Im Medienzirkus: Die Handlungsreisende der Wahrheit vs. Mister X

Seite 3: Neue Untersuchung

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Rom, die Nacht vom 8. auf den 9. März 1954. Jemand lässt Plakate mit den saftigsten Details aus dem für Fanfani angefertigten Geheimbericht kleben. Damit wird auch der erbittert geführte Streit darüber hinfällig, ob die Öffentlichkeit einen Informationsanspruch hat oder nicht. Der Saal wird also nicht geräumt, als am 10. März Oberst Pompei in seiner Carabiniere-Uniform vor Gericht erscheint und sein Dossier vorliest, Wort für Wort. Linke Zeitungen veröffentlichen den Bericht in voller Länge. Pompei hat viel Unvorteilhaftes über Ugo Montagna zusammengetragen (siehe oben) und einige seiner Freunde aufgelistet. Neben Piero Piccioni, der auch noch behaupten wird, dass er den Marchese gar nicht kennt, als Photos von einer gemeinsamen London-Reise auftauchen, finden sich da Spataro, Pavone, der Präfekt der Vatikanstadt, der Chef der staatlichen Schwefelbetriebe, ein hoher Polizeioffizier, der im Nebenjob ein paar von Montagnas Immobilienfirmen leitet und Ricardo Galeazzi-Lisi, der Leibarzt von Papst Pius XII. (Nachfolger von Pius XI., zu dessen Leibarzt Petacci der Marchese ausnahmsweise nicht die besten Beziehungen hatte - aber das Verhökern geklauter oder gefälschter Perserteppiche hat er längst nicht mehr nötig). Dem Polizeichef Tommaso Pavone stellt Pompei ein vernichtendes Zeugnis aus (unfähig, korrupt oder beides). Scelba, jetzt Ministerpräsident, hat das Problem, dass er Pavone selbst nach Rom geholt hat, als er noch Innenminister war. Um aus der Schusslinie zu kommen, suspendiert er ihn. Attilio Piccioni, der Außenminister, bietet freiwillig seinen Rücktritt an. Scelba lehnt ab.

Tommaso Pavone

Auch Pavones Staatspolizei hat ein Geheimdossier angelegt. Darin minutiös aufgelistet: die sexuellen Kontakte von Anna Maria Caglio (Name des Partners, Ort, Datum, Uhrzeit). Montagna gibt das Dossier an die Presse weiter. Der Versuch, seine Ex-Geliebte als Flittchen und Gelegenheits-Prostituierte zu diskreditieren, scheitert am Charisma des Schwarzen Schwans, an ihrer Bildung und ihrer Herkunft. So stellt man sich in der Öffentlichkeit keine Hure vor. Mehr Eindruck machen die Kommentare in der Presse, wo den Orgien der Reichen vier Millionen Arbeitslose gegenübergestellt werden. "Der Krebsschaden des Faschismus", schreibt die Turiner Tageszeitung La Stampa, "wuchert fort: die Diktatur ist es, die unsere herrschende Schicht zu der Auffassung erzogen hat, die Reichen hätten keine Verantwortung zu tragen für die Armen, die Gebildeten seien der Sorge für das Volk enthoben." Nicht Silvano Muto stehe vor Gericht, sondern die Republik, ihre Institutionen und die katholische Bourgeoisie. Muto, fast schon vergessen, erzählt Journalisten, was alles nicht in Pompeis Geheimbericht steht. Demnach ist der Marchese nicht nur der Zuhälter von Nazis, Faschisten und den Eliten der Republik, Immobilienspekulant und Mädchenhändler, sondern auch Waffen- und Rauschgiftschmuggler mit Geschäftsverbindungen in den Ostblock.

Der große Showdown wird am 20. März erwartet. Ugo Montagna, Piero Piccioni und Saverio Polito, der Polizeipräsident von Rom, sind gemeinsam vorgeladen. Beim Gerichtsgebäude fahren Jeeps mit bewaffneten Soldaten vor, berittene Polizisten kontrollieren die Straßen, Verbände von Armee und Polizei stehen bereit, um gegen Randalierer vorzugehen. Aber dann sagt erst noch Signora Marri aus, die frühere Vermieterin der Caglio. Der Schwarze Schwan, teilt sie dem Richter mit, hat ihr im Oktober 1953 einen Brief anvertraut - "zu öffnen nur im Falle meines Todes". Diesen Brief hat sie am Morgen an Anna Maria geschickt, um die Verantwortung loszuwerden. Der Richter gerät in Wut. Polizisten eilen zum Postamt und holen das Schriftstück, das schließlich geöffnet und verlesen wird. Datum: 30. Oktober 1953. Inhalt: Die Unterzeichnende, Anna Maria Caglio, wusste nichts von Ugo Montagnas Doppelleben, als sie sich mit ihm einließ. Ihrer christlichen Prinzipien wegen könne sie nicht Selbstmord begehen. Für den Fall, dass sie spurlos verschwinden oder zu anderen Aussagen gezwungen werden sollte, wolle sie hier die Wahrheit niederschreiben. Diese laute: Montagna ist der Kopf eines Rauschgiftrings und verantwortlich für das Verschwinden vieler Frauen. Piero Piccioni ist der Mörder.

Piccioni, Polito und Montagna während des Prozesses

Am 22. März bestätigt Anna Maria, dass sie diesen Brief geschrieben hat. Der Staatsanwalt beantragt, den Prozess für unbestimmte Zeit zu unterbrechen. Das Gericht gibt dem Antrag statt. Der Tod der Schreinerstochter Wilma Montesi ist endgültig zur Staatsaffäre geworden. Am 24. März rücken die Behörden von der bisher vertretenen Fußbad-Theorie ab. Um sagen zu können, wie Wilma wirklich gestorben ist, heißt es jetzt, seien weitere Untersuchungen erforderlich. Die Ermittlungen soll Dr. Raffaele Sepe leiten, oberster Untersuchungsrichter am Berufungsgericht von Rom. Das findet sehr viel Zustimmung. Sepe, ein 56-jähriger Witwer mit drei Kindern, war Mitglied der Hohen Kommission für die Entfernung von Faschisten aus dem Staatsdienst, gehört keiner Seilschaft an, ist vermögend und gilt als absolut unabhängig. Sein beachtlicher Leibesumfang (zwei Zentner) wird nur noch von seiner Gründlichkeit übertroffen.

Sepe beauftragt zwei "Superexperten" mit einer neuen Autopsie. Bei der ersten wurde Wilmas Leiche auf Drogenrückstände untersucht, dies aber nicht in den Teilen des Körpers, wo sich solche Rückstände hätten nachweisen lassen. Mit den Mitteln des Jahres 1954 ist das nicht nachzuholen. Das Herz ist ungewöhnlich klein. Das könnte die Theorie stützen, dass Wilma beim Fußbad im Meer ohnmächtig wurde (oder beim Vergewaltigungsversuch durch Piccioni). Andererseits ist nicht auszuschließen, dass das Herz nach dem Tod geschrumpft ist. Todesursache bleibt Ertrinken. Allerdings teilen die Superexperten die Meinung des Arztes, der die Leiche noch am Fundort untersuchte: Wilma starb demnach doch am 10. April 1953, am Tag nach ihrem Verschwinden, und nicht schon am 9. wie nach der ersten Autopsie angegeben. Das lässt genug Zeit für die Orgie in der Jagdhütte des Marchese.

Tausendundein Zeuge

Der Strand von Torvaianica, im April 1953 noch einsam und kaum bekannt, wird zum beliebten Ausflugsziel der Römer. Anders als die Müßiggänger im gleichnamigen Film von Fellini, die am Strand stehen und aufs Meer hinausschauen, sucht man aktive Erholung und veranstaltet "Fußbad-Rennen". Gewinner ist, wer als erster seine Füße im Meerwasser hat. Die Einheimischen sind genervt, weil sie ständig Fragen nach der Leiche beantworten müssen und den Weg zum Orgienhaus beschreiben sollen. Früher, als der Strand noch nicht so überlaufen war, soll es dort Nudisten gegeben haben. Könnte das der Ursprung der Gerüchte sein? Sind die Orgien nur das Phantasieprodukt sexuell unterdrückter Katholiken? Sind die vielen Filme schuld, die den Hedonismus im alten Rom auf die Leinwand bringen? Haben die Zeitschriften die Phantasie in Wallung gebracht, weil sie Woche für Woche Käufer mit immer neuen Geschichten über Claretta Petacci und die sexuellen Obsessionen des Duce locken (die Memoiren seines Dieners, der enthüllt, dass Mussolini täglich eine andere Frau hatte, sind ein Bestseller)? 1957 wird es einen Ortstermin in Capocotta geben, dem Anwesen von Montagnas Jagdverein St. Hubertus. Dabei wird man ein Gebäude besichtigen und es für entlastend halten, dass es da keine Toilette gibt. Braucht man also zwingend ein WC für eine Orgie?

Die italienische Sprache erhält ein neues Schimpfwort: Capocottari. Im Parlament verhöhnt die Opposition damit die Regierung. Bei Auswärtsspielen römischer Fußballclubs skandieren es die Fans der gegnerischen Mannschaft. "Die Capocottarier", schreibt Hans Magnus Enzensberger in einem Aufsatz zur Affäre (enthalten in Politik und Verbrechen), "das waren die Freunde der Regierung, die Schützlinge der Polizei, die Verbrecher mit den weißen Handschuhen, die Spekulanten, die vor keiner Gemeinheit zurückschraken, der Aussatz Italiens: mit einem Wort, die herrschende Klasse des Landes. Jedes Mädchen war ihr potentielles Opfer. Nicht nur Wilma Montesi, die Nation im ganzen schien ein Doppelleben geführt zu haben."

Andauernd melden sich jetzt Leute, die behaupten, Wilma bei Montagnas Sexparties getroffen, sie als Drogenkurierin kennengelernt oder beobachtet zu haben, wie sie ins Meer geworfen wurde und so weiter. Der Fall Montesi lässt auch eine Unsitte aus der Zeit des Faschismus wieder aufleben, die Denunziation. Sepe geht jedem Hinweis gewissenhaft nach. Dabei kommt wenig Konkretes heraus, aber es verstärkt sich doch der Eindruck, dass es im römischen Nachtleben viel Platz für Ausschweifungen aller Art gibt und junge Frauen aus allen Schichten, die bereitwillig daran teilnehmen, weil sie sich eine Film- oder Modelkarriere oder sonst etwas davon versprechen (nur der eindeutige Beweis, dass Wilma eine dieser Frauen war, der findet sich nicht). "Es gibt keine großen Spiralen des Lasters im Rom von 1954", notiert der Journalist Carlo Laurenzi in seinem Buch Due anni a Roma (1954-1955), "aber eine vertraute, gereizte, orgiastische Stimmung bedrückt uns. Es gibt eine kleine exhibitionistische Welt, zu der einige Degenerierte, einige Ausländer, der eine oder andere Abenteurer, viele junge Leute aus guten Familien und viele naive Mädchen gehören."

Der Fall Montesi ist wie ein Stein, den man ins Wasser wirft. Es bilden sich konzentrische Kreise, und wenn sie irgendwo ankommen, bei Sepe zum Beispiel oder bei einem Journalisten, erfährt man etwas über die italienische Gesellschaft und die in ihr lebenden Menschen. Nur eine Garantie dafür, dass einen das zu Wilma Montesi führt, die gibt es nicht. Thea Ganzaroli, eine Freundin von Adriana Bisaccia, erzählt in Mutos Attualità, und dann Dr. Sepe, und dann allen Reportern, die es hören wollen, dass sie in der Nacht vom 9. auf den 10. April 1953 mit ihrem Liebhaber in den Dünen bei Capocotta war, als ein Auto angefahren kam. Zwei Männer schleppten einen leblosen Körper zum Meeresrand und legten ihn da ab. Die Beschreibung, die Ganzaroli von den Männern gibt, entspricht genau der von Montagna und Piccioni. Sie meldet sich erst jetzt, und nicht vor einem Jahr, weil ihr Liebhaber mit einer anderen verheiratet ist. Der Liebhaber bestätigt das zuerst, revidiert dann seine Aussage, und eigentlich ist er auch nicht Theas Liebhaber.

Thea Ganzaroli, kann man in mehreren Zeitungen lesen, träumt von einer Filmkarriere. Dabei sollte ihr Lea Padovani helfen. Das ist die Schauspielerin, mit der Orson Welles in Davide Ferrarios Politkrimi Römisches Maskenspiel (und in der Verfilmung des Romans, Fade to Black) ein Techtelmechtel hat - aber das ist wieder eine andere, auf realen Begebenheiten beruhende und genauso aberwitzige Geschichte wie die vom Montesi-Skandal (beide treffen sich in Welles’ eigenem Politthriller Mr. Arkadin, auch bekannt als Confidential Report - Geheimbericht). Thea Ganzaroli also, ist der Presse zu entnehmen, hat Lea Padovani erst um ein Autogramm gebeten und sie dann mit Drohbriefen bombardiert, dauernd bei ihr angerufen und ihr aufgelauert. Es gibt auch einen leidenschaftlichen Brief von Lea an Thea, doch den hat Thea selbst geschrieben oder von einem ihrer Künstlerfreunde aus der Via Margutta fälschen lassen. Thea Ganzaroli ist das, was man jetzt eine Stalkerin nennt. Ihr Anwalt wird später die Nazis für alles verantwortlich machen, weil die ihr im Krieg auf den Kopf geschlagen haben. Ob die Nazis auch schuld an ihrer sexuellen Orientierung sind, bleibt offen.

Die Recherchen mehrerer Reporter ergeben, dass Ganzaroli zu einem Damenzirkel gehört, der sich - heißt es - "delikaten Vergnügungen" hingibt und gern ein paar von den jungen Mädchen dazuholt, die nach Rom kommen, um ein Star zu werden und dort der sexuellen Ausbeutung zum Opfer fallen. Eine aus dem Zirkel soll eine bekannte Schauspielerin sein. Hier kann man gut sehen, wie Verschwörungstheorien funktionieren, zumindest die von der eher parodistischen Sorte. Lea Padovani kam zum Film, nachdem sie an der Seite von Anna Magnani einen großen Bühnenerfolg gefeiert hatte. Wilma Montesi wollte nicht mit ihrer Mutter und ihrer Schwester ins Kino, weil die beiden ursprünglich einen Film mit Anna Magnani sehen wollten, die Wilma nicht mochte. Könnte mehr dahinter stecken als bisher gedacht? Schon hat man zwei "Verbindungen". Anna Magnani dementiert energisch, dass sie Teil des Damenzirkels ist, was zu weiteren Spekulationen führt. So hat die tote Schreinerstochter auf Umwegen dafür gesorgt, dass in der italienischen Massenpresse zum ersten Mal überhaupt offen über die Existenz der lesbischen Liebe geschrieben wird.

Okkultismus

Und was macht eigentlich die Familie Montesi, die so gar nicht daran interessiert zu sein scheint, wie und durch wessen Verschulden Wilma gestorben ist, sondern eisern an der hanebüchenen Fußbad-Theorie festhält, weil in dieser Version die Tugend der Tochter intakt bleibt? Ein gewisser Sergio Schera überzeugt die Familie von seiner Bedeutung als Regisseur und seinem Filmprojekt, das "Wilma Montesi" heißen soll, mit einem dokumentarischen Teil und den Montesis als sie selbst. Fabrizio Menghini, an vorderster Front der Montesi-Berichterstattung tätig und inzwischen auch Medienberater der Familie, verhindert das mit Hilfe eines Anwalts. Damit betreibt er Schadensbegrenzung. Einige seiner Kollegen haben das Gefühl, dass Wilmas Hinterbliebene Profit aus ihrem Tod schlagen wollen und schreiben auch darüber. Als eine Wochenzeitung Wandas Hochzeit bezahlt und so die Exklusivrechte an dem Ereignis erwirbt, könnte das Medienecho ebenfalls besser sein. Wanda ist Wilmas Schwester, die am Vorabend ihres Freudentages ihr Jungfernhäutchen untersuchen lässt, um Gerüchte zu entkräften, dass sie schwanger sei (Berater Menghini hält das für erforderlich und deponiert die Bescheinigung der Ärztin in einem Safe). Die Montesis wirken allmählich unsympathisch.

La dolce vita

Hochkonjunktur haben die Hellseher und die Medien, die mit jeder noch so absurden Behauptung in die Zeitung kommen. Italien ist nicht nur streng katholisch. Der Begleiter des christlichen Glaubens ist der Aberglaube, und manchmal geht das eine nahtlos in das andere über wie in Fellinis La dolce vita, wo sich eine große Menge von Reportern, Schaulustigen und Gläubigen in einer Vorortsiedlung versammelt, weil zwei Kinder eine Marienerscheinung gehabt haben sollen. In einer berühmten Szene von De Sicas Fahrraddiebe bezahlt Antonio Ricci eine Hellseherin dafür, dass sie ihm sagt, dass er sein Rad entweder sehr bald oder gar nicht wiederfinden wird. Unmittelbar nach dem Krieg waren es noch Frauen aus dem Süden, die so in Rom ihr Geld verdienten. Zehn Jahre später, zeigt sich am Fall Montesi, haben mittelalte Männer aus der Stadt den Markt für Scharlatanerien übernommen und den Modus operandi geändert (vgl. dazu auch den Wahrsager in Fellinis Julia und die Geister). Der moderne Hellseher sitzt nicht mehr in seinem Schlafzimmer und nimmt da die Kundschaft aus, sondern verbreitet seine Weisheiten per Pamphlet und (bezahltem) Interview. Ohne die Medien geht nicht mehr viel.

Fahrraddiebe

Ein kleiner dicker Mann, der sich "Zauberer von Mailand" nennt, behauptet, dass Montagna, Piccioni, Caglio und Wilma Montesi am 9. April 1953 (der Tag von Wilmas Verschwinden) seinen Rat in okkulten Dingen einholten, um dann zurück nach Rom zu fliegen und an heidnischen Ritualen teilzunehmen. Natalino Del Duca, auch ein Meister des Okkulten und im Gegensatz zum Zauberer stets elegant gekleidet (mit einer Ausnahme, siehe unten), war Portier im Hotel Plaza, als Caglio und Bisaccia während des Muto-Prozesses dort abstiegen. Del Duca hat schon wegweisende Werke wie die Protomemoiren für die Zukunft verfasst. Darin kündigt er für 1953 den Dritten Weltkrieg an und enthüllt, dass Hitler nicht in seinem Bunker gestorben ist, sondern jetzt am Nordpol lebt und Vollbart trägt, weil ihn seine Bediensteten nicht rasieren wollen. Wahrscheinlich sind die Diener modebewusst. In Rom ist das eine Weile lang der letzte Schrei, als Komparsen mit Vollbart für die in Cinecittà gedrehten Antikenfilme gesucht werden. Der Photograph und beste Freund von Gregory Peck in Roman Holiday hat einen und der Schauspieler Frankie Stout in La dolce vita auch.

Weil die Russen 1953 doch nicht an der Adriaküste landen wie vorhergesagt, hat Del Duca Zeit für die Montesi-Affäre. Piero Piccioni, berichtet er der Presse, hat Wilmas Strumpfgürtel und die anderen fehlenden Kleidungsstücke zum Hauptquartier der Polizei gebracht, um sie verschwinden zu lassen. Das klingt unnötig kompliziert, wirkt aber auch irgendwie glaubwürdig, weil Del Duca den Namen des Polizisten nennt, der das bezeugen kann (ein Jagdfreund von Montagna, der alles abstreiten wird) und weil es bei diesem Fall immer schwieriger wird, zwischen Fakten, verrückten Erfindungen und den Machinationen geschickter Geschäftemacher zu unterscheiden. Bei der Vernehmung in Sepes Büro erzählt Del Duca in etwa die Geschichte, die er unter dem Titel Documenta Zeta auch zum Kauf anbietet. Piccioni hat versucht, Wilma zu vergewaltigen. Dabei ist sie durch einen Unfall ums Leben gekommen. Die fehlenden Kleidungsstücke wurden im Heizungsofen des Polizeihauptquartiers verbrannt. In der gedruckten Version stellt Del Duca noch klar, dass er weder Hellseher noch Zauberer, sondern Astrologe ist und außerdem ein stolzer Römer. Er leidet darunter, dass man ihn für einen Ausländer oder einen Mann aus der Provinz hielt, weil er bei seiner Aussage im Justizpalast ein kanadisches Holzfällerhemd trug, um nicht erkannt zu werden.

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