälle, die der IWF bei anderen Kreditsegmenten befürchtet - 70 Mrd. USD bei höherwertigen Eigenheimhypotheken, 30 Mrd. bei kommerziellen Hypotheken, 20 Mrd. bei Konsumkrediten, 50 Mrd. bei Unternehmenskrediten und 10 Mrd. USD bei Krediten für Unternehmenskäufen - so dass der IWF insgesamt auf rund 225 Mrd. USD an Kreditausfällen kommt.
Den Löwenanteil der Verluste ordnet der IWF aber ohnehin den Abschreibungen auf Wertpapiere zu, die auf solchen Krediten basieren. Diese sind oft so kompliziert strukturiert, dass kaum einzuschätzen ist, was sie nun tatsächlich wert sind. Die Märkte für diese Papiere sind teilweise völlig zusammengebrochen und so auch die Marktpreise. Nach diesen müssen sie in den Bilanzen der Banken ("mark to market") aber bewertet werden, so dass eine Anleihe, die vielleicht bis zu ihrem Abreifen stets vertragskonform bedient werden wird, dennoch zum Marktpreis angesetzt werden muss, was laut IWF zu bilanziellen Wertberichtigungen im Ausmaß von insgesamt 720 Mrd. USD führen werde. Letztere Summe entspricht übrigens genau den Verlusten an Börsenkapitalisierung, die die globalen Banken seit dem Ausbruch der Krise zu verzeichnen hatten.
Das verwundert nicht, denn laut IWF sollte der Löwenanteil der Verluste von globalen Banken geschultert werden, und zwar laut IWF 440 Mrd. bis 510 Mrd. USD. Der Rest entfalle auf andere institutionelle Investoren wie Versicherungen (105 - 130 Mrd. USD), Pensions- und Investmentfonds (90 - 160), Hege Fonds etc. (110 -200) und nicht zuletzt auf die US-Regierung und die GSEs, die staatlich geförderten US-Hypothekeninstitute Fannie Mae und Freddie Mac.
Von diesen Verlusten hätten die globalen Banken inzwischen bereits rund 193 Mrd. USD in ihren Bilanzen berücksichtigt und sich seit November auch schon 105 Mrd. USD an frischem Eigenkapital besorgt - 41 Mrd. davon von den "Souvereign Wealth Funds", den staatlichen Investmentgesellschaften der Ölproduzenten und der asiatischen Exportländer.
Ein wenig zweifelhaft erscheint dabei, dass die Verluste der großen Kapitalsammelstellen (Investment- und Pensionsfonds) so niedrig ausgefallen sein sollen. Leider gibt der IWF kaum Auskunft, wie er auf die genannten maximal 160 Mrd. USD an Verlusten gekommen ist. Denn zwar dürften die direkten Verluste aus Zahlungsausfällen eher gering ausfallen, die indirekten Verluste auf Wertpapiere könnten die genannten Zahlen aber durchaus weit übersteigen. Immerhin hatten die großen Banken und die Aufsichtsbehörden, die aus den nun zweifelhaften Krediten die strukturierten Anleihen gebastelt haben, immer Kapitalsammelstellen wie Investmentfonds als wichtigste Kundengruppe genannt und immer angegeben, jeweils nur einstellige Prozentsätze dieser Anleihen in den Büchern behalten zu haben.
Darüber hinaus war vor dem Ausbruch der Krise immer behauptet worden, dass die Banken davon vor allem die schlechtesten Tranchen (heute als "toxic waste" bezeichnet) in die eigenen Bücher genommen hätten, einfach um bei den Investoren Vertrauen zu schaffen. Nun heißt es indes - und das schreibt auch der IWF -, die Banken hätten vor allem die am besten gerateten Tranchen behalten, wodurch sich die Frage stellt, wo denn dann jetzt die schlechten Tranchen liegen. Sollten eben diese Tranchen, bei denen bisher auch die größten realen Zahlungsausfälle verzeichnet werden, nun doch mehrheitlich bei den Fonds gelandet sein, dann stehen uns noch einige unangenehme Überraschungen bevor. Denn die Fonds müssen in der Regel nicht zu Marktpreisen bilanzieren und könnten diese Papiere noch zu den hohen Einstandspreisen in den Büchern haben, was natürlich auch für die top-gerateten Tranchen gilt.
Wenn sich die Preise aber nicht rasch wieder erholen sollten, und die befürchteten Kreditausfälle tatsächlich zu Ausfällen auch bei den Anleihen führen, dann werden dauerhafte Abwertungen irgendwann auch bei den Fonds nicht ausbleiben. Dadurch würden die Verluste dann auf jenen lasten, die bei Finanzkrisen schon traditionell zum Handkuss kommen: den kleinen Sparern, die in genau die Finanzprodukte investiert haben, die ihnen von den Finanzmaklern als sicher und gleichzeitig ertragreich verkauft wurden.
Von Rainer Sommer ist gerade aktuelle zur Finanzkrise in der Telepolis-Reihe das Buch: Die Subprime-Krise. Wie einige faule US-Kredite das internationale Finanzsystem erschüttern.
In diesem Buch werden die Akteure, Strukturen und Handlungsweisen der Finanzmärkte vorgestellt und die Krise - erstmals im deutschen Sprachraum - in einen größeren, makroökonomischen und historischen Zusammenhag gestellt. Denn aus historischer Distanz wird die Geschichte diese Finanzkrise vermutlich im Zusammenhang mit einer monetären Zäsur erzählt werden, wie sie in der Finanzgeschichte nur alle 50 Jahre vorkommt: dem Wandel des Weltwährungssystems von der "Dollarhegemonie" hin zu einem "bipolaren" System mit dem Euro als zweiter Weltleitwährung - ein Wandel, der vermutlich nicht ohne weitere Verwerfungen ablaufen wird.