Ich trete aus!
Ein Radio bei der GEZ anzumelden, ist einfach. Es wieder abzumelden, weil man es abgeschafft hat, eher nicht
Wann mein Entschluss feststand, auf den Rundfunk komplett zu verzichten, weiß ich nicht mehr. Vielleicht schon, als 1998 im Zuge einer kleinen Rundfunkreform hier im Südwesten der SWF (Südwestfunk) und der SDR (Süddeutscher Rundfunk) zum SWR zwangsvereinigt wurden. Wahnsinnige Einsparpotenziale! Synergieeffekte! Nun ja, es gab zwar auch Vereinigungskosten in mehrstelliger Millionenhöhe, aber gespart wurde ganz sicher, vor allem am Programm. Der Rundfunkrat des SWR besteht aus über siebzig Mitgliedern, er hat einen schönen Sitzungsplan mit entsprechendem Reise- und Verwaltungsaufkommen; Unterausschüsse und all die anderen Schikanen, wie sie zu einem richtig feschen Kleinstaaten-Parlament so gehören, gibt es auch.
Vielleicht habe ich das Radio aufgegeben, als die letzten Wortsendungen wegfielen, die so etwas wie Gespräche oder Information simulierten. Oder als die Musiksendungen, die einfach ein wenig Gedudel zur Ablenkung boten, so sehr mit Werbung, dummem Moderatorengeschwätz, Gewinnspielen und Call-In-Abstrusitäten durchsetzt waren, dass aus Ablenkung Hinlenkung geworden war, nämlich auf den Wunsch, einfach in Ruhe gelassen zu werden. Auf jeden Fall brauchte es eine Weile, bis ich mich dazu durchrang, auf das älteste elektronische Massenmedium ganz zu verzichten. Und von da bis zur Umsetzung des Entschlusses war immer noch ein weiter Weg. Aber irgendwann vor einigen Wochen stellte ich mir die Frage nach der letzten Radiosendung, die ich überhaupt auf meiner uralten Rappelkiste empfangen hatte. Und ich konnte mich nicht mehr erinnern. Es war mit gut gegangen bei meiner Radioabstinenz. Ich hatte nichts vermisst. Also Schicht im Schacht: weg mit dem Staubfänger, ab zum Elektromüll. Und eine Abmeldung bei der GEZ war auch fällig. Die Einsparpotenziale beliefen sich auf fast 64 Euro im Jahr.
So begann der Hürdenlauf. Die GEZ hat eine Homepage, oh ja. Und auf dieser Homepage finden sich verschiedene Abteilungen, wie "eingezahlt, "umgezogen", "ungezwungen", "ungezogen". Das war schon mal sehr witzig und voller Esprit. Die Rubrik "Abmelden" suchte ich allerdings zunächst vergebens. Abmelden schien bei der GEZ auf den ersten Blick nicht vorzukommen; etwas so Bizarres wie der Wunsch, aus der großen Gemeinschaft der Rundfunkteilnehmer auszutreten, sollte wohl nicht auch noch mit einem leicht zugänglichen Abmeldeformular belohnt werden. Aber dann fand es sich doch noch, das Formular. Eine kleine, hässliche PDF-Datei so bescheiden angelegt, dass selbst das Ausfüllen am Bildschirm nicht funktionierte, weil Buchstaben und Zahlen nicht in die vorgesehenen Kästchen passten (im Gegensatz zur sauber programmierten Anmeldemaske, die auf Kästchen ganz verzichten kann). Da das Abmeldeformular nicht sauber ausgefüllt werden kann, braucht man es auch nicht online abschicken zu können. Logisch, nicht wahr? Also musste ich es erst blanko ausdrucken, dann handschriftlich ausfüllen und nach Köln faxen. Anmelden geht bei der GEZ selbstredend online, abmelden findet zu Bedingungen statt, die etwa um 1990 Standard waren. Nun gut, die GEZ braucht viel Zeit, um Drohvideos gegen Schwarzhörer in Umlauf zu bringen, da kann man nicht auch noch eine klar strukturierte und funktionale Website erwarten. Und ich hatte mich ja immerhin abmelden können. Es war nicht unmöglich gewesen, nur ein wenig schwierig. Adieu Rundfunk, dachte ich.
Weit gefehlt. Etwa eine Woche später trudelte ein Brief aus Köln ein, der zwar bestätigte, dass mein Abmeldefax eingetroffen war, aber gleichzeitig weiteren Klärungsbedarf anmeldete. Ein beigefügter Fragebogen sollte ausgefüllt werden, um den genauen Charakter der Abmeldung zu klären. Man wollte wissen, auf welche Weise ich kein Radio mehr besaß. Ob ich vielleicht ohne Radio umgezogen war, zu jemand, der eins besaß? Wenn ja, wo wohnte denn der? Ob ich Schlingel im KFZ UKW empfing? Ob ich, wenn schon völlig radiolos, nicht demnächst ein neues Radio anzuschaffen gedachte? Da nahm es jemand ernst mit der Grundversorgung, keine Frage. Die detaillierte Aufschlüsselung war laut GEZ allein schon deswegen nötig, weil das Statistische Bundesamt weiß: 98% aller deutschen Haushalte verfügen über ein Rundfunkgerät. Das statistische Bundesamt irrt sich bekanntermaßen nie (vgl. Wir könnten uns mehr Rentner leisten).
Eine echte Zugehörigkeit zu den 2% Rundfunkverweigerern musste glaubhaft gemacht werden. Außerdem:
Gesetzl. Grundlage ist §4 Absatz 5 Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Die zuständige Landesrundfunkanstalt kann vom Rundfunkteilnehmer Auskunft über diejenigen Tatsachen verlangen, die Grund, Höhe und Zeitraum der Gebührenerhebung betreffen.
Ich kam meiner Bürgerpflicht nach und füllte auch das zweite Formular wahrheitsgemäß und buchstabengetreu aus. Die GEZ hatte zwar freundlicherweise auf ihrem Anschreiben die gesetzliche Grundlage für die Auskunftserhebung angegeben, aber leider keine Faxnummer. Flugs also noch einmal im Internet nachgesehen, um die Faxnummer in Erfahrung zu bringen. Transparenz und Nutzerfreundlichkeit werden groß geschrieben bei der GEZ, wo kämen wir denn auch sonst hin. Ich faxte also noch einmal. Und fragte mich, ob damit die Sache erledigt war.
Möglicherweise ist sie das nicht. Ich ahne, dass ich demnächst vor den RVA (Rundfunkverweigererausschuss) der GEZ geladen werde, damit im Rahmen einer rechtmäßigen Gewissensprüfung festgestellt werden kann, ob ich als anerkannter Rundfunkverweigerer zu gelten habe. Außerdem steht natürlich die Frage des Ersatzdienstes im Raum. Gemeinnütziges Sendemastputzen? Ehrenamtlicher Kaffeeausschank bei Rundfunkratssitzungen? Ich weiß noch nicht, was auf mich zukommt. Aber meine Verweigerungsbegründung steht: Mir haben die Ohren wehgetan bei dem Mist, für den ich meine Rundfunkgebühren zu entrichten hatte. Also ging mein Radio in die Resteverwertung. Ich sehe die Kommission schon ungläubig staunen. In meiner Vorstellung gleicht dieses ungläubige Staunen demjenigen der Musikindustrie, die sich nicht erklären kann, warum ihre bunt bedruckten, kopierschutzvernagelten Plastikscheiben in den Regalen liegen bleiben. Irgendwie fühle ich mich wie damals, als ich aus der Kirche austrat. Freunde, die mich in dieser schwierigen Situation beraten, haben mich gewarnt: "Die GEZ macht keine Gefangenen." Soll wohl heißen: einmal Rundfunkteilnehmer, immer Rundfunkteilnehmer. Aber ich bin entschlossen! Und wenn sie mir die Hölle androhen! Ich trete aus!