Immer schneller, immer extremer

Kommt das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen? – Teil III

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Eine der Folgen des zunehmenden Treibhauseffekts können wir jetzt schon spüren: die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Niederschlägen weltweit. Der Zusammenhang ist ganz einfach: Je wärmer es wird, desto mehr Wasser verdunstet und kommt an anderer Stelle wieder herunter. Gerade die Gebiete, die ohnehin schon mit viel Regen gesegnet sind, werden wahrscheinlich noch mehr davon bekommen. Andere Regionen werden dagegen unter vermehrter Trockenheit leiden. Und wenn es dann dort regnet, ist es plötzlich zuviel auf einmal.

Das ist physikalisch auch durchaus erklärbar. Denn das Klima der Erde ist thermodynamisch betrachtet nichts anderes als eine gigantische Maschine. Je mehr Energie man nun in diese Maschine durch den Treibhauseffekt hineinsteckt, desto mehr kommt diese Maschine in Schwung, desto wilder wird das Klima. So hat die Zahl der Überschwemmungen im letzten Jahrzehnt zugenommen. Gleichzeitig breiten sich aber auch die Wüsten aus. Das Wetter wird extremer. Die Wälder der Erde schwinden rascher als bisher angenommen. Neuerdings kommen auch noch vermehrt Waldbrände aufgrund der zunehmenden Temperaturen hinzu, die weitere Treibhausgase in die Luft blasen. Auch hier wieder ein selbstverstärkender Effekt: Je heißer es wird, desto mehr brennen die Wälder, desto heißer wird es.

Viele Betroffene könnten deshalb gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen. In China leiden schon zwei Drittel der Städte unter Wasserknappheit, Neu Delhi wird in 15 Jahren sein Grundwasser aufgebraucht haben. Der Tschad-See in Afrika ist in den letzten 38 Jahren um 95% geschrumpft. Auch die Fläche des Aral-Sees hat sich in den vergangenen Jahrzehnten schon halbiert. Im Jahr 2025 könnten fast 50% der Weltbevölkerung unter Wassermangel leiden - zwar vorwiegend durch das rasante Städtewachstum und die weitere Intensivierung der Landwirtschaft. Aber eine Klimaerwärmung wird sicherlich dazu beitragen, diese Probleme noch zu verstärken.

Lange vor den Palmen kommen die Mücken

Hinzu kommen Bedrohungen durch Insektenbefall. Lange bevor Palmen Nordeuropa besiedeln, werden Schwärme von asiatischen Stechmücken zu uns kommen. Die Mückenplagen in Wien 1996 und 1998 geben einen ersten Vorgeschmack Schon jetzt halten die Heuschrecken wieder Einzug in die südosteuropäische Kornkammer. In Rußland und der Ukraine hat man bereits mit erheblichen Ernteverlusten zu kämpfen. Aber auch andere Insekten werden in einem zunächst wärmeren Klima bessere Lebensbedingungen vorfinden. Das gilt für Reptilien, Amphibien und Bakterien gleichermaßen.

Die Zeichen sind nicht zu übersehen: In New York wurde im Jahr 2000 in einer bisher beispiellosen Aktion die ganze Stadt für die chemische Keule gegen die Mücken freigegeben, weil diese neuerdings den West-Nil-Virus übertragen können. Seitdem wiederholt sich dieses Schauspiel bereits in zahlreichen Gebieten der USA. Oder beispielsweise nimmt die Ameisenplage in China durch Klimaerwärmung noch zu. Allerdings gibt es auch angenehmere Rückwirkungen: Der Frühling im Norden beginnt früher, die Zugvögel brüten früher oder bleiben teilweise sogar den Winter über und man kann in Deutschland inzwischen das ganze Jahr über Radfahren, ohne sich im Winter regelmäßig die Finger abzufrieren.

Wenn schon Klimawandel, dann bitte langsam

Die möglichen Vorteile einer Klimaänderung werden vor allem dann von den Nachteilen überragt, wenn der Klimawandel zu schnell vor sich geht und die Natur tatsächlich Anpassungsschwierigkeiten hat. Denn wenn Ökosysteme zusammenbrechen, endet das meist mit einer Katastrophe, die weitere Katastrophen nach sich zieht. Das Klimafolgen-Risiko ist erheblich. Insbesondere die nachfolgenden Generationen werden darunter leiden.

Zwar sind die Folgen einer Klimaverschiebung bzw. einer drohenden "Klima-Achterbahn-Fahrt" für den einzelnen noch nicht sichtbar. Aber ist der Klimawandel erst einmal so richtig in Gang gekommen, dann lässt er sich höchstwahrscheinlich nicht mehr stoppen, sondern dann beschleunigt er sich selbst. Schon die verhältnismäßig kleinen Schwankungen des Klimas in den vergangenen 10.000 Jahren haben immer wieder Kulturen untergehen lassen.

Wir bilden uns zwar ein, dass wir mit unseren hochentwickelten Gesellschaften wesentlich besser gewappnet wären als Dritte-Welt-Länder. Das ist sicherlich auch richtig, solange es sich um eine stetige Klimaentwicklung handelt. Bei wirklich dramatischen Klima-Umschwüngen - wie beispielsweise beim Ausbleiben des Golfstroms zu erwarten - wäre aber genau das Gegenteil der Fall: Zum einen wären die Klimaänderungen im Norden wesentlich größer als im Süden - vor allem Europa wäre davon betroffen. Zum anderen brechen gerade hochkomplexe Gesellschaften bei dauerhaften Stresssituationen schneller zusammen als einfache. Das liegt daran, dass komplexe Gesellschaften auf eine funktionierende Infrastruktur (Strom, Wasser, Abwasser, Straßen etc.) existenziell angewiesen sind. Man schaue sich nur einmal an, wie die hoch entwickelte Nation der USA in New Orleans von den Folgen des Hurrikans Katrina vollkommen überfordert war.

War man in den neunziger Jahren noch ein einsamer Rufer in der Wüste, wenn man von einem sich selbst verstärkenden Klimawandel und der Gefahr abrupter Klimasprünge sprach, so trauen sich seit einigen Jahren auch andere Wissenschaftler an diese Materie (siehe Literaturliste). Im Jahr 2003 ist erstmals eine Studie zu den möglichen Folgen abrupter Klimaänderungen veröffentlicht worden, im Auftrag des Pentagon. Darin wird dem Klimawandel eine weit höhere Gefahr für die Sicherheit der USA bescheinigt, als es der internationale Terror ist. Die Autoren argumentieren, dass schon die erwarteten Klimaveränderungen in den nächsten Jahrzehnten zu erheblichen Problemen nicht nur für die Entwicklungsländer führen werden, sondern in deren Folge auch für die Industrieländer. Kommt der Nordatlantikstrom jedoch ins Stottern oder fällt gänzlich aus, haben wir es wahrscheinlich mit einem Rückfall in mittelalterliche Gesellschaftsformen zu tun, in denen der Krieg um Ressourcen wieder zum alltäglichen Begleiter wird.

Dabei sind doch derart heftige Klimaänderungen durchaus der Normalfall in den letzten Jahrhunderttausenden. Nochmals zur Erinnerung: Wir leben in den letzten 10.000 Jahren in einer ausgesprochen ruhigen und stabilen Klimaepoche und niemand weiß so richtig, warum das so ist. Immer wieder kam es in der Klimageschichte zu dramatischen Umbrüchen innerhalb weniger Jahrzehnte. Das Klima ist offensichtlich ein empfindliches System, daß auf leichte Anstöße oft überreagiert. Wir sollten das Klima nicht zu sehr reizen, bevor es noch zu einem gefräßigen Monster wird.

Von der Natur lernen

Das Problem ist der hohe Pro-Kopf-Verbrauch der Industrieländer. Allen voran die USA-Bürger die etwa 30 Mal mehr Ressourcen verbrauchen als ein Inder. Aber auch ein Deutscher verbraucht etwa 6 Mal mehr. Das nächste Problem ist, dass dieser Lebensstil immer noch weiter exportiert wird. Dank Hollywood träumt die ganze Menschheit vom eigenen Haus mit Garten und dem Auto in der Garage. Bis jetzt genießt erst etwa ein Fünftel der Menschheit den Reichtum und den damit verbundenen Lebensstil, den wir als gegeben annehmen. Was aber, wenn jetzt die anderen vier Fünftel auch genauso leben wollen wie wir?

Besonders erfreulich ist da eine Nachricht aus China. Das bevölkerungsreichste Land der Erde hat seinen Energieverbrauch seit Mitte der 90er Jahre um 17% reduziert, obwohl das Bruttosozialprodukt in derselben Zeit um 36% gestiegen ist. Wenn wir uns auf diesem Planeten mit unserer Kultur dauerhaft einnisten wollen, müssen wir endlich begreifen, dass wir nicht von der Natur unabhängig existieren können.

Wir müssen von der Natur lernen. So hat die Photosynthese der hochentwickelten Pflanzen einen Wirkungsgrad von 98%. Warum hat die Photovoltaik immer noch einen Wirkungsgrad von 15%? Warum setzen die meisten Glühbirnen immer noch gerade 5% des Stroms in Licht um? Warum fahren wir immer noch mit Autos im Stadtverkehr, die im Durchschnitt letztlich nur 1% der eingesetzten Energie in die Fortbewegung der Nutzlast stecken? Wir brauchen einen Forschungs- und Entwicklungsschub für effiziente Technologien und Produkte, für eine "Re-Evolution" unserer Wirtschaft und Gesellschaft.

Lösungsansätze in Europa beginnen!

Die Treibhausgase könnten mit vorhandenen Technologien in den nächsten 20 Jahre erheblich verringert werden. Die Hälfte der Reduktion könnte durch Einsparungen und effizientere Technologien erzielt werden - also letztlich kostenneutral, da die Aufwendungen durch Einsparungen wett gemacht werden. Rechnet man noch die erheblichen Kosten, die durch einen verstärkten Klimawandel entstehen können, ist jeder in Klimaschutz investierte Euro ein mehrfacher Gewinn. In Holland entsteht beispielsweise gerade ein Industriegebiet, welches keine CO2-Emissionen verursacht. Geht sowas denn nur in Holland?

Aber auch im Verkehrsbereich wären kurzfristig Einsparungen von 20% möglich. Jeder kann sich selbst im Internet über sparsame Autos und über eine sparsamere Fahrweise informieren oder einfach den Bus oder das Fahrrad benutzen. Die Bahn könnte ihre CO2-Bilanz noch deutlich verbessern, indem sie ihren Strom nur aus regenerativen Quellen bezieht und die Dieselloks beispielsweise mit Rapsöl fahren läßt. Und vor allem muss dringend die Luftfahrt in den CO2-Emissions-Handel integriert werden.

Fast 4 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten bereits im Bereich Umweltschutz. Das sind mehr Beschäftigte als im Maschinenbau, im Fahrzeugbau oder im Ernährungsgewerbe. Wenn in den nächsten 5 Jahren alle erneuerungsbedürftigen Heizkessel auf eine zusätzliche Solar-Anlage umgestellt werden würden, könnten nochmals 110.000 neue Jobs entstehen. Weitere Beispiele lassen sich finden. Aber auch Überlegungen, das Treibhausgas CO2 einzufangen und in die Tiefsee einzulagern oder das Algenwachstum in den Weltmeeren zu fördern, um CO2 aus der Atmosphäre abzubauen, sollten mit allem Nachdruck verfolgt werden.

Insbesondere Europa ist aufgerufen, aktiv an einer Lösung des Treibhausproblems zu arbeiten. Denn langfristig wäre Europa von drastischen Klima-Umbrüchen besonders betroffen. Ein Zusammenbruch des Golfstroms würde das Auslöschen der europäischen Kultur bedeuten. Jedenfalls wie wir sie heute kennen. Hochrechnungen zeigen, dass dann kurzfristig anstelle von 300 Millionen hier nur noch 30 Millionen Menschen ernährt werden könnten.

Der Mensch, das hoch entwickelte Wesen?

Im Grunde benehmen wir uns wie ein Autofahrer, der bei Nebel fährt und plötzlich feststellt, daß das Fahrzeug gar keine Bremse hat. Anstatt jetzt aber den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, beschleunigen wir weiter jedes Jahr mit etwa 5%. Und nun bemerken wir, daß es langsam auch noch Bergab geht. Würden Sie dann munter weiter den Fuß auf dem Gaspedal lassen?

Vielleicht sind wir ja doch nicht so hoch entwickelt, wie wir immer denken. Denn wir verhalten uns letztendlich nur wie ein Schimmelpilz, der einen Laib Brot überwuchert. Genau wie der Schimmelpilz sind wir ein Schmarotzersystem, das von der Energie lebt, die in der Erde gespeichert ist. Wenn die Energievorräte aufgebraucht sind, ist Schluss mit der Entwicklung. Anders als der Schimmelpilz können wir aber erkennen, dass diese Entwicklung ein Ende hat. Und nicht nur gehen unsere Vorräte demnächst zu Ende, auch die Aufnahmekapazität der Umwelt für die daraus folgenden Emissionen ist begrenzt. Es ist also im doppelten Sinne unsinnig, wenn wir weiterhin auf fossile Brennstoffe setzten.

Wird es uns gelingen, die Macht der Ölkonzerne zu brechen, bevor sie uns mit in ihren Untergang reißen? Wir wären nicht die erste Kultur in der Menschheitsgeschichte, die an den selbstinduzierten Klimaveränderungen eingeht.

Literatur