IWF und ESM geben griechische Schulden verloren
"Neubewertung" der Wirtschaftslage
Seit Wochen wiegen viele Medien die Öffentlichkeit in dem Glauben, die Probleme Griechenlands seien unter Kontrolle. In Wirklichkeit aber geht die Angst um: Die Politik fürchtet nach dem historischen Verrat der Syriza-Regierung mehr denn je ein Aufbegehren des Volkes und die Gläubiger des Landes wissen: Obwohl sie ihre Schulden niemals zurückbekommen werden, müssen sie Griechenland, um einen Zusammenbruch des gesamten Systems zu verhindern, durch ständig neue Geldspritzen am Leben erhalten.
Wie heikel die Lage mittlerweile ist, lässt sich daraus ersehen, dass die Tilgungsfristen für griechische Kredite zum Teil bis 2054 gestreckt wurden und dass bereits jetzt geplant ist, spätestens im November weitere Laufzeitverlängerungen und Zinsstundungen vorzunehmen. Auch die objektiven Zahlen unterstreichen die Brisanz der Situation: Lag die Verschuldung Griechenlands zu Beginn der Krise bei ca. 120 % vom Bruttoinlandsprodukt und stieg bis zum Sommer auf 180 %, so wird sie mit Wirksamwerden des neuen "Rettungspakets" von knapp 90 Mrd. Euro die 200 % übersteigen.
Der IWF verlangte einen Schuldenschnitt
Die Bürokraten der Troika mussten sich in den vergangenen Wochen zudem mit einem weiteren Problem beschäftigen: Der IWF hatte seine Beteiligung am nächsten "Rettungspaket" von einem Schuldenschnitt abhängig gemacht, der ihn selbst nicht beträfe (da die Schulden des IWF immer vor allen anderen Schulden zu begleichen sind und keinem Schuldenschnitt unterliegen).
Mit dieser Taktik aber kam der IWF bei der EU-Kommission und der EZB nicht durch. Deren Bürokraten wissen schließlich, dass ein großer Teil der griechischen Schulden bei den sechs größten amerikanischen Großbanken rückversichert ist. D.h.: Die Wallstreet und auch der IWF können sich einen Zusammenbruch Griechenlands genauso wenig leisten wie die EU und die EZB. Wie aber aus dieser Pattsituation herauskommen?
Die "Lösung" des Problems wurde mittlerweile gefunden und der Welt vergangene Woche - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - verkündet: Auf Anregung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nimmt der IWF eine "Neubewertung" der griechischen Schulden vor.
Von der Schuldenquote zum Schuldendienst
Bisher galt für den IWF ein ehernes Gesetz: Die Schuldenquote, also die Obergrenze für die Verschuldung eines Landes im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft, durfte auf keinen Fall mehr als 120 % betragen. Da dieser Wert im Fall Griechenlands nach dem kommenden "Rettungspaket" aber jenseits der 200 % liegt und in absehbarer Zeit nicht unter-, sondern höchstens weiter überschritten wird, wird diese Schuldenquote in Zukunft nicht mehr als das entscheidende Kriterium zur Beurteilung der Finanzlage eines Landes gelten. Von nun an zählt für den IWF nur noch der Schuldendienst, d.h. die Fähigkeit des betroffenen Landes, ausstehende Zinsen zu begleichen.
Im Einzelnen sind folgende Regelungen ins Auge gefasst: Die Zinsen für die 130 Mrd. Euro aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF werden nun bis 2023 gestundet, die durchschnittliche Laufzeit aller Kredite beträgt 32 Jahre, die ersten Zahlungen werden erst 2040 fällig. Für die in diesem Sommer beschlossenen Kredite des ESM beträgt die durchschnittliche Laufzeit ebenfalls 32 Jahre, die Zinsen sind zwar sofort fällig, betragen aber vorerst nur 1 %.
Griechenland wird bis auf den letzten Blutstropfen ausgepresst
Das Manöver von ESM und IWF lässt sich mit dem Umgang einer Bank mit dem Bauherrn eines Eigenheims vergleichen, der über keinerlei Eigenkapital verfügt. Die Bank erlaubt ihm, ein für seine Verhältnisse viel zu großes Haus zu bauen, verlangt zunächst keinerlei Tilgung und nur überaus geringe Zinsen, die der Bauherr aus seinem geringen Einkommen gerade noch bestreiten kann. Die Bank setzt aber einen in der Zukunft liegenden Termin fest, zu dem der Zinssatz explodiert und die Tilgung mit hohen Summen einsetzt. Jeder der Beteiligten weiß, dass der Bauherr an diesem Tag den Offenbarungseid wird leisten müssen.
Die Zahlenmanipulation des IWF und des ESM zeigt nicht nur, dass der IWF sich über die Hoffnungslosigkeit der Verschuldungssituation Griechenlands im Klaren ist. Sie zeigt auch, dass IWF und ESM noch den letzten Blutstropfen aus dem völlig bankrotten Land und seiner Bevölkerung herauspressen wollen. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter, denn die Bewertung von Ländern auf Grund des Schuldendienstes, statt auf Grund der Schuldenquote bedeutet: Sowohl der ESM, als auch der IWF sind fest entschlossen, die Schuldenlawine, die nicht nur Europa, sondern die gesamte Welt existenziell bedroht, von nun an konsequent zu ignorieren und ein dem Untergang geweihtes System weiterhin ohne Rücksicht auf wirtschaftliche, politische und vor allem soziale Folgen durch billigste Rechentricks am Leben zu erhalten.
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