Im tiefen Schlund
"Inside Deep Throat": Die Doku über den profitabelsten Film aller Zeiten
Zensur heißt nicht unbedingt, dass ein Film von der Leinwand oder gar aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet. Im Gegenteil. Das Fellatio-Spektakel "Deep Throat" (USA, 1972) zum Beispiel wurde von diversen Seiten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft -- und ist bis heute nicht totzukriegen. Demnächst soll der Porno-Klassiker wieder ins Kino kommen. Mitverantwortlich für das Comeback ist die Doku "Inside Deep Throat" (USA 2004), die kürzlich auf der Berlinale zu sehen war und am 2. Juni in Deutschland startet.
Die Doku "Inside Deep Throat" der beiden Amerikaner Fenton Bailey und Randy Barbato erzählt äußerst kurzweilig die Geschichte des bislang profitabelsten Kinofilms aller Zeiten, vom Auf- und Niedergang seiner Hauptdarstellerin Linda Lovelace und ganz nebenbei von der so genannten sexuellen Revolution der 70er Jahre.
Höhepunkte und Untiefen
Das Erfolgsgeheimnis von "Deep Throat" war nicht zuletzt sein Humor, denn "Deep Throat" bot nicht nur Höhepunkte, sondern auch Pointen. Außerdem war die Vorstellung, dass die Klitoris einer Frau tief unten im Hals angesiedelt sein könnte, Anfang der 70er Jahre irgendwie lustig. Auch wenn nicht jeder Zuschauer auf Anhieb gewusst hätte, wo sich das geheimnisvolle Organ normalerweise verbirgt. So gibt einer der damaligen Richter in der Doku unumwunden zu, er habe eine Menge gelernt durch den Film und die zahlreichen Strafprozesse, die er nach sich zog.
"Deep Throat" machte Themen wie Fellatio und klitoralen Orgasmus salonfähig -- vier Jahre bevor Shere Hite im "Hite Report" die Grundlagen des weiblichen Orgasmus beleuchtete -- und zehrte von der Prominenz seiner Besucher. Nachdem Jackie Kennedy den Film gesehen hatte, verdoppelten sich die Besucherzahlen. Als dann auch noch die respektable New York Times über das skandalträchtige Machwerk berichtete, gab es kein Halten mehr.
Gedreht wurde "Deep Throat" für 25.000 US-Dollar, eingespielt hat der Streifen allein in den USA über 600 Millionen. Diese Zahlen werden in der Doku genannt, sind aber mit Vorsicht zu genießen, denn sobald sich "Deep Throat" zum Kassenschlager entwickelte, trat die Mafia auf den Plan und kassierte mit. So genannte "Checker" überprüften, wie viele Besucher im Kino saßen, später kamen die "Sweeper" und knöpften den Kinobetreibern rund die Hälfte der Einnahmen wieder ab. Regisseur Damiano geriet ins Visier der Bundespolizei FBI. Um dem Gefängnis zu entgehen, verzichtete er noch in den 70er Jahren auf sämtliche Rechte an seinem Werk.
Für Regisseur und Darsteller war "Deep Throat" ein Fiasko
Den Hauptdarstellern erging es nicht wesentlich besser: Linda Lovelace bekam für ihre Blow-Job Performance insgesamt 1.200 Dollar, Hauptdarsteller Harry Reems 250 Dollar - und um ein Haar fünf Jahre Gefängnis. Denn anders als Regisseur Damiano und sein Shooting Star Lovelace genoss Reems vor Gericht keine Immunität. Die Anklage lautete auf Verschwörung mit dem Ziel, einen unanständigen Film zu drehen und diesen in den USA unter die Leute zu bringen.
Nachdem eine Jury in Memphis Reems für schuldig befunden hatte, drohten ihm 5 Jahre Haft. 1976 wurde das Urteil revidiert, denn die so genannten "obscenity laws", die das Urteil möglich machten, galten erst seit 1973, entstanden war der Film jedoch bereits 1972. Zahlreiche Prominente, darunter Jack Nicholson, Warren Beatty, Gregory Peck und Shirley MacLaine setzen sich für Reems ein, sprachen sich gegen Zensur aus und organisierten Fund Raising Parties, damit er sich den Staranwalt Alan Dershowitz als Verteidiger leisten konnte. Reems wurde schließlich freigesprochen. Sein Ruf jedoch war dahin. Angeblich sollte er eine Rolle im Musical "Grease" bekommen, doch daraus wurde nichts. Reems ruinierte sich mit Alkohol und Drogen, bettelte auf dem Sunset Boulevard. Irgendwann fand er zum Glauben, wurde ein Born Again Christian und lebt heute als Immobilienmakler in Utah.
Linda Lovelace schloss sich den Feministinnen an, kämpfte für ein Verbot von "Deep Throat" und versuchte, ihrer illustren Vergangenheit zu entkommen. Ohne Erfolg. Mehrmals verlor sie ihren Job, kehrte aus Geldnot schließlich zurück vor die Kamera und starb 2002 an den Folgen eines Autounfalls.
Das Schicksal der Macher und Akteure ist jedoch nur ein Aspekt der Doku. Zu Wort kommen auch die damaligen Gegner und Strafverfolger, außerdem jede Menge prominente Zeitgenossen wie Erica Jong, Gore Vidal, Camille Paglia und John Waters, die zu Sex und Zensur etwas zu sagen haben. Den Schwerpunkt jedoch bildet das Thema Zensur. Schließlich sind die Gesetze, die "Deep Throat" seinerzeit von der Leinwand verbannten, bis heute in Kraft. Außerdem ist ein Gesetz in Arbeit, das Nacktbilder im Fernsehen künftig härter bestraft.