"Ich bin kein Nazi, aber ...!"
Seite 2: Glaubwürdigkeitsproblem
- "Ich bin kein Nazi, aber ...!"
- Glaubwürdigkeitsproblem
- Wirkungslose gesellschaftliche Ächtung
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Die Aussage "Ich bin kein Nazi, aber ..." bebildert die Schizophrenie des bürgerlich-konservativen Selbstbildes: Von moralischen Vorbehalten nur schwach berührt, kann die Identifikation mit dem ins Barbarische ausgreifenden Radikalnationalismus nur umso deutlicher ausfallen. Die Glaubwürdigkeit der darin angedeuteten Distanzierung hebt sich bereits im unmittelbar anschließenden "..., aber ..." sofort wieder auf, denn sie bescheinigt dem dann Folgenden ein Maß an Akzeptanz, welches nur unter weitgehender Absehung von allem, was das Nazitum wesentlich ausmacht, angeeignet werden kann.
Die weniger als halbherzige Distanzierung verrät vielmehr, dass die Vorstellung, trotz anderweitiger Verlautbarung doch ein Nazi zu sein, gleich hinter dem Komma lauert, denn in der Sache besteht ja Übereinstimmung, und die will auf jeden Fall zum Ausdruck gebracht werden. Würde die nach dem Komma auftauchende Sache von einem bekennenden Demokraten vorgetragen, bräuchte es die im ersten Halbsatz erfolgte Distanzierung überhaupt nicht, und alles wäre in bester demokratischer Ordnung. Es ist die Übereinstimmung in der Sache, die die vorab erfolgte Distanzierung unglaubwürdig erscheinen lässt und den eigentlichen Kern des Anliegens freilegt.
Die Distanzierung ist ein ungeliebter Reflex auf die halbherzig und nur unter wiederholt auftretenden Geburtswehen sich vollziehende öffentlich-demokratische Ächtung des Nazitums. Sie definiert (noch) eine prinzipiell durchlässige Grenze, bei deren Überschreiten der Ausschluss aus dem Konsens der Demokraten wirksam wird. Diesem drohenden Ausschlussszenario will sich der Nazi-Sympathisant lieber entziehen, dafür ist ihm die demokratische Fraktion noch zu groß und die faschistische zu klein.
Mit dem "..., aber ..." jedoch wird die Möglichkeit des Übertritts ins demokratiefeindliche Lager vorsorglich offen gehalten und schon einmal in Gedanken und als implizite Drohung an die demokratische Mehrheitsgesellschaft durchgespielt: wenn ihr meine Anliegen - so falsch und herbei phantasiert die auch sein mögen -, nicht zur Kenntnis oder besser noch ernst nehmt, kann ich meiner Sympathie ohne weiteres den tatsächlichen Übertritt ins von euch verfemte Lager folgen lassen.
Einig in der Sache
Wer sachliche Übereinstimmungen mit den Neofaschisten ausmacht und für sich in Anspruch nimmt, hat bereits die verbindende Ebene gefunden, auf die es ihm oder ihr ankommt:Aalles andere ist dann nur noch moralisches Beiwerk, auf das im Ernstfall - nämlich wenn es dann tatsächlich um die knallharte Durchsetzung der Sache geht - gern verzichtet werden kann.
Diese Befürchtung dürfte auch die Versteher jener berühmten "Besorgnis" umtreiben, die gern als Berufungstitel für eine verständnisheischende Befassung mit den Anliegen der Nazi-Sympathisanten ins Feld geführt wird. Diese "Besorgnis" wird bei mit existenziellen Sorgen belasteten Bürgern, derer es im reichen Hierzulande ja nicht wenige gibt, allerdings immer nur dann verortet, wenn sie nach rechts außen abzudriften drohen und sie dadurch den eben nicht ganz unberechtigten Verdacht nähren, dass es von einer demokratischen zu einer neofaschistischen Einstellung anscheinend nur ein kleiner Schritt ist.
Wie anders ist zu erklären, dass Wahlbürger anscheinend problemlos von demokratisch sich verstehenden Parteien aller Coleur zu den Neofaschisten wechseln können? Dieser Wechsel in der Wählergunst ist nur möglich, wenn es ein Gemeinsames zwischen den verfeindeten Parteien gibt, so sehr dies von jenen auch bestritten werden mag. Wie dieses Gemeinsame beschaffen sein könnte, wollen die betroffenen Parteien aber anscheinend lieber nicht so genau wissen, denn dies würde ja notwendigerweise die ganz gewöhnlichen und keineswegs als verdächtig erscheinenden staatsbürgerlichen Einstellungen, die den Erwartungen und dem Wahlverhalten der Bürger zugrunde liegen, zum Thema einer kritischen Betrachtung machen müssen. Und in der Folge kämen dann auch die ideologischen Grundlagen der Parteien ins Blickfeld des öffentlichen Interesses und die Frage auf, wieso Wähler sich überhaupt von einer politischen Richtung vertreten wähnen können, die doch angeblich dem bis vor einiger Zeit bei den Wählern durchaus beliebten eigenen politischen Wollen so vollkommen entgegengesetzt sein soll.