"Ich bin kein Nazi, aber ...!"

Seite 3: Wirkungslose gesellschaftliche Ächtung

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Wenn "besorgte" Bürger ihre Anliegen von einer Wahl zur anderen besser von einer Partei vertreten wähnen, die von allen anderen als eigentlich unwählbar stigmatisiert wird und dieses Stigma damit notwendig auch auf deren Wähler übergeht, so lässt sich daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass die damit verbundene gesellschaftliche Ächtung für diese Bürger anscheinend kein oder allenfalls nur ein nachgeordnetes Problem darstellt.

Wenn eine ganze Wählerschaft es in Kauf nimmt, aus der demokratischen Konsensgemeinschaft aufgrund ihres Wahlverhaltens ausgeschlossen zu werden, dann ist dies ein Hinweis darauf, wie wenig ihnen die Zugehörigkeit zu eben jener Gemeinschaft eigentlich noch bedeutet. Sie haben dann bereits ihre Mitgliedschaft in dieser Konsensgemeinschaft aufgekündigt und in der Partei der Neofaschisten ihre neue politische Heimat gefunden.

Wie sehr es ihnen dabei auf eine Abkehr von den Prinzipien der demokratischen Parteien ankommt, belegt der Umstand, dass sie sich in der Sache, d.h. mit dem "..., aber ..." ihres politischen Selbstverständnisses, bereits mit ihrer neuen Parteiheimat angefreundet haben. Mit ihrer Übereinstimmung in der Sache haben sie für sich einen hinreichenden Grund für ihre Wahlentscheidung gefunden, die auch durch die rassistischen und terroristischen Aktivitäten des ideologienahen Hardcore-Naziumfeldes anscheinend nicht in Zweifel gezogen werden, wie die neuesten Wahlergebnisse vermuten lassen. Ob sich daraus bereits eine generelle Akzeptanz faschistischer Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ableiten lässt, sei dahingestellt.

Zumindest von einer moralischen Warte aus betrachtet dürfte das neofaschistisch ausgerichtete Wahlverhalten ein Hinweis auf eine geringer werdende Distanz zu Aktivitäten dieser Art sein. Durch den Trick der Aufspaltung des eigenen politischen Selbstverständnisses in eine distanzierende und eine akzeptierende Seite halten sich die neofaschistisch orientierten Wähler einen Rückweg frei, auf den sie bislang anscheinend nicht verzichten möchten. Möglicherweise liegt dies auch darin begründet, dass die Neofaschisten bisher noch keine Möglichkeit hatten, ihr Programm praktisch umzusetzen, sie also auch ihre Problemlösungskompetenz im Sinne ihrer Klientel noch nicht unter Beweis stellen konnten bzw. mussten. Denn ob die Neofaschisten die hochgesteckten Erwartungen ihrer Wähler an eine politische Rechtswende praktisch auch tatsächlich würden erfüllen können, ist noch nicht bewiesen.

Fazit

Soviel lässt sich mit Bezugnahme auf die Wahlergebnisse des vergangenen Jahres bereits festhalten: Weder die moralisierende Ausgrenzungsstrategie der demokratischen Parteien und Öffentlichkeit den rechtsextrem orientierten Wählern gegenüber noch die Verständnis für deren Anliegen einfordernden Bemühungen mancher Politiker und Medienleute haben das gewünschte Ergebnis erbracht, nämlich eine Abkehr dieser Wähler von ihrer Hinwendung zu den Neofaschisten. Wenn sich sowohl Vorwürfe moralischer Art als auch eine um Verständnis bemühte Haltung als nicht zielführend erwiesen haben, liegt das womöglich an den Argumenten, die dabei zur Anwendung kamen, wenn sich die adressierten Bürger durch sie von ihren rechtslastigen Ansichten und Haltungen nicht haben abbringen lassen wollen.

Wer die subalterne Rolle, die den überwiegend lohnabhängigen Bürgern in diesem Land zugedacht ist, nicht thematisieren will, wer die Regeln der herrschenden Reichtumsproduktion und deren politische Verwaltung als alternativlos voraussetzt und die damit einhergehenden sowohl persönlichen als auch gesellschaftlichen Kollateralschäden als ebenso alternativlos und deshalb hinzunehmend behauptet, braucht sich nicht zu wundern, wenn sich die von ihren unverstandenen Voraussetzungen herrührende Unzufriedenheit der Bürger in genau jenen Bahnen Raum und Ausdruck verschafft, die im demokratisch-kapitalistischen Gesellschaftswesen von Grund auf angelegt sind: nämlich in einem nationalistisch unterfütterten Anspruchsverhalten und einem sich auf dieser Grundlage radikalisierenden Aus- und Abgrenzungswahn, der sich notwendig gegen Fremde(s) und Unangepasste(s) als Ersatzschuldige wenden muss, weil die Grundkostanten des demokratisch-kapitalistischen Gesellschaftsganzen (Kapital, Lohnarbeit, Konkurrenz, Delegation und Ausschluss von der Macht durch Wahlen) als die Verursacher ihres Unbehagens grundsätzlich weder zur Diskussion noch zur Disposition stehen sollen und dürfen.

Die begriffsleere Entrüstung der Bürger über die ihnen demokratisch aufgehalsten Zumutungen, deren schicksalshafter Fortgang ihnen ausgerechnet mittels freien Wahlentscheidungen als ihr ganz persönliches Anliegen wieder und wieder schmackhaft gemacht werden soll, gebiert notwendigerweise die immer gleichen, wenn auch immer rabiater sich gebärdenden nationalistischen Gespenster. Von ihnen erwarten sich die Enttäuschten und Frustrierten Erlösung und erhalten stattdessen ein vergiftetes Mahl untergeschoben, dessen am Ende tödliche Konsequenzen sie sich lieber nicht auszumalen getrauen!