Impfen als Privileg

Grafik: TP

Das deutsche Versagen in der Corona-Politik führt zu weiteren Problemen

Die Dokumentation der Covid-19-Impfungen ist bislang Sache der Nationalstaaten oder der Gebietskörperschaften darunter. In Deutschland stellt beispielsweise bislang nur der Landkreis Altötting ein digitales Impfzertifikat aus, das der dortige Landrat von einer Kölner Firma entwickeln ließ. Der Behörde in der Nähe der Grenze zu Österreich ist zwar nach eigenen Angaben bewusst, dass noch Fragen offen sind - aber sie argumentiert damit, dass es viel Arbeit und Wartezeiten durch eine Nacherfassung gäbe, wenn man erst nach dem Vorliegen von Antworten darauf tätig würde.

Offene Fragen

Zu diesen offenen Fragen gehört, welche der verwendeten und vorgesehenen Impfstoffe nicht nur vor einem schweren Verlauf der Krankheit, sondern auch vor einer Weitergabe der Viren schützen: BNT162b2 schaffte Pfizer-CEO Albert Bourla im Tierversuch einen weitergehenden Übertragungsstopp, während AZD1222 nur einen so genannten "Teilschutz" liefert: Dabei werden Ansteckungen wegen des ausbleibenden Krankheitsausbruchs bei Geimpften zwar reduziert, aber nicht komplett unterbunden.

Ebenfalls unklar ist, welche Impfstoffe wie gut gegen die inzwischen bekannten Sars-CoV-2-Mutationen aus England, Südafrika und Brasilien immunisieren. Auch hier scheint aber der mRNA-Impfstoff von BioNTech und Pfizer gewisse Vorteile gegenüber dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca zu haben (vgl. Britische Corona-Mutation: AstraZeneca prüft Umbau des Impfstoffs).

Einreise- und Quarantänevorschriften

Dem Willen der Staatsführungen Griechenlands, Maltas und mehrerer anderer EU-Länder, in denen der Tourismussektor eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielt, soll es möglichst bald ein einheitliches und mindestens EU-weit anerkanntes Zertifikat geben, mit dem sich Einreise- und Quarantänevorschriften umgehen lassen. In Deutschland gelten solche Quarantänevorschriften derzeit für die Einreise (und Rückkehr) aus fast allen EU-Ländern. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel soll Medienberichten nach überdies darauf hinwirken, auch Ausreisen zu erschweren (vgl. Merkel: "Wir brauchen ein härteres Grenzregime").

Wojciech Wiewiórowski, der Datenschutzbeauftragte der EU, steht so einem "Immunitätspass" allerdings ähnlich skeptisch gegenüber wie die Verfasser eines Berichts des Ada-Lovelace-Instituts, die vor Risiken wie Diskriminierung bei der Arbeits- und Wohnungssuche warnen. Dass Privatleute Unterschiede zwischen Geimpften und Nichtgeimpften machen können, hat auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek eingeräumt. Sie führte allerdings weniger sensible Bereiche wie Gaststätten- und Veranstaltungsbesuche als Beispiele an.

Je mehr Mangel, desto mehr Privileg

In Deutschland könnte ein mit Ungleichbehandlungen verbundenes Impfzertifikat auch deshalb zu Unmut führen, weil das Land bei den Impfungen bislang sehr viel schlechter dasteht als andere (vgl. Corona-Impfdesaster: Es liegt nicht nur am Mangel). Da muss man als Vergleichsmaßstab nicht einmal Israel heranziehen, wo man seit letzter Woche schon die Jugendlichen impft: Auch in Ländern wie Serbien und Rumänien, ist inzwischen einen höherer Prozentsatz der Einwohner geimpft als in Deutschland. Und das Vereinigte Königreich, dem man im letzten Jahr brexitbedingte Impfnachteile prophezeit hatte, liegt in der Impfstatistik sogar deutlich vor allen EU-Mitgliedsländern.

In so einer Situation liegt es nicht fern, dass politiknahe Personen ihre Positionen ausnutzen, um eher an die begehrten Privilegien Geimpfter zu kommen. Eine Debatte darüber gibt es bislang allerdings weniger in Deutschland als in Österreich: Dort verspritzte eine Gemeinde mehr Impfstoff der ersten Lieferung an Kommunalpolitiker und deren Verwandte als an Pfleger und Senioren. In Salzburg erhielten solche Personen Rückendeckung vom Landeshauptmann Wilfried Haslauer und vom Gesundheitslandesrat Christian Stöckl, die beide der Volkspartei angehören. Sie argumentierten, dass Kommunalpolitiker ja auch Alters- und Pflegeheime beaufsichtigen würden, weshalb es schon in Ordnung sei, dass man sie "priorisiere".

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