"Ihr wollt das Leben, wir den Tod"

Spanien: ein Videoband bestärkt den al-Qaida-Verdacht

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Die Detonationen vom Donnerstag haben alle anderen Wahlkampfthemen vom Tisch gebombt: Unter einer "dunklen Wolke" gehen Spaniens Bürger heute in die Wahllokale. Wut, Trauer, Schock und Entsetzen dominieren die Stimmung im Land. Keiner vermag zu diesem Zeitpunkt vorauszusagen, wie sich das auf die Wahl auswirken wird - außer, dass man eine große Wahlbeteiligung erwartet - , nachdem sich die Indizien verdichten (vgl. "Das ETA-Dementi passt Madrid nicht in den Kram"), dass nicht die ETA, die politisch eindeutiger zu verwerten gewesen wäre, sondern vermutlich Täter aus dem islamistischen Terror-Milieu für die Anschläge verantwortlich sind. Neuestes Indiz: ein Videoband vom angeblich "militärischen Sprecher der Al-Qaida in Europa".

Tausende von Menschen waren gestern vor dem Hauptquartier der regierenden Partei (PP) aufmarschiert und skandierten "Sagt die Wahrheit!". Auf einem Banner stand zu lesen: "Spielt nicht mit den Toten". Der Protest richtete sich gegen die Öffentlichkeitspolitik der Regierung, die am Verdacht gegen die ETA festhielt - trotz widersprüchlicher Indizien -, weil aus diesem Verdacht, so der Argwohn der aufgebrachten Menge, politisches Kapital für den Wahlsieg zu schlagen wäre. Als Reaktion darauf versprach der Innenminister Angel Acebes spät nachts "totale Transparenz" der Untersuchungen (Flashmobs gegen die spanische Regierung)..

Während die spanische Außenministerin Ana Palacio der BBC gegenüber noch heute Morgen behauptete, dass ein starkes Verdachtsmoment gegen die ETA nicht völlig ausgeräumt werden könnte, wurde bekannt, dass die spanische Polizei nach einem anonymen Anruf bei dem Fernsehsender Telemadrd am Samstagabend in einem Mülleimer in Madrid ein Videoband fand, auf dem ein 'Abu Dujan al-Afgani' die Verantwortung für die Anschläge behauptete.

"Ihr wollt Leben, wir wollen den Tod", erklärt der Mann, der sich als militärischer Sprecher von Al-Qaida in Europa ausgibt, aber nach Angaben von Offiziellen den Geheimdiensten nicht bekannt ist, auf dem Videoband in Arabisch mit einem starken marokkanischen Akzent. Die Anschläge seien als Rache für Spaniens "Kollaboration mit den Kriminellen, Bush und seinen Alliierten" durchgeführt worden. Noch ist allerdings die Authentizität des Bandes nicht eindeutig verifiziert. Das Band wird von einem Expertenteam analysiert, doch keine Diskussion über die Täter kommt mehr um das Wort "Al-Qaida" herum. Mittlerweile wird sogar über eine Zusammenarbeit der ETA mit der Qaida spekuliert.

Am Tag zuvor wurden drei Marokkaner und zwei Inder als Verdächtige in Zusammenhang mit einem Handy festgenommen, das die Polizei in einem Rucksack mit einem nicht gezündeten Sprengsatz gefunden hatte. Die Weckfunktion des Handys war dabei als Zünder programmiert worden. Die Marokkaner haben nach El Mundo seit vier Jahren ein Geschäft für Mobiltelefone und haben im Viertel den Ruf, alles reparieren zu können. Möglicherweise stammt das Handy von den Marokkanern. Einer soll auch bei einer Telefonüberwachung mit einer anderen Person gesprochen haben, die zum al-Qaida-Umfeld gerechnet wird. Beschlagnahmt wurden neben Telefonausrüstung auch nicht näher bezeichnete Mittel zum Fälschen.

Ein gestohlener Lieferwagen, der sieben Zünder und ein Tonband mit Koranversen enthielt, gilt als wichtige Spur. Nach Zeugenaussagen sollen drei Verdächtige aus diesem Wagen ausgestiegen sein, mit Rucksäcken, die Gesichter hinter Skimasken verborgen, und zu dem Bahnhof gegangen sein, wo drei der vier Züge abfuhren, in denen später Bomben explodierten.