Im Sturzflug in die Privatisierung
In Pakistan schlägt die Teil-Privatisierung der Staatlichen Fluggesellschaft PIA große Wellen. Zwei Weltrekorde geben einen Hinweis, warum der IWF nicht der böse Bube im Fall dieser Privatisierung ist.
Mit dreistündiger Verspätung sitze ich in einer Boing 777 von PIA, die zum Glück fremdgewartet wird - weder das Radio noch der Bordservice funktionieren; mein Sitz hat ein Loch. Als sich der dritte gelangweilte Steward herzlich nach meinem Wohlbefinden erkundigt - Cola, Saft und Kaffee sind leider schon alle - antworte ich: "Ein Milchtee wäre klasse." Fünf Minuten später steht der Steward wieder grinsend vor mir und reicht einen Becher: "Mit freundlichem Gruß vom Kapitän, ist aus seiner Thermoskanne!"
1988 schrieb PIA das letzte Mal schwarze Zahlen. Dadurch haben sich jetzt mehr als 3 Milliarden Dollar Schulden angehäuft und täglich werden es mehr. Haben renommierte Fluggesellschaften wie British Airways etwa 170 Angestellte pro Flugzeug, hält PIA mit bis zu 700 einen Weltrekord. Doch dafür die Gewerkschaften verantwortlich zu machen, wie es von Regierungsseite gerade passiert, ist fadenscheinig.
Jede pakistanische Regierung hat es sich zur Gewohnheit gemacht, die Staatsbetriebe dafür zu nutzen, Freunden und Parteimitarbeitern einen Job zu verschaffen - ohne Rücksicht auf fehlende Qualifikationen. Das wenige Fachpersonal muss dann oft unorthodoxe Entscheidungen treffen, damit es trotzdem weiter geht, so wie beim zweiten Weltrekord: Auf einem überbuchten Flug von Karatschi nach Lahore löste der Kapitän das Problem, indem er zwei Passagiere bat, auf der Toilette Platz zu nehmen: der längste Inlandsflug auf dem stillen Örtchen.
Auf den Inlandsflügen hatte PIA bis jetzt ein Monopol - und wie das Management dies zu nutzen wusste, hat es wieder letzten Sommer unter Beweis gestellt: Obwohl knapp 600.000 pakistanische Touristen die malerischen Berge Gilgit Baltistans aufsuchten, gab es täglich nur einen einzigen Flug von Islamabad nach Gilgit; mit einer Maschine die 30 Passagieren Platz bietet. So ging es für viele Touristen anstatt 45 Minuten mit dem Flugzeug bis zu 30 Stunden im Rumpelbus auf dem Karakorum Highway.
Doch mit dem Monopol für PIA geht es jetzt zu Ende. Seitdem die pakistanische Regierung die Zölle auf die Einfuhr von Flugzeugen und Ersatzteilen aufgehoben hat, drängen private Airlines auf den Markt.
Die Regierung verteidigt sich mit dem Argument, dass man nur 26 Prozent von PIA an Fremdfirmen vergeben will, trotzdem hat sie die Opposition wie einen Terrier im Nacken. Dazu sitzen auch Günstlinge der aktuellen Sharif-Regierung auf Managerposten von PIA. Auch die pakistanische Bürokratie will nicht, dass sich etwas ändert - aus Angst, ihren Einfluss zu verlieren. Bei den anderen Staatsbetrieben ist es genauso; auch dort blockieren die Bürokraten jeden internen Reformversuch bis zur Bewegungsunfähigkeit aufgeblähten Betriebe.
Im Februar hatten die Angestellten mit Streiks den kompletten Flugverkehr bei PIA lahm gelegt. Bei den Demonstrationen wurden zwei Menschen erschossen. Dass es sich bei den Schützen um Polizisten handelte, wie die Gewerkschaften behaupten, konnte bisher nicht bewiesen werden. Die Todeskugeln stammten aus einem Kleinkaliber, wobei die Polizisten vor Ort Gewehre mit sich trugen. Einen ähnlichen Fall gab es schon bei einer Demonstration von Imran Khan - auch dort konnten die Täter nicht ermittelt werden.
Selbst wenn man Premierminister Sharif abnimmt, dass er gerade versucht, das lecke Schiff Pakistan auf Vordermann zu bringen - die "Geister" der Bürokratie mit denen er seit Jahren zum Machterhalt oder zum Machtgewinn zusammenarbeitete, kann er jetzt einfach nicht abschütteln. Schon werden auch aus dem Regierungslager Stimmen laut, die populistisch den IWF als Grund für die Privatisierung vorschieben.
Der hatte dies 2013 verlangt, als Gegenleistung für einen 6,7-Milliarden-Dollar-Kredit. Doch dank des Schutzpatrons U.S.A, die Pakistan bis jetzt für den "Kampf gegen den Terror" gebraucht hat, haben sich die Verantwortlichen noch nie um solche Forderungen geschert. Darüber hinaus ist ein Verlust von über 400 Millionen Dollar, den die PIA allein im Jahr 2013 eingeflogen hat, ein schlagendes Argument, dass sich etwas ändern muß.
Der pakistanische Finanzberater Ali, der ständig mit den staatlichen Behörden zu tun hat, spricht es klar aus: "Wenn Staatseigentum privatisiert wird, ist das eigentlich immer schlecht für den Bürger, denn es ist ja unser Eigentum. Leider sind die Staatsbetriebe in unserem Land völlig heruntergewirtschaftet worden und voller Personal ohne jegliche Qualifikationen. Die Verantwortlichen sollen genauso vorgehen wie bei der erfolgreichen Teil-Privatisierung des staatlichen Telekommunikationsanbieters PTCL. Obwohl die Regierung dort 70 Prozent der Anteile hält, sind alle wichtigen Posten mit Fachpersonal des Investors besetzt und auf einmal läuft es!"
Dass der Gewinn dann endlich in Schulen und Krankenhäuser investiert werden sollte, dürfte langsam auch Ministerpräsident Sharif bemerkt haben. Vor ein paar Wochen "musste" er wegen eines medizinischen Routineeingriffs nach London fliegen, um sich dort in einer Privatklinik behandeln zu lassen.