"Im Sudan ist sehr viel Geld zu verdienen"

Ölinteressen sind ein Motor des Bürgerkriegs und ein Bestandteil des Konflikts hinter den humanitären Zielen

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Im UN-Sicherheitsrat stehen sich in der Bezug auf den Sudan zwei Blöcke gegenüber. Auf der einen Seite die Hardliner, Deutschland und Großbritannien, die für schnelle Sanktionen gegen die Zentralregierung plädieren und auch mit einer Militärintervention liebäugeln. Auf der anderen Seite die Vermittler, angeführt von der Volksrepublik China und Russland, die eine äußere Einmischung ablehnen. Da diese beiden Mächte unliebsame Beschlüsse mit einem Veto blockieren können, wurde nach langem Tauziehen im Sicherheitsrat Ende Juli lediglich eine Kompromissresolution verabschiedet: Khartum wird 30 Tage Zeit zur Entwaffnung der Djandjawid-Milizen gegeben, die in der Krisenprovinz Darfur für Vertreibungen und Morde verantwortlich gemacht werden. Danach, so ist zu vermuten, könnten die Kontrahenten in der UNO wieder aufeinanderprallen. Allerdings scheint die Regierung in Khartum nun einzulenken. Jan Pronk, der Sonderbeauftragte von Kofi Annan, hat mit der sudanischen Regierung ein Abkommen erzielt und lobte sie, dass die Hilfskräfte ungehinderten Zugang zu den Flüchtlingen haben. Die Regierung habe mehr Polizisten in Darfur stationiert. Die Entwaffnung der Milizen soll diese Tage beginnen.

Die Regierung von Tony Blair deutete Ende Juli an, ein britisch-australisches Truppenkontingent zu entsenden. "Beim Thema Darfur ist Deutschland eines der unbeugsamsten Länder", hatte der sudanesische Außenminister Mustafa Osman Ismail schon zwei Wochen zuvor kritisiert. Tatsächlich hatte sich Kerstin Müller, grüne Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, schon im Dezember letztes Jahr für eine Militärintervention ausgesprochen. Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wirbt seit Mai für die Entsendung einer Eingreiftruppe, die aus afrikanischen Soldaten bestehen und von der EU finanziert werden soll. Der FDP-Politiker Gerhart Baum sprach sich Mitte Juli für eine "internationale Militärintervention mit deutscher Beteiligung" aus. Zwar hat auch der US-Kongress Ende Juli die Bush-Regierung aufgefordert, "ernsthaft eine multilaterale oder sogar unilaterale Intervention zu erwägen" - das Weiße Haus ist aber bis dato nicht auf diese Linie eingeschwenkt.

Während in den Massenmedien mit humanitären Argumenten Stimmung für eine Intervention gemacht wird, gibt es auch ganz profane andere Gründe. "Im Sudan ist sehr viel Geld zu verdienen", war ein Beitrag in der FAZ Ende Juli übertitelt. "Grund sind die Ölvorkommen des Landes und damit seine potentielle Zahlungsfähigkeit. Die Ölreserven ... belaufen sich nach vorsichtigen Schätzungen auf zwei Milliarden Fass, von denen wiederum 700 Millionen nachgewiesen sind ... Die tägliche Fördermenge in Sudan liegt gegenwärtig bei 312 000 Fass Rohöl, Tendenz steigend. Bis Ende 2005 soll die Fördermenge auf 500 000 Fass erhöht werden ..." Zum Vergleich: Die Öl-Weltmeister Saudi-Arabien und Russland fördern täglich bis zu acht Millionen Barrel.

Die Vorkommen befinden sich hauptsächlich in Zentral- und Südsudan. Die christlich-animistischen Rebellen im Süden kämpfen seit über zwanzig Jahren um die Lostrennung von der moslemischen Bevölkerungsmehrheit im Zentrum und im Norden. In dem auf beiden Seiten grausam geführten Bürgerkrieg starben 1,5 Millionen Menschen. Gerade als beide Seiten im letzten Jahr Verhandlungen begonnen hatten, griffen die mit den Südrebellen verbündeten Aufständischen in der Westprovinz Darfur zu den Waffen. So von zwei Seiten in die Zange genommen willigte die Regierung in Khartum Ende Mai 2004 schließlich in einen Friedensvertrag ein, der den Südrebellen nach einer Übergangsfrist die Ausrufung eines eigenen Staates ermöglicht - und damit die Kontrolle über das Öl.

Auch die Darfur-Rebellen haben mittlerweile Appetit auf den klebrig-schwarzen Saft bekommen und fordern "dreizehn Prozent der künftigen Öleinnahmen". Dabei ist es noch umstritten, wie groß die Vorkommen im Westen überhaupt sind. Nachgewiesen ist jedenfalls, dass sich ein Feld (der sogenannte Block 6) durch ganz Süddarfur bis zur Grenze zur Zentralafrikanischen Republik erstreckt.

Berlin contra Peking

Dass die deutsche Regierung so einseitig gegen die Regierung in Khartum Partei ergriffen hat und die Verantwortung der Rebellen für die humanitäre Krise in den Hungerregionen nicht thematisiert, könnte auch damit zu tun haben, dass ein deutsches Unternehmen einen milliardenschweren Auftrag von den Rebellen bekommen hat. Dabei geht es nicht um Ölförderung, sondern um Öltransport. Aufftragnehmer ist die Firma Thormählen Schweißtechnik aus Bad Oldesloe, die beispielsweise im Jahre 2002 die Hochgeschwindigkeitsverbindung zwischen Köln und Frankfurt/Main gebaut hat. Anfang Juli wurde der Deal in der kenianischen Hauptstadt Nairobi perfekt gemacht - übrigens kurz nachdem Staatssekretärin Müller dort gewesen war. Thormählen soll eine Eisenbahnverbindung von der südsudanesischen Stadt Juba über Uganda nach Kenia bauen. Tankzüge sollen sudanesisches Öl über eine Strecke von 2.500 Kilometern bis zur kenianischen Hafenstadt Mombasa transportieren.

Damit unterstützt das deutsche Unternehmen die Aufteilung Sudans. "Das ist die Lebendader unserer Unabhängigkeit", bejubelte Costello Garang, einer Anführer der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLM/A, den Vertragsabschluss. Die Eisenbahnverbindung "könnte die politische und geografische Landkarte des Kontinents ändern", stimmt das kenianische Magazin The Nation zu.

Bisher wird das sudanesische Öl zwar hauptsächlich im Süden und im Zentrum des Landes gefördert, aber ausschließlich über einen Hafen im Norden exportiert - Port Sudan am Roten Meer. Diese Pipelineführung entlang der Nordsüdachse hält den Staat bislang zusammen, und deshalb setzt die Regierung alles daran, sie auszubauen. Ihr Partner dabei ist vor allem die Volksrepublik China, die - im genauen Gegensatz zur deutschen Politik - ihre wirtschaftlichen Interessen ausschließlich in Kooperation mit der Zentralregierung befriedigt. So hält die China National Petroleum Company bedeutende Lizenzen für die Ölförderung im Süden und hat nun auch den Zuschlag für das Block-6-Feld in Darfur bekommen. Kein Wunder, dass zwei chinesische Ingenieure, die in der Krisenprovinz von Djandjawid entführt worden sind, nach Intervention aus Khartum schnell wieder freikamen. Ende Juli unterzeichnete ein chinesisch geführtes Konsortium einen Vertrag über eine neue Pipeline nach Port Sudan. Mit 1,7 Milliarden Dollar konnte Khartum dafür allerdings nur etwas mehr als die Hälfte der drei Milliarden Dollar bieten, die die Südrebellen Thormählen für die Schienenstrecke nach Mombasa offeriert haben.

Ein Wettlauf mit der Zeit: Wird zuerst die von dem maßgeblich chinesischen Konsortium geplante Nordpipeline fertig, die den Sudan unter der gegenwärtigen Regierung stabilisieren könnte? Oder die deutsche Eisenbahnlinie nach Süden, die ihn vielleicht zerreißen könnte? Je mehr die Regierung in Khartum durch westliche Einmischung destabilisiert wird, um so wahrscheinlicher wird die zweite Variante. Den Ausschlag wird wohl die Haltung der US-Regierung geben, die sich bisher zurückhält, da sie ihre Truppen auf anderen Schauplätzen braucht und der Sudan beim (sogenannten) Kampf gegen den Terrorismus kooperiert